Nachhaltige Architektur für ganzheitliche Lebensräume
Stefan F. Höglmaier setzt auf die Transformationsfähigkeit von Gebäuden, auf urbane Architekturkultur und Gemeinwohl. In Partnerschaft mit ambitionierten Architekten schafft er Überraschendes: Mehrwert durch nachhaltige Architektur.
text Gerd Giesler
Stefan F. Höglmaier war schon früh nicht nur an Architektur, sondern der Wirtschaftlichkeit von Gebäuden interessiert. Im Jahr 1999 gründete er die Euroboden GmbH und kreierte damit die erste Architekturmarke der Immobilienbranche.
„Man kommt mit seinem Elektrofahrzeug nicht im Dunkeln an, sondern im hellen Tageslicht. Man blickt auf sattes Grün, das die Gebäude organisch durchwächst, läuft sportlich auf großen Freitreppen, oder fährt ganz entspannt in lautlosen Fahrstühlen aufwärts. Dann geht man in das Outdoor-Gym auf der Dachterrasse, nimmt einen ersten Kaffee mit Blick auf Wasser und Weite oder plauscht mit Morgenmenschen, die eines eint: sie alle lieben diesen Ort, sie alle lieben ihr Hammerschmidt“.
Stefan F. Höglmaiers Augen beginnen jungenhaft, fast visionär zu strahlen. Lebensraum neu zu denken ist seine Leidenschaft. Dabei setzt der Nonkonformist auf nachhaltige Architektur um identitätsstarke Unikate co-kreativ zu schaffen. Das Hammerschmidt Bürogebäude in Dornach westlich von München ist eines seiner aktuellsten Objekte, in das er mit seiner Firma Euroboden Architekturkultur 2022 selbst einziehen wird.
OFFENE GEBÄUDEPLANUNG ALS TRANSFORMATIONAL BUILDINGS
In München-Riem, dort wo Natur und Stadt zusammenwachsen, ist er fündig geworden und hebt mit dem Hammerschmidt auf, was jahrzehntelang Manifest war: die strikte Trennung zwischen Arbeiten und Leben. Wo andere saturiert abwinken, juckt es Höglmaier förmlich unter den Fingernägeln: „Das Interessante ist immer, in einem langweiligen oder gar schwierigen Grundstück einen Rohdiamanten zu sehen. Anstatt mit einer vorgefertigten Idee, die man aus der Schublade zieht, ranzugehen, sollte man offen für Visionen sein. Denn mit guter Architektur kann man auf jedem Grundstück ein herausragendes Projekt entwickeln“.
STEFAN HÖGLMAIERS EUROBODEN
Schon als Teenager schwärmte der 1974 in München geborene Lehrersohn eher von schnittigen Fassaden als von schnellen Autos. Noch während des Abiturs reüssierte er in einem Immobilienvertrieb. Einziges Manko: schon damals störte ihn, wie wenig Platz in der Branche für gute Architektur ist. So gründete er mit 24 die eigene Bauträgerfirma Euroboden mit eigenem Credo: Zum ganzheitlichen Denken, das Architekturkultur letztlich ausmacht, gehöre „der gemeinsame Dialog zwischen Bauherr und Architekten von Anfang an“.
ARCHITEKTEN, DIE DIE VISION TEILEN
Heute zählt seine Firma längst zu den führenden Entwicklern von städtebaulich anspruchsvollen Immobilien im deutschsprachigen Raum mit teils spektakulären Projekten. Er realisiert sie mit ausgewählten Architekten wie Jürgen Mayer H., David Chipperfield, Peter Haimerl, David Adjaye oder Thomas Kröger. „Wir eifern dabei nicht einer bestimmten Ästhetik nach, sondern suchen uns den richtigen Partner, der unsere Vision teilt und der so tickt wie wir in punkto Mindset“.
Projekte
von Euroboden
NACHHALTIGE ARCHITEKTUR GANZHEITLICH GEDACHT
Fließen dabei ökologische Gesichtspunkte mit ein? „Dass man mehr als nur Zahlen und Exceltabellen im Kopf haben muss, ist für mich selbstverständlich. Wir agieren sowohl auf Projektebene, als auch in unserer Unternehmenskultur im Kern sinnstiftend und entwickeln nachhaltige Objekte, egal um welche Bauaufgabe es sich dreht. Nachhaltigkeit sehen wir umfassend. Nachhaltig ist für uns nicht nur die wärmegedämmte Kunststoff-Fassade, nachhaltig handeln heißt universell zu handeln.“
In der Tat: Rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und ein Drittel des globalen CO2-Ausstosses ist der Bauwut der Menschheit geschuldet. Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft stellt die Amsterdamer Lendager Group sogenannte „Upscale Houses“, Familienhäuser aus fast 100-prozentig recycelten Baumaterialien her.
DER LEBENSZYKLUS VON GEBÄUDEN
Stefan F. Höglmaier: „Baustoffe sind nur ein Thema von vielen. Wir sehen das weiter gefasst. Nicht nur die Recyclingfähigkeit von Häusern, sondern auch und vor allem Umnutzung und Re-Use spielen eine große Rolle. Es geht um die Lebensdauer eines Gebäudes und um die Analyse der Qualitäten von Bestandsbauten. Wir wollen die graue Energie, also die Energie, die für Herstellung, Transport und Bau sowie eventuell Abriss in ein Gebäude geflossen ist, besser und sinnvoller nutzen.
Es sind aber auch soziale Aspekte, die uns interessieren. Da ist die Ästhetik von Architektur und ihre Wirkung auf die Bewohner und die unmittelbare Nachbarschaft. Und da ist die Kommunikation, die Architektur schaffen kann in Form von Grün, von Begegnungsflächen bis hin zu flexiblen Nutzungsmöglichkeiten, wie Work-Life- und Sharing-Konzepten. Alles Faktoren, die auch stark in das Thema Nachhaltigkeit einzahlen.“
QUALITÄT IST ENTSCHEIDEND
Höglmaier kann viel anfangen mit Kultur und Nachhaltigkeit. Mit dem Wort Luxus indes tut er sich schwer. Vor allem wenn dieser als Etikett herhalten muss für alles, was am Markt einfach nur teuer ist. Wenn er den Begriff gelten lässt, dann eher im Sinne der Qualität, die durch gute Architektur geschaffen wird. Und dieser Luxus kann sich in einer bezahlbaren 50-Quadratmeter-Wohnung ebenso zeigen, wie in einem zeitgenössischen Stadtpalais oder in einem revitalisierten Bauernhof.
Was ist eigentlich nachhaltige Architektur?
Nachhaltiges Bauen
basiert auf den drei Säulen Ökologie, Ökonomie und soziokulturellen Faktoren, die als gleichwertig zu betrachten sind. Dabei gründet die nachhaltige Architektur und Planung darauf, das Design eines Gebäudes unter ästhetischen Gesichtspunkten in Harmonie zu den natürlichen Gegebenheiten und Ressourcen seiner Umgebung zu bringen.
Grüne Gebäude
sind unter dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit entwickelte Gebäude – über den kompletten Zyklus von der Entstehung bis zur Demontage -, die sich durch eine hohe Ressourceneffizienz in den Bereichen Energie, Wasser und Material auszeichnen, während gleichzeitig schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit reduziert werden.
Das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen
ist ein transparentes und nachvollziehbares Bewertungs-und Zertifizierungssystem. Es definiert praxisbezogen und umfassend die Qualität von Gebäuden und ermöglicht Auditoren, die Bewertung systematisch und eigenständig durchzuführen. www.dgnb.de
DAS BAUPROJEKT DERZBACHHOF
Seit Jahrzehnten verfällt Münchens ältester Bauernhof, der Derzbachhof in Forstenried. Um Bauernhaus, Stall, Stadel und Hof wieder als Wohnraum nutzbar zu machen und die alte Substanz zu erhalten, saniert Euroboden in Kooperation mit dem Denkmalamt das marode historische Ensemble aus dem Jahr 1751.
„Wir haben in dem alten Bauernhaus Gemeinschaftsräume angesiedelt. Nicht jede Familie hat für alle Eventualitäten den Platz, oder braucht ihr eigenes Gästezimmer mit Gästebad. Das war der Ausgangspunkt für uns, eine Quartiers-App zu entwickeln. Über diese sind solche Räume ebenso buchbar wie die historische Bauernstube für größere Familienfeiern oder Co-Working.
Der Derzbachhof soll wieder mit Leben erfüllt und der Gemeinschaftssinn gestärkt werden. Die Idee, für die 4 Mietwohnungen im Altbau Bewohner zu suchen, die etwas für das Gemeinwohl am Hof tun und dafür weniger Miete zahlen, stieß auf reges Interesse. Vom Angebot, die Hof-App zu verwalten, über leidenschaftliches Hobbygärtnern bis hin zur Kinderbetreuung für berufstätige Eltern. Nun will Höglmaier die Bewerbungen sorgsam prüfen, um die Grundlage für eine funktionierende Hofgemeinschaft zu schaffen“.
NACHHALTIGE ARCHITEKTUR DER MÖGLICHKEITEN
„Ich glaube, in der Architektur steckt die Möglichkeit zu zeigen, wie Gemeinschaft funktionieren kann. Wir denken Gemeinschaft dabei natürlich immer individuell auf den jeweiligen Standort bezogen und sehr behutsam durchdacht, weil der Rückzug in die eigene Privatsphäre eben auch einen hohen Stellenwert in unseren Projekten hat. Uns interessiert inwiefern beides möglich ist.“
Höglmaier will Architekturen schaffen, die Menschen inspirieren. Zum Wohnen ebenso, wie zum Arbeiten. Er will flexible Lösungen anbieten und über Sharing zusätzliche Qualitäten schaffen. Diese Notwendigkeit sieht er auch im Office-Bereich. „Die Leute kommen nicht ins Büro weil sie 1,3 Quadratmeter große Schreibflächen suchen, sondern weil sie sich mit dem Ort identifizieren wollen, an dem sie einen großen Teil ihrer Lebenszeit verbringen.“
Fotos: Euroboden, Julian Baumann