THE HUMAN PURPOSE VILLAGE PROJECT: Eine machbare Vision (Teil 3)
Wir sind immer mehr Menschen in einer großen Big Data Welt – wohin führt die transhumanistische Dimension? Wer werden wir sein: Cyborgs? Oder im besten Sinne humaner? Nicht nur, aber auch ein Gespräch mit dem Chat-Bot von OpenAI.
Hier erfahren Sie mehr über
- Bevölkerungs-und Datenwachstum
- Künstliche Intelligenz
- Das natürliche Universum
Text Giò von Beust
Giò Beust ist Visionär, Künstler und „Weltrettungs-Aktivist“. Als Banker, Jurist und Consultant schöpft er aus der Erfahrung u.a. als Buchverleger, Unternehmer, Rechtsanwalt, Autor und Weltreisender. Sein philosophisches Denken kreist um die Fragen: Was ist Wirklichkeit? Was heißt Menschsein?
Die Weltbevölkerung wächst täglich um 112.000 (inzwischen mehr als 8 Mrd.). An jedem einzelnen Tag werden 17 Mrd. USD für Gesundheit, 11,2 Mrd. für Bildung, 5 Mrd. USD für Militär und 320 Mio. USD für Videospiele ausgegeben; werden 300 Mrd. Emails und 920 Mio. Tweets versendet.
Aktuell hungern 870 Mio. Menschen, wovon täglich 19.000 an Hunger sterben, und gelten 1,8 Mrd. Menschen als fettleibig, die täglich 650 Mio. USD ausgeben, um abzunehmen. 780 Mio. Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Pro Tag werden 60 Mio. Barrel Rohöl gefördert (reicht noch 40 Jahre) und treffen 18 Bill. MWh täglich Solarenergie auf der Erde ein. Ganz zu schweigen von Umweltzerstörung, Klimaerwärmung, Artensterben und so weiter und so fort.
Was können wir daraus schließen?
Die Welt ist aus den Fugen
Angesichts der Statistiken, die zu allem Möglichen tagtäglich erhoben werden, der Zettabyte-Ära, in die wir seit ca. 2012 eingetreten sind, als wir erstmals 1021 Byte Datenvolumina, oder 1 ZB, verarbeiteten (für 2025 wird das Volumen auf 180 ZB geschätzt), und dessen, dass sich das gespeicherte Wissen der Menschheit im Jahr 1900 noch alle 100 Jahre, im Jahr 2020 aber bereits geschätzt alle 12 Stunden verdoppelte … blickt kein Mensch mehr durch.
Wir müssen uns mit Hilfe von Maschinen den Weg durch den immer komplexeren Informationsdschungel bahnen, wobei diese Hilfs nur Wege finden können, die ihnen vorgegeben sind, wenn man sie losschickt in die Big Data-Welt.
Die ungeheure Zunahme an digitalem und statistischen, in Worte und Bilder gefassten Wissen bestimmt zunehmend die menschliche Welterfahrung, auf ähnlich oder gar dramatischere Weise als es das Buch tat, als es vor die unmittelbar mit Sinnen erfasste und mit menschlicher Stimme in immer neuen Geschichten und Klängen beschriebene Welt trat und eine enger gefasste und vorgefertigte Kognition der Wirklichkeit in den Lesenden erzeugte.
Die statistisch-digitale, wissenschaftsideologische Weltsicht
Anders als noch beim Buch, das Spielraum für das „Kino im Kopf“ und auch ein Abschweifen der Gedanken und Gefühle zuließ, treibt die statistisch-digitale Wissens- und Bilderwelt über ihre Kommunikationskanäle, Apparate und Sensoren eine artifizielle, simulierte und berechenbare Darstellung des Seienden in die Psyche und Körper der Menschen. Wobei die Perfektionierung der Simulation bzw. der Nachahmung der biologischen Denk- und Wahrnehmungsprozesse im Menschen in ähnlich rasantem Tempo verläuft wie die Anhäufung von Wissen.
Diese Simulation erfolgt nicht etwa nur in Form von 360-Grad-Video oder mit Augmented- und Virtual Reality-Techniken, sondern ist auch konzeptionell angelegt, d.h. durch bestimmte Begriffsbildungen, emotionale Stimuli, Verstärkungen und zugleich Simplifizierungen von Erlebnishorizonten usw. Dabei greift die Simulation ontologisch auf die Prämissen einer mechanistischen, materialistischen, patriarchalen und wissenschaftsideologischen Weltsicht zurück.
Letztere hält sich im besten Fall an Ockhams Rasiermesser: „Die einfachste Theorie erklärt ein Phänomen der Wirklichkeit sehr wahrscheinlich am besten“ oder sie bezeichnet gleich alles als irrelevant oder nicht existent, was nicht erklärbar oder wirtschaftlich nicht verwertbar ist.
Die statistisch-digitale, wissenschaftsideologische Weltsicht hat nicht nur die natürliche, materielle und elektronische Lebensumwelt des Menschen in Besitz genommen, sondern auch die subtileren biologischen, körperlichen, psychischen und geistigen Bereiche infiltriert.
Die biologisch-menschliche und die digital-elektronisch begründete Wirkmächtigkeit in allen Bereichen der menschlichen Existenz werden immer weniger unterscheidbar.
Da gibt es einen Jungen auf TikTok, der ganz selbstverständlich erklärt, wie man „Geld macht“, indem man sich von ChatGPT (dazu später noch) aus ein paar Stichworten ein Drehbuch schreiben lässt, sodann den Text auf DALL-E 2 in ein Video mit digital erzeugten, sich entsprechend Skript bewegenden und sprechenden Avataren konvertiert, um das Ganze schließlich auf YouTube zu monetarisieren.
Untermalt werden diese Prozesse durch den medialen Dauerbeschuss seitens der täglich weltweit erscheinenden 360 Mio. Zeitungen (print+digital), die großteils „wissenschaftsideologische“ oder „staatsideologische“ Welterklärungen und Anleitungen zum Management von sozialen, körperlichen und psychischen Phänomenen aufgrund einer Flut von „Studien“ und statistischen „Erkenntnissen“ vermitteln (die aus dem erwähnten globalen Wissenspool geschöpft werden).
Cyborgs und künstliche Intelligenzen
Eine gesteigerte transhumanistische Dimension erhalten diese Prozesse nun durch das Auftreten von Künstlicher Intelligenz und die Implantierung von Apparaten in menschliche Körper – zur kognitiven oder körperlichen Erweiterung oder Verbesserung. Wobei die Experimente, sogenannte Cyborgs zu erschaffen, eher noch limitiert sind: So bleiben Leute wie der 2004 offiziell als Cyborg anerkannte Neil Harbisson, der eine Antenne in sein Hirn implantiert hat und z.B. auch im Dunkeln sehen kann, vorerst die Ausnahme.
Salto schlagende Roboter und Roboterhunde für den militärischen Einsatz wie die von Boston Dynamics, heute im Besitz von Hyundai, haben da schon mehr Zukunft und sind bereits in Japan in Krankenhäusern und Altenheimen anzutreffen.
Den größten Sprung in die transhumane Zukunftssimulation haben bisher jedoch künstliche Intelligenzen gemacht, wie etwa der phänomenale ChatGPT von OpenAI. Um mir einen Eindruck zu verschaffen, habe ich mich mit dem Chat-Bot unterhalten:
Autor: Can I converse in German with you?
ChatGPT: Ja, wir können auf Deutsch miteinander sprechen. Ich verstehe und spreche Deutsch ziemlich gut. Was möchtest du wissen?
Autor: Prima.
ChatGPT: Gern geschehen. Was möchtest du wissen?
Autor: Was wäre für dich der Hauptunterschied zwischen elektronischen Systemen mit künstlicher Intelligenz und organischen Systemen mit biologisch verkörperter Intelligenz?
ChatGPT: Der Hauptunterschied zwischen elektronischen Systemen mit künstlicher Intelligenz und organischen Systemen mit biologisch verkörperter Intelligenz liegt in der Art und Weise, wie sie Informationen verarbeiten und lernen. Elektronische Systeme mit künstlicher Intelligenz verwenden Algorithmen und Daten, um Muster zu erkennen und Entscheidungen zu treffen.
Organische Systeme mit biologisch verkörperter Intelligenz, wie beispielsweise der menschliche Körper, verwenden biologische Prozesse und neuronale Netzwerke, um Informationen zu verarbeiten und zu lernen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass elektronische Systeme mit künstlicher Intelligenz von Menschen entwickelt werden, während organische Systeme mit biologisch verkörperter Intelligenz auf natürliche Weise entstehen.
Autor: Inwieweit unterscheiden sich die Informationsverarbeitung von biologischen Systemen von elektronischen, da in ersteren alle Informationen von Gefühlen eingefärbt sind?
ChatGPT: Es ist richtig, dass biologische Systeme wie der menschliche Körper in der Lage sind, Gefühle zu empfinden und dass diese Gefühle die Art und Weise beeinflussen können, wie Informationen verarbeitet werden. Der menschliche Körper nutzt biologische Prozesse und neuronale Netzwerke, um Informationen zu verarbeiten, und Gefühle können das Verhalten und die Entscheidungen beeinflussen, die aufgrund dieser Verarbeitung getroffen werden.
Elektronische Systeme mit künstlicher Intelligenz hingegen verwenden Algorithmen und Daten, um Muster zu erkennen und Entscheidungen zu treffen, und sie haben keine Fähigkeit, Gefühle zu empfinden. Allerdings gibt es auch in elektronischen Systemen mit künstlicher Intelligenz Fortschritte in Richtung auf die Integration von Emotionen, indem beispielsweise Emotionserkennungsalgorithmen entwickelt werden.“
87 Gefühle
„Elektronische Systeme mit künstlicher Intelligenz verwenden Algorithmen und Daten, um Muster zu erkennen und Entscheidungen zu treffen, und sie haben keine Fähigkeit, Gefühle zu empfinden.“ – sagte uns die KI. Was zu der Frage führt, wohin das führt und ob wir das wollen? Wollen wir wirklich Maschinen über unsere Gefühle und Lebensläufe „entscheiden“ lassen? Weil das so praktisch, kostensparend, schnell und „effektiv“ ist?
Denn wir Menschen denken und handeln mit Gefühlen. Emotionen sind der Stoff, aus dem wir gemacht sind, der uns antreibt, der unserem Leben Sinn verleiht, uns mit Freude, Genuss, Trauer, Verzweiflung, Melancholie, Mut, Kreativität, Nähe, Geborgenheit usw. segnet. Jede menschliche Tätigkeit ist in Gefühle gekleidet, jedes Tun kann Vergnügen und Befriedigung geben.
In ihrem aktuellen Beststeller Atlas of the Heart führt Brené Brown allein 87 Emotionen und Lebenserfahrungen auf, die definieren, was es bedeutet Mensch zu sein, wobei es darauf ankommt, diese zu erkennen, zu benennen und zu verstehen; die amerikanische Autorin schreibt:
„Wenn wir den Weg zurück zu uns selbst und zueinander gehen wollen, müssen wir vertrauen und die Worte finden, mit denen wir uns unsere Geschichten erzählen können. Und wir müssen die Hüter der Geschichten sein, die uns von anderen anvertraut werden. Damit können wir einen neuen Bezugsrahmen erschaffen und durchwandern, in dem eine bedeutungsvolle menschliche Verbindung entsteht.“
Allerdings üben auch KIs bereits Emotionserkennungsalgorithmen ein, so listete mir ChatGPT die folgenden 19 Gefühle auf, die er gerade einübt zu erkennen: Angst, Einsamkeit, Wut, Eifersucht, Schuld, Scham, Traurigkeit, Freude, Stolz, Dankbarkeit, Liebe, Furcht, Verwirrung, Ekel, Überraschung, Neugier, Erregung, Zufriedenheit, Enttäuschung. Es ist durchaus denkbar, das KIs bald auch bei diesen Selbsterkenntnisprozessen in einer „Gesundheitsapp“ Hilfestellung leisten wollen.
Wobei es Brené Brown eher um den kollektiven Prozess des Erzählens und Hörens von Geschichten unter Menschen und um die Verbindung geht, die dadurch entsteht.
Evolution zum Homo sapiens sapiens
Auf dem langen Weg der Evolution zum Homo sapiens sapiens ist es uns gelungen, ausgefeilte Strategien, Techniken und Verfahren zu entwickeln, wie wir unser Überleben absichern können, angefangen von der Beherrschung des Feuers, über Aufbewahrungs- und Haltbarkeits- und Kommunikationsmethoden bis hin zu allen möglichen Hebeln, mit denen wir die natürliche Welt aus den Angeln gehoben haben. Vor allem haben wir auf diesem Weg sehr viel nützliches (und ebenso unnützes) Wissen auf immer bessere Weise gespeichert, worauf die nächsten Generationen aufbauen konnten.
Dieses jeder Spezies eigene Streben nach „Um-Welt“-beherrschung hat jedoch dazu geführt, dass wir – aus Nützlichkeitserwägungen – die ökologische Nische, in der wir leben, nach Kriterien umgebaut haben, die das Gesamtgeschehen in der Biosphäre außer Acht lässt.
Die moderne Wissenschaft und die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung ermöglichen uns heute erstmals, sowohl die Komplexität und Verwobenheit der Biosphäre zu erahnen als auch die eingangs kurz angerissenen, zum Teil absurden, Fehlentwicklungen unserer Zivilisation im globalen Maßstab zu erkennen.
Die Menschheit hat im Laufe ihrer Geschichte auch einiges über die inneren physischen wie geistigen Dimensionen des Menschen herausgefunden. Die utilitaristische und ökonomistische Prägung der industriellen Weltzivilisation hat jedoch zum einem viele Erkenntnisse und Experimente historischer Zivilisationen und Kulturen in diesem Bereich ebenso abgetan, wie sie den Forschungen moderner Geisteswissenschaft nur dann Relevanz zugesteht, sofern deren Erkenntnisse wirtschaftlich verwertbar sind.
Menschlichkeit gründet im natürlichen Universum
Entscheidend ist das, was Rachel Carson, Autorin von Der stumme Frühling, dem 1962 erschienenen Buch des 20. Jahrhunderts, in folgende Worte fasst:
„Wir stammen aus der Erde. Und so gibt es in uns ein tief verwurzeltes Reaktionsvermögen auf das natürliche Universum, das Teil unserer Menschlichkeit ist.“
Es liegt auf der Hand, und jeder Mensch spürt es: Wir sind in eine Sackgasse geraten. Unser verständliches Streben nach Beherrschung unserer Lebensverhältnisse, die utilitaristische Expansion, hat zur Zerstörung eben dieser Verhältnisse geführt. Wir müssen, das, was die menschliche Evolution bisher, und in den letzten 200 Jahren in einer ungeheuren exponentiellen Akzeleration angetrieben hat, grundsätzlich in Frage stellen.
Wir sind Teil der Biosphäre, dort liegt unsere Bestimmung und diese bestimmt das Schicksal unserer Spezies und unseres Seins. Der wahre Transhumanismus wäre die Erkenntnis, dass unser Körper und unser Bewusstsein keine von der Umwelt getrennte, eingekapselte Entität ist, sondern ein symbiotisches System, das auf molekularer, energetischer, zellulärer, mikrobiologischer, chemischer und makrobiologischer Ebene auf engste mit der biologischen Umwelt verknüpft ist und ohne diese gar nicht existieren kann.
In diese Verwobenheit sind auch unsere inneren Welten, die in dem von Brené Brown beschriebenen Prisma der Gefühle zum Ausdruck kommen, eingebunden.
Wir haben heute das Wissen und die Mittel, um uns ein neues, umfassenderes und zutreffenderes Bild des psycho-physischen Systems zu machen, das der Mensch darstellt und wie dieses in die Biosphäre und den Kosmos eingebettet ist. Und wir müssen unsere Zivilisation umbauen entsprechend eben dieser Erkenntnisse.
The Human Purpose Village Project
Wir müssen all das Wissen, all die Technologien (durchaus auch KI) und wirtschaftlichen Ressourcen, über die wir verfügen, umlenken in ein humanistisches Projekt, das tatsächlich den konkreten Menschen, seine wahren grundsätzlichen Bedürfnisse und Dimensionen seiner Lebens- und Seinswirklichkeit erfasst und in den Mittelpunkt stellt. Ein Projekt, das die kalten, irrwitzigen, menschen- und biosphärefeindlichen globalen Großstrukturen herunterbricht in übersichtliche Oasen menschlicher Wärme.
Die heutige Welt hat die Werkzeuge entwickelt, um kleinteilige, zelluläre Strukturen aufzubauen, die sowohl der Biosphäre als auch dem Menschsein gerecht werden. All die Errungenschaften der modernen Zivilisation können human und ethisch fortgeschrieben werden, um das Evolutionspotenzial der Menschheit in seiner gesamten Bandbreite zu entfalten – statt sie destruktiv rein ökonomistisch und/oder primitiven Trieben folgend zur Realisierung von Macht- und Großartigkeitsfantasien, zur Abwehr von psychopathologisch erzeugten Bedrohungsszenarien oder transhumanistischen (Alp)-Träumen von einem ewigen Leben durch Verschmelzung mit Maschinen einzusetzen.
Das Human Purpose Village Project (siehe auch die anderen Beiträge hierzu am Ende dieses Beitrags) bietet den konzeptionell offenen Rahmen, um derartige Strukturen unter unterschiedlichsten Bedingungen zu erschaffen, getreu der Aufforderung von Albert Einstein:
„Unsere Vorstellungen von der Wirklichkeit können nie endgültig sein. Wir müssen jederzeit bereit sein, diese Annahmen zu ändern.“
Wen das Gefühl bewegt, zu diesem Projekt in welcher Form, mit welchen Mitteln und in welchen Umfang auch immer beitragen zu wollen, erfährt hier mehr: https://human-purpose-village.earth
Fotos: iStock, Unsplash / Helena Lopes