Blaualgen am Rhein

Rettet den Rhein!

Rolf Gast lernt aus Krisen und will nachhaltig bewegen: In seiner Marina Düsseldorf begegnet er Blaualgen-Plagen mit Pflanzinseln und zeigt, wie auf kleinem Raum Obst und Gemüse anzubauen sind.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Bedrohliche Blaualgen und moderne Lösungen
  • Schwimmende Gärten und Supergreens
  • Vertical-Farming und Indoor-Gardening

 

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Rolf Gast

Rolf Gast ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann, beschäftigte sich mit Marketing-Strategien für die Weinbranche, war Inhaber einer Gewürzmanufaktur und produzierte Hörbücher. Seit 2010 verwaltet er die Marina Düsseldorf und entwickelt eigene Geschäftsideen.

Sie kommen in den meisten Flüssen, Seen und Teichen vor: Cyanobakterien, die wegen ihrer Farbe auch Blaualgen genannt werden. In geringen Mengen sind sie ungefährlich. Doch wenn sich das Wasser stark erwärmt, wenig bewegt und viele Nährstoffe aus landwirtschaftlicher Düngung enthält, kann es zu einer explosionsartigen Algenblüte kommen.

Dabei bilden Cyanobakterien erst zähe Schlieren, dann großflächige Teppiche. Diese können giftige Substanzen freisetzen und zu einer ernsthaften Bedrohung werden: Menschen, die mit ihnen in Kontakt kommen, leiden unter Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautreizungen Fieber, viele Fische verenden qualvoll.

HAUTNAH IM HAFEN DABEI

Rolf Gast war bei solchen Veränderungen „hautnah dabei“: Er wohnt im Hauptgebäude der Marina Düsseldorf, die er als Nachfolger seiner Eltern Marita und Paul Joseph Gast managt: Sie bietet, umgeben von modernen Gebäudekomplexen renommierter Architekten wie Frank O. Gehry oder David Chipperfield, Platz für rund 130 Boote privater Besitzer; drei eigene vermietet Rolf Gast für Events.

„2020/21 hatten wir eine ausgeprägte Niedrigwasserphase auf dem Rhein, sodass wochenlang kein Schiffsverkehr mehr möglich war“, erinnert sich der heute 64-Jährige. „Damals bekamen wir das Blaualgen-Problem bei uns im Yachthafen deutlich zu spüren. Grund waren – und sind – nicht nur die Klimaveränderungen mit steigenden Sommertemperaturen, sondern auch die vielen Schadstoffe im Rhein.“

Hauptverursacher sei die Landwirtschaft, die das Wasser mit überschüssigen Düngemitteln wie Stickstoff und Nitrat belaste. Aber auch die Industrie leite in den Rhein als Hauptabfluss in Richtung Nordsee über 60 toxische Umweltchemikalien ein.

Pflanzmodule am Rhein

FLOATING WETLANDS ALS LÖSUNG

Weil es bei Rolf Gast damals aufgrund der Corona-Restriktionen geschäftlich deutlich ruhiger zuging als zuvor, recherchierte er ausführlich im Internet, um nach naturbasierten Lösungen für das bedrohliche Cyanobakterien-Problem zu suchen. Fündig wurde er in den USA unter dem Stichwort „Floating Wetlands“: bepflanzte Plattformen, die im Wasser schwimmen und dort wie ein biologischer Filter als kleine Kläranlagen wirken.

Außerdem kam er in Kontakt mit der in Rotterdam ansässigen „Clear Rivers“-Foundation, die in zahlreichen Ländern Plastikmüll aus Gewässern fischt, ihn recycelt und zu neuen Produkten verarbeitet. Auf dieser Grundlage entwickelte Rolf Gast die Aktion und Mission „Rescue the Rhine“. Ihre Ziele sind „praktikable Maßnahmen und Produktlösungen, um die biologische Vielfalt zu sichern und den Medienhafen sowie andere Häfen klimaresilient zu machen und den Gewässerschutz zu fördern.“

35 SCHWIMMENDE MODULGÄRTEN

Als erstes Praxisbeispiel gibt es jetzt in der Marina Düsseldorf 35 schwimmende Modulgärten – zehn mit einer Wirkfläche von zehn Quadratmetern, 25 mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern – aus leichtem, porösem Gestein namens Glasschaumschotter, das ein Abfallprodukt bei der Glas-Herstellung sind. Auf ihnen wachsen wasserklärende Pflanzen wie Sumpfdotterblumen, Blutweiderich oder Schilf, die mit bis zu 1,50 Meter langen Wurzeln Nährstoffe aus dem Wasser aufnehmen, diese reduzieren und so Blaualgen die Vermehrung erschweren. Außerdem bieten die Pflanzinseln Schatten für Fische, geschützten Lebensraum für Wasservögel oder Insekten und sorgen optisch für mehr Grün im Medienhafen.

Zusätzlich belüftet Rolf Gast das Wasser, um es in Bewegung zu halten und mit zusätzlichem Sauerstoff die Fische zu versorgen.

Im Herbst wird ein zehn mal fünf Meter großes, elektrisch betriebenes „Multifloat als fahrender Ponton“ zu Wasser gelassen. Mit seiner Hilfe können Pflanzinseln ausgebracht und größere Teile des Hafens über Photovoltaik mit Sauerstoff versorgt werden. Ein kleiner Ladekran ermöglicht es, „Unterwasser Cleanups“ mit Schulklassen und Firmen durchzuführen. Denn im Medienhafen tauchen laut Rolf Gast bei extremem Niedrigwasser viele versenkte Fahrrädern und E-Scooter auf.

  • Blaualge unter dem Mikroskop
  • Blaualgeb

RESCUE THE RHINE – NEUE LÖSUNGEN FÜR MEHR WASSERSCHUTZ

Als Sponsor für die Pflanzinseln in seiner Marina konnte Rolf Gast das japanische Technologieunternehmen Asahi Kasei Europe gewinnen, das seinen Standort im Düsseldorfer Industriehafen hat. Die Zusammenarbeit soll drei Jahre dauern, weitere Kooperationspartner sind willkommen.

Schließlich soll dieses Beispiel idealerweise Schule machen: „Rescue the Rhine“ bietet Patenschaften für weitere Exemplare an, die die Firma „Pflanzinseln Niederrhein“ in verschiedenen Größen und Formen liefert. Unternehmen bekommen die Möglichkeit, sie im Rahmen von Teamevents mit „Supergreens“ zu bepflanzen. „Diese könne verschiedenste Gift- und Nährstoffe aus dem Wasser zu filtern und in ihr Wurzel- und Blattwerk einzulagern“, sagt Rolf Gast.

EFFEKTIVER ANBAU MIT HYDROPONIK

Doch damit nicht genug: Derzeit tüftelt er an einen Prototyp namens „The Off Grid Garden“: einer Art autarkem Gewächshaus, in dem mit Hydroponik-Technik Gemüse und Obst angebaut werden können. Bei ihr wachsen Pflanzen nicht in Erde. Vielmehr hängen ihre Wurzeln in einem Gemisch aus Wasser und darin gelösten Nährstoffen.

Da das Wasser zirkuliert und recycelt wird, ist der Wasserverbrauch um 90 Prozent geringer als bei konventioneller Bewässerungsweise.

Weitere Vorteile von Hydroponik sind, dass sie sehr platzsparend und ertragreich ist – ideal also für Urban-Vertical-Farming oder Indoor-Gardening.

Und da Rolf Gast Photovoltaik zur Erzeugung des notwendigen Stroms vorsieht und das notwendige Wasser aus Luftfeuchtigkeit gewinnen möchte, kommt durch Nutzung erneuerbarer Energien on top ein schonender Umgang mit Ressourcen dazu.

Pflanzgärten Marina Düsseldorf

POTENZIAL FÜR EINE HERZENSANGELEGENHEIT

Diese Neuentwicklung ist für Rolf Gast eine „echte Herzensangelegenheit“, für die er reichlich Potenzial sieht.
„Sie ist für die Selbstversorgung von Yachthäfen mit Gastronomie geeignet, Fluss-Kreuzfahrtschiffe könnten diese Gewächshaus-Seecontainer mit an Bord nehmen, Restaurants und Büros könnten sie benutzen, um an 365 Tagen im Jahr frisches Gemüse anzubauen und zu ernten“, so seine Vision, die er im Januar 2025 auf der „boot Düsseldorf“ vorstellen möchte.

Insgesamt geht es ihm nicht um eine lukrative Geschäftsidee, denn „ich habe mein Auskommen und alles, was ich brauche“, meint der ideenreiche Unternehmer. Vielmehr treibt ihn der Wunsch an, mit nachhaltigem, sinnvollem Handeln „am Ende des Tages etwas in Sachen Umwelt- und Klimaschutz zu bewegen“ – und das als „Learning aus einer Krise“.

Mit der nächsten ist er schon konfrontiert. Auf trockene Jahre folgen gerade feuchte mit regelmäßigem Starkregen und Überflutungen. „Statt Blaualgen haben wir jetzt mit Entengrütze und enormer Wasserverschmutzung durch Sedimente aus den Überschwemmungsregionen zu kämpfen“, klagt Rolf Gast. „Außerdem drückt der Rhein viel Plastik und Holz in den Hafen. Wir müssen sorgsam und ganzheitlich überlegen, was wir damit machen.“

Aber auch dafür fällt ihm sicher bald eine passende Lösung ein.

Fotos: Marina Düsseldorf, Oliver Gregor, iStock, Shutterstock

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