DER TOSKANA HEILIGES GLÜCK
Die Gegend zwischen Florenz und Siena gehört zu den großen Sehnsuchtszielen der Europäer. Aber auch Amerikaner und Chinesen sind auf dem Vormarsch. Die Auswirkungen sind gut an der Entwicklung des „Borgo San Felice“ abzulesen.
Hier erfahren Sie mehr über
- Einen wunderschönen Weiler
- Die Toskana und Essen auf höchstem Niveau
- Die Magie des Lichts
Text Hans Christian Meiser
Dr. Hans Christian Meiser ist Philosoph und Publizist, zudem Herausgeber und Chefredakteur von PURPOSE, dem Magazin für Sinnhaftigkeit. Dieses Thema zieht sich durch sein gesamtes Werk.
Noch vor vier oder fünf Jahren, als ich zum letzten Mal hier im „Borgo San Felice“ war, konnte ich die italienischen Luxusschlitten auf dem Parkplatz kaum zählen. Ferrari reihte sich an Lamborghini, Lamborghini an Ferrari. Der mittelalterliche Weiler aus dem Jahr 714 war ein Treffpunkt und Rückzugsort reicher Italiener und sonstiger Zeitgenossen, die von allem etwas zu viel haben. Berühmte Sportler, Filmstars und -sternchen gaben sich hier ein munteres Stelldichein.
Das war vor Corona. Heute sieht man auf dem Parkplatz viele SUVs, aber eher solche der Mittelklasse, dazu gesellen sich einigen Wagen der Kompaktklasse. Die Zeiten des uneingeschränkten Luxus sind sichtlich vorüber. Und die Gäste sind ebenfalls völlig andere, eher der Upper Middleclass zuzuordnen, obwohl die ohnehin schon sehr üppigen Preise gleichgeblieben sind.
IN VINO VERITAS
Dennoch hat das Borgo San Felice nichts von seiner Magie eingebüßt, im Gegenteil. Die gesamte Anlage mit ihren 28 Zimmern und 31 Suiten wurde vor einigen Jahren liebevoll renoviert, so dass man nun auf Schritt und Tritt im milden Licht der Toskana baden kann.
Zwischen dem Chianti und der Crete gelegen, weist dieser so herrschaftliche und gleichzeitig bäuerliche Ort eine wechselvolle Geschichte auf, die in der Moderne mit dem Erwerb des Gutes durch die Allianz Versicherungsgesellschaft im Jahr 1978 ihren vorläufigen Höhepunkt fand. „Jetzt weiß ich endlich, wohin das Geld, das ich für meine Versicherungen zahle, fließt“, scherzen manche Gäste.
Sie haben damit gar nicht Unrecht, denn die Allianz steckt viele Ressourcen in den Erhalt und Ausbau des Gutes und natürlich in die Weinproduktion. Früher konnte man eine Flasche „San Felice rosso“ für 7 DM bei Tengelmann erwerben, heute kostet die Neuschöpfung „Il Grigio“ vor Ort schon ab € 70.-.
Auf 685 Hektar gedeihen hier Wein, Oliven, Bäume, Sträucher, Wald. Da leider auch die heimischen Wildschweine die Schönheit und den Ertrag der Weinreben und des „Vitrariums“ (ein Weinberg für Experimente) entdeckt haben, wurden die wichtigsten Lagen mit Elektrozäunen gesichert.
Überhaupt ist die Tierwelt hier gut vertreten. Neben allem, was im Wald lebt (Wildschwein, Dachs, Stachelschwein, Perlhuhn, Fasan etc.), gibt es auf dem Gelände auch zwei Esel und einige Ziegen. Beides zu finden beim „Orto e L‘ Aia Felice“, dort, wo Menschen mit Beeinträchtigung aus der Region Freude daran finden, sich gärtnerisch zu betätigen – ein Win-Win-Win-Projekt.
Für das „Farm-to-Table“-Konzept steht genügend landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung, so dass alle Gäste in den Genuss frischen Gemüses, Früchte und Kräuter kommen.
An Wein produziert das Gut ca. 1,2 Millionen Flaschen p.a., die zum Großteil nach Amerika verkauft werden, was auch erklärt, weshalb immer mehr Amerikaner Borgo San Felice besuchen möchten.
PRIVATISSIMO
Bedenkt man, dass alles, was es im Borgo an Räumlichkeiten gibt, einst einer ganz anderen Bestimmung diente (etwa war das heutige Spa damals die Ölmühle), so erstaunt man unwillkürlich und voller Respekt darüber, was hier in all den Jahren und Jahrzehnten geschaffen und erhalten wurde: Es existieren zwei Restaurants (eines davon, das „Poggio Rosso“, wird von dem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Kolumbianer Juan Camilo Quintero geführt), eine Boutique, die von der charmanten Nürnbergerin Sigrid geleitet wird (unbedingt die Parfüms von Maria Candida Gentile kennenlernen!), zwei Tennisplätze, ein Pool, eine Bibliothek, eine Bar etc. – alles, worüber ein Fünf-Sternehaus verfügen muss.
Hinzukommen noch zwei Villen (Casanova und Colonna für 12 bzw. 4 Personen), die ca. 500 Meter vom Borgo entfernt in den Weinbergen liegen und höchste Privatheit garantieren, samt Koch, wenn man möchte.
Geheiratet wird hier natürlich auch – ein Angebot, das gerne vollzogen wird, denn welcher Ort kann romanischer sein als dieser? Mit dem Helikopter können die Gäste einfliegen, aber ob sie auch wieder wegfliegen möchten?
SIENA UND NIKI DE SAINT PHALLE
Es sei denn, man fährt nach Siena und lässt sich von dieser unglaublich schönen Stadt, die bei weitem nicht so überlaufen ist wie Florenz (es sei denn man besucht das historische Pferderennen, den „Palio“), beeindrucken oder bringt sein Geld zur ältesten Bank der Welt, zur Banca Monte dei Paschi di Siena.
Ein Muss ist auf jeden Fall der Besuch des Doms und seiner faszinierenden Mosaiken, welche die französische Künstlerin Niki de Saint Phalle zur Schöpfung ihres Tarotgartens, etwa 100 Kilometer entfernt in Capalbio, inspirierten.
ARNOLFO UND DIE ZWEI STERNE
Oder man sucht das neueste kulinarische Highlight, das 2-Sterne-Michelin-Ristorante „Arnolfo“ auf, das im nahen Colle di Val d’Elsa gelegen von den Gebrüdern Gaetano und Giovanni Trovato geleitet wird. Allein der Blick aus dem Innenraum des wie ein hypermodernes Museum gestalteten Esstempels auf die mittelalterliche Stadt verzaubert und enthebt einen der irdischen Sorgen sogleich.
Die grandiosen Menüs tragen natürlich auch dazu bei, den mindestens zweistündigen Aufenthalt hier zu einem einmaligen Erlebnis zu machen. Und wer alles zusammennimmt, wird sich noch Jahre später begeistert an jenen Tag erinnern, an dem er das „Arnolfo“ zum ersten Mal betreten hat.
Dieses kulinarische Refugium verfügt übrigens auch über vier Zimmer, so dass der Gast, der am nächsten Tag in den Genuss dieser Kochkunst kommen möchte, sich nicht fortbewegen muss. Das nennt man Service!
DIE HÜGEL DES LICHTS
Das Besondere an der Toskana, über deren Magie der Architekt Hermann Teusch in seinem Buch „Die Hügel des Lichts“ schrieb, ist, dass in dieser Landschaft alles eine tiefere Bedeutung zu haben scheint, selbst alltägliche Dinge wie Brot, Wein und Öl. Hier ereignet sich das tägliche Wunder, dass der Mensch zum Menschen reift, weil es ihm gelingt, das Göttliche über die Sinnlichkeit zu erfahren – und zu leben.
Im „Borgo San Felice“ ist dies besonders gelungen, selbst wenn gelegentlich amerikanische Golfergruppen in Shorts, deren eintägiger Aufenthalt hier offenbar Teil ihres organisierten Reiseplans ist, in ihrer weniger zurückhaltenden Art das Dasein feiern; oder falls Chinesen die gesamte Anlage buchen, um das Leben zu zelebrieren.
Die italienischen und britischen Snobs von früher würde das heute stören, aber im Zuge der allgemeinen Völkerverständigung helfen die Toskana und das Borgo dabei, nicht das Trennende zu suchen, sondern das, was eint. Und das geschieht vor allem durch die Kraft der Natur, die Sinnlichkeit des Essens und Trinkens, die Wärme der Tage und Nächte und das Licht des Himmels.
Nachhaltig wirkt man hier übrigens auch: Holz-Biomasse dient der Wärmeerzeugung, es herrscht die „Zero waste“ Philosophie, alles, was an Energie benötigt wird, stammt von Wind und Sonne, sowie das schon erwähnte „Farm-to-Table“ Konzept. Allein dadurch werden p.a. ca. 250.000 kg C02 eingespart.
VILLA DI SOTTO
Nur sechs Kilometer vom „Borgo San Felice“ entfernt liegt übrigens der kleine Ort „Villa a Sesta“, der über eine wunderschöne, fast theatergleiche Kulisse verfügt und gleichzeitig über fünf Restaurants, darunter zwei, die einen Michelin-Stern aufweisen („La Botega dell 30“ und „L’Asinello“).
Mein Favorit für den Mittag aber ist das „Villa di Sotto“ von Paula, Saura und deren Tochter Giulia. Der Blick über die toskanische Landschaft ist einmalig, man sieht über die „Landmarks“ Villa Bossi, Borgo San Felice u.a. bis zu den Türmen von Siena. Am Ende des Ortes gelegen wird hier feine Hausmannskost geboten, übernachten kann man in sehr schönen, einfachen Apartments und Zimmern, sogar zwei Swimmingpools gibt es.
Die Gäste können auch mit der Familie gemeinsam kochen und fast das Italienfeeling spüren, das man aus den Filmen der 1960er Jahre Italiens kennt. Unverfälscht, liebevoll menschlich genießt man hier die Weine des Chianti Classico und die der Sienesa und denkt darüber nach, weshalb einem die einfachen Dinge des Lebens oft viel eher zusagen als alles, was „overdone“ ist – auch wenn dies mit guter Absicht geschaffen wurde.
Zurück im Borgo San Felice erlebt man einen Sonnenuntergang der Extraklasse und versteht mit einem Mal, dass die „Hügel des Lichts“ nicht umsonst so heißen, und dass, wer sich auf das Erlebnis dieser Landschaft, ihrer Bewohner und dessen, was sie hervorbringen, einlässt, eines magischen Ereignisses teilhaftig wird, welches das Mysterium uralten Wissens wieder aufleben lässt.
Nicht umsonst entstand hier vor 500 Jahren die Renaissance mit all seinen Genies, die bis heute in unserem Bewusstsein gegenwärtig sind! Santi, also Heilige, waren sie oftmals nicht, aber ihre Werke machen uns bis heute felice …
GUTE ADRESSEN
Borgo San Felice Resort
I-53019 Castelnuova Beradenga (Siena)
T: +39 0577 3964
info@borgosanfelice.com
www.borgosanfelice.com
Ein Besuch des Spa lohnt sich sehr! Allerdings muss man vorher buchen, da ihn nur vier Personen gleichzeitig nutzen können.
Arnolfo Ristorante
Viale della Rimembranza 24
I-53034 Colle d Val d’Elsa (Siena)
T: +39 0577 920549
www.arnolfo.com
Villa di Sotto
Via Sant Caterina, 30 – Villa a Sesta
Castelnuove Beradengna (Siena)
T: +39 333 7351363 (Giulia)
info@villadisotto.it
www.villadisotto.it
Fotos: Hans Christian Meiser, Borgo San Felice