Profil eines Menschen, aus einer halben Zwiebel geschnitzt.

Die Kraft unseres inneren Teams

„Wie innen, so außen, wie außen so innen“, lautet die Essenz einer alten Weisheitslehre. Doch wer gibt schon gerne zu, dass der Konflikt im Außen einem inneren entspricht? Wie gut, dass es eine kraftvolle Methode gibt, die Weisheit unseres Körpers zu nutzen.

Text Irmela Neu

Schwarz-Weiß-Bild von Prof. Dr. Irmela Neu.

Prof. Dr. Irmela Neu lehrt „Interkulturelle Kommu­nikation in Spanien und Lateinamerika“ an der Hochschule München für angewandte Wissenschaften (HM), gibt Seminare zur „empathischen Kommu­nikation“ und ist Mitautorin des Buches „Kardiosophie“.

„Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren“ – diese inzwischen allseits bekannte Feststellung des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick macht uns deutlich, dass wir immer etwas von uns preis geben, ob wir es wollen oder nicht.

Unsere Mimik, Gestik, Körperhaltung sprechen Bände und teilen sich als „Eindruck“ sofort mit. Wir können nicht unbedingt erklären, woher der Eindruck kommt, doch er ist einfach da. In Zeiten der digitalen Zusammenkünfte mit einer Mattscheibe zwischen uns nehmen wir uns allerdings weniger spontan wahr; zudem sind Inszenierungen leichter möglich.

Wir kommunizieren nach Außen und Innen

Die Erfassung eines Menschen durch den „ersten Eindruck“ geschieht zumindest zunächst auf der unbewussten Ebene. Sie ist unweigerlich mit Gefühlen verbunden, die sich oft auch zu Urteilen verdichten. Jede Wahrnehmung, jeder Gedanke löst Gefühle aus. Sie machen sich an Äußerlichkeiten fest wie „xy ist zu dick, schlecht angezogen, hübsch, hat ein freundliches Aussehen“ etc.. Dies bestimmt dann nur allzu oft die weitere Einstellung zu diesem Menschen.

Gedanken und Gefühle bedingen sich gegenseitig: ein Gefühl teilt sich als Gedanke mit und wird damit bewusst, ein Gedanke löst Gefühle aus.

Was zuerst da war, ist ebenso wenig zu beantworten wie die berühmte Frage, ob zuerst das Huhn oder das Ei das Licht der Welt erblickte.

Wir können ein kleines Experiment machen: In einem Augenblick der Ruhe denken wir an schöne Erlebnisse. Die körperliche Reaktion lässt sicher nicht lange auf sich warten. Uns wird warm, ein Lächeln signalisiert Wohlbehagen, „unser Herz hüpft vor Freude“ etc..

Umgekehrt zeigt uns der Körper, dass Belastendes „an die Nieren geht, auf den Magen schlägt, einen dicken Hals macht, etc.“, wie schon die Sprache so treffend zum Ausdruck bringt. Über die Gefühle teilt uns der Körper unmittelbar mit, „was Sache ist“. Um dies zu erkennen, brauche ich meinen zur Analyse fähigen Verstand.

Natürlich kann ich die Kraft des „positiven Denkens“ dank Visualisierungen nutzen. Es reicht jedoch nicht, ausschließlich den Verstand dazu einzusetzen; vielmehr geht vom Herzen die stärkste Schubkraft aus.

  • Herzförmige Walnuss in der Schale.
  • Lunge und Herz, jeweils aus Wolle geformt und über einen Faden verbunden.

Das innere Team beruht auf unseren Gedanken und Emotionen

Was wir durch Gedanken, Gefühle und entsprechende körperliche Reaktionen aktivieren, sind unsere inneren „Teamplayer“. Wir alle haben bestimmte Figuren in uns, die für unser Handeln maßgeblich sind. Die „Emotionen“ bringen uns in Bewegung, wie schon der Begriff zum Ausdruck bringt. Wir können sie uns als Personen vorstellen, die in unserem Inneren agieren und unsere Handlungen im Außen bestimmen.

Wie erfahren wir, welche Personen in uns wirken? Zunächst einmal, indem wir uns selbst zuhören. Bei genauer Betrachtung führen wir den lieben langen Tag, bisweilen auch noch nachts Selbstgespräche. Hören wir ihnen zu! Es zeigen sich dann die Teamplayer in uns, die unser Handeln bestimmen. Sie sind sich nicht immer einig, bekämpfen sich bisweilen sogar. Nehmen wir uns ein Beispiel vor, das in unserer leistungsorientierten Gesellschaft häufig vorkommen dürfte: die Antreiberperson.

Die innere „Antreiberperson“ ist häufig Teamplayer

Wer eine starke innere Antreiberperson hat, wird zur Selbstoptimierung neigen und sich leicht unter Druck setzen: „Du musst noch….das fehlt noch….schon wieder nicht“ und dergleichen, was verrät, wie sehr ein selbstgeschaffenes Korsett aus Verpflichtungen einengend wirkt. Wahrscheinlich ist der äußere Druck aus der Arbeits- und der privaten Welt zusätzlich gegeben und wirkt verstärkend; Beides – der innere und der äußere Druck –  bedingen einander.

In dem Maße, in dem sich der Druck erhöht, brauchen wir als Ausgleich den Gegenpol der Ruhe. Der zeigt sich gerne als „Couchpotatoe“, einer Person, die sich unwiderstehlich vom Sofa angezogen fühlt und nicht mehr gerne den Ort der Nestwärme im Selbstversorgerstatus mit Chips, Getränken und elektronischer Einhüllung durch Filme etc. verlässt. Schlechtes Gewissen, ungute Gefühle des Versagens und Müdigkeit sind die Folge.

Wie mit einer solchen Antreiberperson umgehen? Sie hat in jedem Fall eine Würdigung verdient, denn sie möchte dem gerecht werden, was ihr als Norm erscheint. Schädlich ist die Übertreibung, die in einen Strudel der Selbstüberforderung hineintreibt.

Am besten, wir reden mit der imaginierten Person, die wir uns ganz konkret vorstellen, ja malen können. Es wird sich bei dem Dialog herausstellen, dass es eine Person ist, die wir schon lange in uns, vielleicht einfach aus dem Familiensystem übernommen haben. Wir reproduzieren gerne das, was die Großeltern oder Eltern vorgelebt haben, auch wenn unser Kontakt mit ihnen nicht sehr eng war.

In der Kindererziehung geschieht ebenfalls eine Wiederholung des Erfahrenen; allerdings versuchen viele Eltern, sich davon zu befreien, indem sie das Gegenteil wollen. Haben sie selbst Strenge erlebt, wollen sie ihren Kinder möglichst viele Freiheiten lassen. Davon unberührt ist das Ausüben von Leistungsdruck, der in unserer Zeit immer stärker zu werden scheint.

Empathische Kommunikation mit unseren inneren Teamplayerpersonen

Für das Gespräch mit der Antreiberperson sollten wir uns Zeit lassen. Wichtig ist, dass wir die Gesprächsführung empathisch gestalten, also folgende Prinzipien beachten:

  • gut zuhören, was diese sagt;
  • nachfragen, um herauszufinden, ob eine familiensystemische Wiederholung gegeben ist;
  • beobachten und analysieren;
  • freundlich und zugewandt sein;
  • Verurteilungen spüren, doch diesen nicht nachgeben.

Die Rollenverteilung ist also einerseits die Antreiberperson, andererseits das beobachtende Ich. Der erste Schritt in dieser Dialogübung ist die Trennung von Beobachten aufgrund der Aussagen und der damit verbundenen Emotionen. Wenn mir das gelingt, bin ich schon einen ganzen Schritt weiter.

Ich kann dann wertschätzend schauen, aus welcher Motivation die Antreiberperson wie handelt, so etwa „geliebt werden, Lob bekommen, kollegial sein, aus seinem Leben etwas machen, Autorität ausüben etc.“.

Den Abschluss bildet ein Kompromiss mit einer Vereinbarung, wann die Antreiberperson Ruhe gibt und somit der Freiraum zur Erholung gegeben ist. Spielen Sie mehrere Möglichkeiten durch – Sie werden sehen, dass Ihre Antreiberperson Ihr bester Freund wird.

Die Anregung zur „Inneren Teambildung“ stammt aus den Kommunikationswissenschaften (Friedemann Schulz von Thun), die der empathischen Kommunikation aus der „Gewaltfreien Kommunikation“ (Marshall B. Rosenberg). Es gibt noch einen weiteren Impuls, der nachfolgend dargestellt sei.

Die drei Kraftzentren in uns

Aus der taoistischen Lehre – Grundlage der asiatischen Kampfkünste wie z.B. Kung Fu, TaekwonDo, Karate, etc. – stammt die Unterteilung in drei Kraftzentren:

Das Vitalzentrum im Bauchraum (unteres Dantien), das Herzzentrum (mittleres Dantien) und die Zone oberhalb der beiden Augen mit Gehirn und Drüsensystem (oberes Dantien).

Das Vitalzentrum verbindet uns mit dem Leben, mit der Erde und stellt die Energien bereit, die wir zum (über)leben brauchen.

In letzter Zeit hat die Forschung zur „Darmintelligenz“ Einiges beigetragen, die sehr viel intuitiver und schneller Impulse gibt als unser Gehirn. In diesem Bereich sind auch unsere Instinkte angesiedelt, die uns bisweilen zu „Schnellschüssen“ verleiten, z.B. die Wut als Feuerenergie.

Auch Geiz und Gier sind dort beheimatet. Wenn wir diese Energien übermäßig füttern und zur Sucht ausbauen, was in unserer Wohlstandsgesellschaft durchaus positiv konnotiert wird, leben wir nur noch ohne Kontakt zu Herz und Hirn aus dem Vitalzentrum heraus.

Das Gesamtpaket „Sex and drugs“ ist dann die Folge – denken wir an den Film „The Wolf of Wallstreet“ von 2013 mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle; er spielt den ehrgeizigen Jungunternehmer Jordan Belfort, für den nur die eigene Provision zählt. Schnell ist er in der Welt der Drogen, Prostitution und ungebremsten Gier zu Hause.

Bereits 1987 hat Michael Douglas in seiner Rolle als Finanzhai und Börsenspekulant Gordon Gekko im knallharten Börsen-Thriller „Wall Street“ als Erfolgsstrategie verkündet: „Gier ist gut“. Gier ist richtig. Gier ist gesund.“ Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass dies keinesfalls stimmt. Herzinfarkt, Burn Out und Co lassen grüßen. Hartnäckig gehalten hat sich indes der Werbespruch „Geiz ist geil“ von Saturn; er ist allerdings inzwischen auch verschwunden.

Das einseitige Befeuern von Gier und Geiz stellt ein Extrem dar, auch wenn weniger drastische Formen nach wie vor vorhanden sind, etwa auch im Kaufrausch. Doch vergessen wir nicht: Positiv stammt das „Bauchgefühl“, die Intuition aus einem intakten, ausgeglichenen Vitalzentrum.

Das Herzzentrum wiederum liebt die Weite, das Sanfte, Künstlerische, die Ruhe, liebevolle Zuwendung und Verbundenheit.

Wer aus dem Herzen lebt, ist mit diesen Werten verbunden. Das Herz zeigt auch an, wann es z.B. unsere Antreiberperson übertreibt und Ruhe angesagt ist. „Hand aufs Herz“ und Sie bekommen Antworten; sie sind leise, sanft und erfolgen erst nach Zuwendung.

Das obere Dantien ist zuständig für unsere Analysefähigkeit, für genaues Beobachten, Abwägen, Anschauen, Planen, Schlussfolgerungen. Wenn sich dieses Zentrum verselbständigt, bricht der Kontakt zum Vitalzentrum und zum Herzen ab. Monströse, bis hin zu menschenverachtenden Planungen sind die Folgen dieser Isolation von „Nur Kopf“ – oft genug im Namen von Ideologien aller Art.

Die drei Kraftzentren in uns als Grundlage für ein friedliches Miteinander unseres inneren Teams

Das lebendige Zusammenspiel der drei Kraftzentren „Dantien“ in der Verbindung von Bauch, Herz, Hirn und Hand führt zu einer Harmonisierung unserer Energien. Sie ergänzen einander in idealer Weise. Wir können uns die Energien als „Teamplayer“ vorstellen, also als Personen. Die Antreiberperson handelt in der Kombination von Bauch und Hirn unter Umgehung vom Herz, das Ruhe und Pausen anmahnen würde. Die „Couchpotatoe“ Person gibt dem Ruhebedürfnis in dieser Form nach, obwohl eine andere (wandern, singen etc.) wohltuender wäre.

Wie können wir die drei Kraftzentren harmonisieren?

Es gibt einige passende Übungen, die eine Verbindung herstellen. Wir können uns die Verbindung als eine Acht vorstellen, deren Schnittpunkt im Herzen liegt. Da die Acht in sich geschlossen ist, ergibt die Visualisierung von Wasser, das den Fluss der Acht ausmacht, eine immer wieder vitalisierende energetische Nahrungsschleife. Entsprechende  Körperübungen stärken den Flow oder stellen ihn erst her. Sie wirken entscheidend auf unseren Geist, unsere Emotionen und Befindlichkeit.

Vor allem bewirken sie eins: unsere inneren Teamplayer, Ausdruck unserer Energien und Emotionen, schwingen sich aufeinander ein. Natürlich sollten wir immer wieder mit ihnen reden und ihre Botschaften ernst nehmen. Wir werden bald merken, aus welchem Dantien sie sich zu Wort melden und wie es um den Flow in uns bestellt ist.

„Das Denken muss über das Herze gehen“ bedeutet „im Flow sein“

„Das Denken muss über das Herze gehen“, wusste schon Friedrich Schiller, und meinte damit die Bändigung aller Instinkte, der „Basic Instincts“, die bis zur Gewaltanwendung reichen können, wenn wir sie gewähren lassen und die Umstände entsprechend sind.

Unser inneres Team ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie wir im Außen handeln. Unsere Kreativität im Hinblick auf Lösungen, die Konflikte entschärfen oder gar nicht erst entstehen lassen, trägt zu einem friedlichen Miteinander bei.

„Im Flow sein“, wie es Neudeutsch heißt, fordert uns auf, in uns das rechte Maß zu finden, so dass aus unseren inneren Teamplayern ein wirklich kraftvolles Team wird, das sich die Bälle gekonnt zuspielt.

Fotos: iStock

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