Einfacher bauen mit Holz

Forschung: „EINFACH BAUEN“!

Bauen wird immer komplizierter, teurer, riskanter, langweiliger!? Eine Gruppe Unerschrockener an der TU München (TUM) wehrt sich dagegen, z.B. Prof. Florian Nagler. Ein Portrait.

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  • Holzbauten
  • Das Tölzer Land
  • Bauen mit weniger Bestimmungen

Text Gerd Giesler

Prof. Dr. Florian Nagler

Prof. Dr. Florian Nagler, ist gelernter Zimmerer und studierter Architekt. 1999 eröffnete er mit seiner Frau Barbara Florian Nagler Architekten, seit 2010 ist er Professor an der TU München.

Von der Scheune zum Forschungsbau

Florian Nagler steht am liebsten mit beiden Beinen auf dem Boden, egal wo: In Obermenzing, wo er zusammen mit seiner Frau Barbara seit Jahren ein Architektenbüro betreibt. An der TU in München, wo er einen Lehrstuhl fürs Entwerfen und Konstruieren innehat. So wie in seiner alten Heimat, dem Tölzer Land, wo er sich schon in jungen Jahren als Tölzer Sängerknabe hervortat.

VON DER SCHEUNE ZUM FORSCHUNGSBAU

Gebäude, die man ob ihrer Komplexität nicht mehr versteht und zu denen man Gebrauchsanleitungen braucht, sind ihm ein Gräuel. Sein erstes Bauwerk war eine Scheune für einen Bauern, um sich neben dem Architekturstudium etwas Geld zu verdienen. Heute kokettiert der gelernte Zimmermann damit gerne bei Vorträgen. Für die Scheune verwertete er das Holz abbruchreifer Kuhställe. Mittlerweile nennt man das Kreislaufwirtschaft. Damals entsprang es der bäuerlichen Sparsamkeit.

Irgendwann hatte Nagler die Nase voll von der Entwicklung der letzten Jahre und besann sich als Architekt auf seine Wurzeln: aufs Forschen an der Uni und eine Idee, wie das alles miteinander zu verbinden wäre. Warum nicht im Rahmen eines Forschungsprojekts die Probe aufs Exempel machen? In Bad Aibling hat Nagler an drei inzwischen vermieteten Forschungsbauten der TU auf fast schon disruptive Art und Weise erforscht, erprobt und analysiert wie einfach und simpel Bauen auch heute noch sein kann.
Dabei musste er nichts neu erfinden, sondern nur verwenden, was es bereits auf dem Markt gab.
Eines der dreigeschossigen Mietshäuser ließ er aus massivem Holz fertigen, ein weiteres aus Ziegeln und das dritte aus Dämmbeton. Dabei wurde auf Bewehrung durch Armierungsstahl bewusst verzichtet.

Foschungsbau in Bad Aibling

Wie schwierig war „Einfach Bauen“ für Prof. Florian Nagler?

„Es ist ja nicht so, dass man mit dem Forschungsauftrag der Universität einfach loslegen kann. Wir mussten zunächst einen Bauherrn finden, der das alles mitmacht. Und wir hatten Glück. Denn mit der Wohnungsbaugesellschaft B & O war nicht nur das passende Grundstück in Bad Aibling gefunden, sondern auch ein Traum-Bauherr, der uns wirklich freie Hand gelassen hat.“

Er zitiert die Haltung des Auftraggebers: „Dämmbeton? Kann das einstürzen? Nein, höchsten Risse geben. Dann lasst es uns ausprobieren.“
In Naglers sonorer Stimme mit bayerischem Unterton schwingt dieses Quantum von regionaler Durchsetzungskraft mit. Und ein schon fast „sakrischer“ Wille.

Die Entstehung des erweiterten Horizonts

Die Herausforderung war dann auch, ob man materialmäßig in Reinkultur bauen und gleichzeitlich alle rechtlichen Anforderungen erfüllen kann.
Verzichtet wurde auf aufwändige Technik und Belüftungsanlagen, bis auf die innen liegenden Bäder. Die Raumhöhe ist mit 3,10 Meter ungewöhnlich hoch. Das ergibt ein wunderbares Raumklima, das fällt sofort auf. Die Mieter fühlen sich einfach gleich wohl.

„Durch Simulation an einem 18 Quadratmeter Wohnraum mit einem angemessen großen Fenster haben wir vorab ermittelt, wie der Idealraum aussehen muss, der ohne zusätzlichen Sonnenschutz im Sommer am wenigsten überhitzt und im Winter den geringsten Energieverbrauch hat.“
Auch die Bogenfenster der drei Häuser fallen auf.
„Diese Technik haben schon die alten Römer verwendet, wenn man auf Fensterstürze und den damit verbunden Materialmix verzichten will.“

Bogenfenster - Verzicht auf Fensterstürze

HOLZBAUTEN HABEN WENIGER WÄRMEBEDARF

Welche Erkenntnisse nimmt Nagler aus dem Forschungsprojekt mit? Etwa dass das Holzhaus am wenigsten Wärmebedarf erzeugt und mit 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter fast schon im Bereich eines Niedrigenergiehauses liegt, obwohl nur Mindestanforderungen beim Bau eingehalten wurden?
„Am Ende hat alles ohne Abweichung funktioniert, vor allem, dass wir auftretenden Probleme nicht mit komplizierter Technik begegnen mussten, sondern immer eine Lösung in der Architektur selbst gefunden haben. Nur für den Dämmbeton, der baurechtlich noch neu ist, brauchten wir die Zustimmung vom Bauherrn.“

Und weiter: „Ich sehe Einfach Bauen nicht als Limitierung, sondern als Erweiterung des Horizonts an und als das Aufzeigen von Möglichkeiten, von denen wir viele erst noch entdecken müssen.“

Allerdings hat das Forschungshäuser-Projekt, das muss er zugegen, bei großen und kleinen Bauträgern einen Tsunami des Interesses ausgelöst und Florian Nagler mit dem genossenschaftlichen Wohnen in Bad Aibling sogleich ein Nachfolge-Projekt eingebracht.

Reduktion beim Bauen als roter Faden

Reduktion als roter Faden

Hat das einfache Bauen seine persönliche Sichtweise auf die Welt der Architektur verändert?
„Das ist nicht plötzlich so vom Himmel gefallen. Im Grunde genommen zieht sich das Unkomplizierte und Reduzierte wie ein roter Faden durch meine Laufbahn, ist irgendwie meiner handwerklichen Ausbildung geschuldet und steckte schon in dem, was ich vor 30 Jahren gemacht habe.“

Welche Rolle spielt für ihn die Heimat? Hat sie ihn architektonisch inspiriert?
„Die regionale Herkunft spielt natürlich schon eine wichtige Rolle. Wenn man mit offenen Augen durch die Gegend geht, dann sieht man, dass in den bayerischen Häuserlandschaften die bauliche Erfahrung von Jahrhunderten steckt. Ich finde es sehr aufschlussreich wie die früheren Generationen gebaut haben. Das lässt uns etwas Abstand nehmen von der Haltung: wir Architekten wissen heute sowieso alles besser.“

Manchmal sind es ganz simple Dinge, zum Beispiel in regenreichen Regionen Dächer zu bauen, von denen das Wasser abläuft und Fallrohren zugeführt wird.
„Ich habe bisher 85 Häuser gebaut, von klein bis groß, und ein Viertel davon hat Flachdächer. Mit fünf dieser Häuser haben wir immer wieder Probleme.“

Statt Vorschriften: Mehr Gestaltungsspielraum

Besonders freut es Florian Nagler, dass jetzt auch die bayerische Architektenkammer für eine flexiblere Handhabung der Bauvorschriften plädiert und mit dem Gebäudetyp E  -„E“ wie einfach oder experimentell – Planern mehr Gestaltungspielraum einräumen will. Dazu wird eigens ein neues Förderprogramm aufgelegt.
„Bereits im ersten Schritt kann man 600 technische Bestimmungen aushebeln, ohne für jeden Fall Einzelabsprachen treffen zu müssen“, erzählt Nagler. „Es ist ja auch eine unserer wichtigsten Aufgaben, einen Weg zu finden, wie wir langfristig bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen können.“

Fotos: Sebastiam Schels, Unsplash / Steven Kamenar

 

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