
IN 40 TAGEN UM DIE WELT (II)
Nachdem unser Autor im ersten Teil seiner Weltreise von 1957 vor allem Amerika geschildert hat, geht es jetzt über den Pazifik. Welche Abenteuer er zwischen Fidji und Istanbul erlebte, lesen Sie hier im zweiten Teil seines Reiseberichts.
Hier erfahren Sie mehr über
- Paradiese: Fidschi und Tahiti
- Strenge in Australien und Singapur
- Den flammend heißen Nahen Osten
Text Wolfgang Eckstein

Wolfgang Eckstein ist 98 Jahre jung. Der Jurist war u.a. Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Bekleidungsindustrie, gründete den Verband deutscher Modedesigner, den Modekreis München und eine Stiftung für die Modeindustrie. Für PURPOSE schreibt er exklusiv.
Der Start verzögert sich wegen eines Motorschadens. Eine gute Voraussetzung für einen 21-Stunden Nonstop Flug über den unendlichen Pazifik!
Nur in Canton Island wird eine einstündige Zwischenlandung zum Auftanken eingelegt: Eine winzige, tropische, einzige Koralleninsel, mit 41 Einwohnern, mitten im Pazifik, auf halbem Weg zwischen Hawaii und Fidschi.
Die Temperatur beträgt 42 Grad um 7 Uhr abends und die Luftfeuchtigkeit 96 Prozent. Die Wände strahlen eine Hitze aus, als wären sie künstlich beheizt. Ein Schild zeigt wie weit wir von zu Hause entfernt sind, z.B. 25.000 Kilometer von Berlin. Wie auf allen Inseln des Pazifiks, gibt es auch hier eine interessante Vogelwelt. In den Palmen sieht man die schönsten Farben und hört die seltsamsten Laute. Nicht weniger bunt sind die Fische, die sich im klaren Wasser tummeln. Herrliche Parot-Fische und Barrakudas.
Die Hitze ist unerträglich und wir sind froh, wieder in der Maschine zu sitzen.

ÜBER DEN ÄQUATOR VOM HERBST IN DEN FRÜHLING AUF DEN FIDSCHIS
Immer weiter geht der Flug südwärts über den Äquator. Die Jahreszeit wechselt vom Herbst zum Frühling. Auf den Fidschi-Inseln empfängt uns fröhliche Musik. Eine Gruppe von Einwohnern ist eifrig bemüht, uns jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sie schleppen Platten voll mit Sandwiches und eisgekühlte Getränke herbei.
Ewig blühen hier die Blumen in den herrlichsten Farben. Ebenso bunt sind die Uniformen der Polizei. Wir besichtigen die größten Goldminen des Südpazifiks. Fahren meilenweit durch Zuckerrohrfelder und Weideplätze.
Fidschi ist einer der wenigen Orte dieser Welt, an dem man noch ursprüngliches, unbeschwertes Leben sehen, fühlen und erleben kann. Ein herrlicher Strand mit Kokoswäldern und schilfgedeckten Hütten. Freundliche Insulaner, die in ihren traditionellen Booten auf das fischreiche, kristallklare Meer hinausfahren und dabei ihre uralten Lieder singen.
Man kann die buntschillernden Fische noch tief unten am Grund beobachten. Ein beeindruckendes Erlebnis, wenn die Einwohner mit bloßen Füßen über rotglühende Steine laufen, ohne den geringsten Schaden zu leiden und mit einem Lächeln im Gesicht.
Tahiti ist das zweite Paradies. Ein Platz weitab von menschlicher Hast und ungestört mitten im Pazifik.

25 STUNDEN FLUG INS „KONSERVATIVE“ AUSTRALIEN
Weiter geht es zum fünften Erdteil. In der Morgendämmerung leuchten, nach einem 25-stündigen Flug über 11.000 Kilometer, die Küsten von Australien auf. Ein Blick auf den Kalender. Der Sonntag kommt in dieser Woche hier nach dem Freitag.
Einer der größten Häfen der Welt liegt unter uns. Mit englischer Höflichkeit werden die Formalitäten erledigt. Alles ist konservativ in Australien. Im Hotel bekommen wir dies besonders zu spüren, umständlicher geht es nicht mehr.
Heute an dieser Stelle dagegen ein großes Lob dem amerikanischen Hotel-Service! Es dürfte wohl kein Land auf der Welt geben, in dem die Hotels so funktionell und komfortabel eingerichtet sind wie in Amerika. Es gibt nichts, was der Gast entbehren müsste. Alles wird dort mit größter Selbstverständlichkeit geboten.
Australien entspricht in seiner Größe den U.S.A, während seine Gesamtbevölkerung der von New York (9 Millionen) gleichkommt.
Die Hälfte der Bevölkerung lebt in Sydney, Melbourne, Brisbane und Perth. Sydney ist der Einwanderungshafen für alle Emigranten und man findet dort deshalb alle Völker dieser Erde, die versuchen, sich auf eine Sprache zu einigen. Das Ergebnis ist ein unverständliches Englisch. Viele glauben, hier ihr Glück zu finden und haben nicht den Mut, sich hinaus ins Land zu wagen, das unendliche Möglichkeiten bietet.

Durch strenge Anordnungen wird das Nachtleben stark eingeschränkt. Die Kneipen schließen bereits um 2 Uhr. In Melbourne ist der Ausschank von Alkohol schon ab 18 Uhr verboten. Man nimmt deshalb seine eigene Flasche mit ins Lokal und trinkt verstohlen seinen Whisky, ohne dass jemand Anstoß daran nimmt.
Auf einer Autotour gewinnen wir einen Eindruck von der Umgebung von Sydney.
Kaum 12 Meilen von der Stadt entfernt beginnt die Steppe und der Urwald. Romantische Täler, die von der Sonne ausgebrannt sind. Riesige Flächen, die Opfer von Waldbränden wurden.
Die Bootsfahrt auf dem Hawskbury-River ist ein unvergessliches Erlebnis. Links und rechts steigen steile Felswände empor. Unwillkürlich denkt man an norwegische Fjorde. Im Fluss treiben zu Dutzende, eimergroße Quallen, ab und zu zeigt ein verirrter Haifisch seine Schwanzflosse – und das weit flussaufwärts. Ein breites Stahlnetz, quer durch den Fluss gespannt, zeigt, dass selbst hier noch gefährliche Meeresbewohner zu finden sind.
Tief im Landesinneren liegen in der „Bobbin-Bay“ zahlreiche herrliche Motorjachten, auf welchen reiche Australier Jagdausflüge unternehmen.

SINGAPUR: EINE SCHWÜLE FESTUNG
Der Flug in die Heimat geht quer durch Australien über unendliche Steppen- und Wüstengebiete. Dies erklärt, warum sich die Bevölkerung, obwohl das Land groß genug ist, in den Städten zusammendrängt. Niemand möchte gern Pionierarbeit leisten, und das Land hätte sie so dringend nötig.
In Darwin verlassen wir das ferne Australien, fliegen vorbei an Sumatra, nach Singapur, eine der heißesten Städte der Welt, direkt am Äquator. Die Kleidung klebt in dieser tropischen Schwüle am Leib. Im malaiischen Teil von Singapur bauten die Gläubigen der verschiedensten Religionsrichtungen ihre Tempel.
Im Ganzen gesehen ist Singapur nichts als eine Festung, ein Stützpunkt des britischen Empire.

THAILAND: LEBEN IN UND MIT DEM WASSER
Nach dem Überqueren des Golfs von Siam, geht es entlang der malaiischen Küste.
Plötzlich liegen unter uns weite Gebiete, die vom Wasser überflutet sind. Mitten in dieser Wasserwüste gibt es kleine Ansiedlungen und einzelne Hütten. Es sind die ertragreichen Reisfelder von Thailand. Das Klima ist heiß und durch das viele Wasser sehr feucht.
Bereits auf der Fahrt nach Bangkok erkennt man die Eigenart dieses Landes. Wasser, wohin das Auge reicht. Die Menschen leben im und mit dem Wasser. Zur Freude der fröhlich darin herumplantschenden Kinder. Wir hören Lachen aus den Hütten, die ebenfalls unter Wasser stehen. Nur die Schlafstellen liegen über der Wasseroberfläche. Sogar öffentliche Gebäude stehen im Wasser. Man fährt durch die Toreinfahrt in 15 cm hohem Wasser zum Eingang, watet zur Tür oder wagt einen Sprung.
Trotz dieser scheinbaren Armut ist Thailand reich an Gummi und Reis, und der Dollarstrom aus Amerika bringt neuen Auftrieb. Man genießt das Leben in vollen Zügen mit einer bemerkenswerten Unbekümmertheit.
In den Restaurants deutsche Ingenieure, englische Kaufleute, amerikanische Offiziere und chinesische Händler. Alle zeigen den Drang, dem Leben die besten Seiten abzugewinnen. In den Straßen ist ein unbeschreiblicher Verkehr von Autos ältester und neuester Modelle. Scheinbar ist jeder in seine Hupe verliebt, denn anders können wir uns das ohrenbetäubende Konzert nicht erklären. Da gibt es plötzlich einen kleinen Unfall und im Nu sind alle Straßen verstopft. Man drängt sich in Scharen, um das Ereignis auszukosten. Gesamtschaden: ca. 4 DM.
Siam, wie man Thailand früher einmal genannt hat, wird oft das letzte Märchenland genannt und es trägt diesen Namen mit Recht. Abertausende von Tempeln in den verschiedensten Farben und Formen. Alles umgibt die geheimnisvolle Stille fernöstlicher Religionen. Die grazilen siamesischen Tänzerinnen anzusehen ist ein Erlebnis der besonderen Art.
Wir wären gerne noch einige Tage geblieben, aber die Zeit drängt.

VON BURMA NACH INDIEN UND PAKISTAN
Bald sind wir in Rangoon, der Hauptstadt von Burma, die im Delta des Irrawady-River liegt.
Weiter geht es nach Kalkutta, an der östlichsten Spitze von Indien. Hier werden uns herrliche Handarbeiten angeboten. Eine moderne Großstadt mit über fünf Millionen Einwohnern. Im botanischen Garten entdecken wir einen Baum, der so breite Zweige trägt, dass darunter mehrere hundert Menschen sitzen können.
Es geht quer über Indien hinweg. Wüstengebiete wechseln mit Steppe und Urwald ab. Nach einem langen Flug ist Karatschi, die Hauptstadt von Pakistan, erreicht.
Der Mond spiegelt sich im dunklen Wasser des Arabischen Meeres und die Lichter am Strand lassen die Schaumkronen der Wellen wie silberne Kämme erscheinen.
Die Einwohner bieten uns eine Vielzahl von handgearbeiteten Elfenbeinschnitzereien an. Man könnte Berge von diesen Sachen kaufen, wenn das Fluggepäck nicht zu schwer davon würde.

DER NAHE OSTEN: FLAMMENDES ÖL UND GLÜHEND HEIßES SYRIEN
Über dem Persischen Golf geht es Richtung Bahrein, an Kuweit vorbei nach Basra und Abadan. In der Morgendämmerung leuchten die mächtigen Feuer der Ölquellen mitten in der Wüste. Unendlicher Reichtum quillt aus der Erde. Wo werden diese Milliarden eines Tages hinfließen?
Nach kurzer Zeit erwartet uns Bagdad. Vorbei an den historischen Stätten von Babylon und dem Garten von Eden. Hell leuchtet die goldene Kuppel der Moschee.
Der Pilot wendet die Maschine nach Südwesten und überfliegt die syrische Wüste. Von Zeit zu Zeit erkennen wir im eintönigen Braun der weiten Wüstenflächen mit erstaunlicher Genauigkeit die schwarzen Zelte der arabischen Nomaden und lange Kamelkarawanen. Allein der Gedanke, in dieser glühenden Hitze, ohne die erfrischende Kühle unserer herrlichen Wälder leben zu müssen, ist unerträglich.
Wir sind froh, Damaskus hinter uns zu lassen und die Hauptstadt Libanons vor uns haben.
Beirut mit seinem herrlichen Mittelmeerstrand begrüßt uns als erste Stadt mit europäischem Charakter. Man spürt, dass diese Stadt das Sprungbrett nach Osten ist. Auch Paris des Orients genannt. Hier ist altes Kulturland, geboren aus der Geschichte von Jahrtausenden. Verschiedenste Völker haben ihre Spuren hinterlassen. Die Ruine des römischen Jupiter-Tempels ist eine davon. Der „Pigeon Rock“ gilt als das bekannteste Felsengebiet in der Nähe von Beirut.

FETTNÄPFCHEN POLITIK UND EINE PEINLICHE BEGEGNUNG MIT DER TÜRKISCHEN PRESSE
Nach einer Stadtrundfahrt tritt eine Journalistin auf uns zu. Sie möchte unsere Meinung über den Ausgang der türkischen Wahlen, die am Vortag stattgefunden haben, wissen. Wir loben den Weitblick des türkischen Volkes, das die bisher so erfolgreiche Regierung wieder gewählt hat. Die erstaunten Augen der Türkin veranlassen uns zu fragen, welcher Partei sie angehöre, worauf sie die Regierungsopposition nennt. Nach einer Stunde werden wir in unserem Zimmer angerufen und gebeten, in die Halle des Hotels zu kommen, weil uns weitere Reporter sprechen möchten.
Erstaunt sind wir allerdings, als wir dort ca. zehn Vertreter der türkischen Presse vorfinden, die uns nach allen Regeln der journalistischen Kunst über unsere politische Meinung ausfragen.
Wir haben nur einen Wunsch, dass der Boden sich öffnet und wir auf diese Weise verschwinden können. Schweißgebadet verlassen wir nach einem halbstündigen Verhör die Stätte der Qual – und dann entschlossen wir uns, keine „Politiker“ zu werden. Die türkischen Zeitungen berichteten am nächsten Tage ausführlich über diese Pressekonferenz.
Am Abend genießen wir im Sadirvan Super Club das herrliche Essen, während eine unübertreffliche Schau über die Bühne rollt. Die Decke wölbt sich wie ein Sternenhimmel über den Raum. Am Bosporus leuchten unzählige Lichter wie aus Tausendundeiner Nacht.
Der Rückflug nach München erscheint wie ein kleiner Ausflug. So gering ist die Entfernung, gemessen an den weiten Strecken, die wir in Asien geflogen sind.
Als die Maschine auf dem Flugfeld aufsetzt, geht ein Flug über 50.000 Kilometer zu Ende.
DIE FLUGROUTE VON AMERIKA IN DIE TÜRKEI ÜBER ALLE KONTINENTE: 50.000 KILOMETER
Die Flugroute ging über Schottland nach Amerika, Kanada, Canton Island (heute Kiribati), Australien, Französisch-Polynesien, Singapur, Thailand, Burma, Pakistan, Indien, Irak, Syrien, Libanon, Türkei. Alle fünf Kontinente habe ich berührt und 15 Länder besucht.
In meinen Taschen fanden sich Münzen aus den verschiedensten Erdteilen der Welt. Heute muss ich lachen über die vielen kleinen Schwierigkeiten, die sich immer dann ergaben, wenn ich ein neues Land mit neuer Sprache, Schrift, Währung und neuen Sitten betrat.
Das alles werde ich vielleicht eines Tages vergessen. Aber das gewaltige Erlebnis mit seinen unauslöschlichen Eindrücken wird in mir bleiben als Befriedigung, unsere gute alte Erde in 40 Tagen umrundet zu haben. Es war sicher die letzte Möglichkeit, dies alles u.a. mit einer langsamen (400 Stundenkilometer), niedrigfliegenden (3000 Höhenmeter) Propellermaschine so hautnah in sich aufnehmen zu können.
Das Jet-Zeitalter ist bereits angebrochen und es wird einer solchen Reise den unvergleichlichen Zauber dieser unmittelbaren Eindrücke nehmen.
Fotos: Privat