ECKSTEINE DES LEBENS: Dankbarkeit
Das Verständnis von manchen Tugenden hat sich mit der Zeit verändert, doch einige bleiben maßgeblich, z.B. die Dankbarkeit. Sie kann viel zum Guten verändern und ist Basis für ein erfülltes Leben.
Hier erfahren Sie mehr über
- Wertschätzung und wie wichtig Dankbarkeit ist
- Verbundenheit
- Positives Denken
Text Wolfgang Eckstein
Wolfgang Eckstein ist 97 Jahre jung. Der Jurist war u.a. Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Bekleidungsindustrie, gründete den Verband deutscher Modedesigner, den Modekreis München und eine Stiftung für die Modeindustrie. Für PURPOSE schreibt er exklusiv.
Philosophen und Weise wie Platon, Aristoteles oder Konfuzius haben sich in ihren Werken mit den Tugenden beschäftigt. Im Laufe der Zeit veränderte sich freilich das, was man heute darunter versteht, und doch sind einige übriggeblieben, die heute wie damals maßgeblich sind, nämlich Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit und – Dankbarkeit. Mit der letzten möchte ich mich nun beschäftigen.
DANKBARKEIT UND GESUNDHEIT
Die Dankbarkeit wird oft unterschätzt, obwohl sie in sehr vielen Lebensbereichen eine maßgebliche Rolle spielt. Es kostet nichts, dankbar zu sein, aber es kann vieles zum Positiven hin ändern. Unser Wohlbefinden und unsere menschlichen Beziehungen werden vom Dankbarkeitshandeln besonders beeinflusst. Das hat mit einfacher Höflichkeit nichts zu tun, sondern geht weit darüber hinaus und bildet die Basis für ein erfülltes Leben. Da die heutige Welt von Hektik, Stress, Zeitnot, Oberflächlichkeit und anderen negativen Momenten stark geprägt ist, ragt das Thema „Dankbarkeit“ besonders hervor.
Wie gerne vergessen wir, die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen. Oft denken wir nicht an das, was wir bereits (erreicht) haben, sondern nur an das, was uns angeblich fehlt.
Die dabei entstehende unterschwellige Unzufriedenheit stammt von einem nicht anwesenden Dankbarkeitsdenken. Der Benediktinermönch Anselm Grün ist deshalb der Meinung, dass die Dankbarkeit dem Leben Leichtigkeit und Humor, Gelassenheit und Freiheit gibt. Ein schöner und tiefer Gedanke, über den zu meditieren sich lohnt. Schon bald wird man feststellen, dass dem tatsächlich so ist … zumal erwiesen ist, dass Menschen, die sich regelmäßig in Dankbarkeit üben, weniger anfällig für Depressionen, Schlaflosigkeit oder Angstzustände sind und eine schwächere Widerstandskraft gegenüber unkontrollierten Emotionen haben.
DANKBARKEIT FESTIGT BEZIEHUNGEN
Dankbarkeit spielt bei Beziehungen, gleich welcher Art sie auch sein mögen, eine tragende und oft entscheidende Rolle. Die gegenseitige Wertschätzung kann in der Paarbeziehung durch dankbares Verhalten die Verbundenheit vertiefen. Dabei gibt es bei gewisser Achtsamkeit oft die Möglichkeit, Dank in das Denken des Gegenübers zu übertragen.
Auch wenn es nur eine alltägliche Kleinigkeit ist – ein ehrliches ausgesprochenes „Danke“ oder eine damit verbundene Umarmung werden meist gerne wahrgenommen und verstanden.
Die heutigen Ausdrucksmittel bieten vielseitige Möglichkeiten, spontan seine Beziehungen mit Wort und Schrift zu pflegen und dabei mit angepassten Dankesworten (oder Emojis) seine Wertschätzung spüren zu lassen. Die gemeinsame Vorfreude auf ein baldiges Wiedersehn entspricht dann z.B. einem beidseitigen „Dankeschön.“ Es zeigt sich hierbei, dass Dankbarkeit ein Geben und Nehmen auf einer harmonischen Basis darstellt.
SICHTWECHSEL DURCH DANKBARKEIT
Dankbarkeit ermöglicht auch einen Sichtwechsel auf das Verhalten im Leben. Statt sich auf Mängel und Enttäuschungen zu konzentrieren, richtet sie den Blick auf das Positive und die Chancen, die man in seinem Dasein haben kann. Dadurch hilft sie, negative Gedankenmuster zu durchbrechen und optimistischere Einstellungen zu entwickeln.
DANKBARKEIT IST ANSTECKEND
Wenn Dankbarkeit gegenüber anderen gezeigt wird, führt sie oft dazu, dass diese dieselbe positive Einstellung zu übernehmen. Der Alltag bietet viele Möglichkeiten, seinen Dank auszudrücken. Der freundliche Briefträger, der zuverlässige Müllmann, die korrekte Verkäuferin, die aufmerksame Bedienung, der pünktliche Zeitungsausträger, der hilfreiche Nachbar, der rücksichtsvolle Auto- oder Fahrradfahrer und viele mehr – sie alle verdienen ein Dankeswort, das ihnen Freude bereitet, weil sie auch uns eine Freude bereitet haben.
Das wiederum führt zu gegenseitigem Respekt in zwischenmenschlichen Beziehungen und in der Gesellschaft insgesamt. Als eine grundlegende Tugend fördert die Dankbarkeit eine tiefe Verbundenheit mit dem Leben. Sie ist eine verbindende Kraft, die nicht nur unser persönliches Wohlsein verbessert, sondern die auch die Welt um uns herum zu verbessern vermag. Wenn wir sie in unser tägliches Leben integrieren, können wir einen bedeutenden Beitrag zu unserem Glück und auch dem Glück anderer leisten.
DANKBARKEIT IM EIGENEN SEIN
Der Philosoph Jean Jacques Rousseau hat sehr deutlich ausgedrückt, welch fundamentale Bedeutung die Dankbarkeit für das Glücklichsein hat:
„Glücklich ist nicht der, der alles hat, was er will,
glücklich ist der, der zu schätzen weiß, was er hat.“
Dankbarkeit im eigenen Sein bedeutet, die Schönheit des gegenwärtigen Moments zu schätzen und daraus dankbare, positive Gedanken zu entwickeln. Das ist nicht immer leicht, denn in unserer hektischen Welt, in der Technologie und soziale Medien oft unsere Aufmerksamkeit dominieren, kann es schwer sein, innezuhalten und auf den Moment zu achten.
Aber nur wer in sich ruht, findet zu sich selbst; erkennt seine eigene Einzigartigkeit; er kann sich darüber freuen und wird dankbar für das, was er erreicht hat, anstatt sich ständig mit anderen zu vergleichen oder unerreichbaren Zielen zu folgen.
Dankbarkeit im eigenen Sein, macht es möglich, sich aus Zwängen von unerfüllbaren Erwartungen und Perfektionismus zu befreien. Sie hilft, dass wir uns auf das Positive, das bereits im eigenen Leben vorhanden ist, zu konzentrieren.
Durch dieses Gefühl der inneren Zufriedenheit, lernt man, unbeschwerte Augenblicke zu genießen und die kleinen und großen Freuden des Lebens zu schätzen. Man weiß, sich schönen Erinnerungen hinzugeben, sich in ein Lieblingsbuch zu vertiefen, schreibend zu bewältigen, was das Herz und die Seele bewegen, einen stillen Sonntagmorgen mit schmeichelnder Musik einstimmen …
Oder aber ein Gespräch mit lieben, treuen Freunden führen, die sagen: Sei dankbar für jede Sekunde, an jedem Tag, die du mit den Menschen verbringen kannst, die du liebst, denn das Leben ist so kostbar. Wenn wir eine innere Dankbarkeit entwickeln und uns an unserem Dasein erfreuen, das wir erst dann richtig verstehen, dann bereichern diese unbeschwerten Augenblicke unser Leben besonders.
Der englische Philosoph Francis Bacon war der Überzeugung:
„Nicht die Glücklichen sind dankbar, es sind die Dankbaren die glücklich sind.“
SICH DEM GUTEN ÖFFNEN
Menschen, die nicht den Willen in sich tragen, sich dem Guten in ihrem Leben zu öffnen, werden den kraftvollen Weg für die Tugenden der Dankbarkeit und Wertschätzung nicht finden. Auch eine tiefere Verbundenheit mit anderen Menschen ist ihnen nicht möglich, und das ist der sicherste Weg für ein unerfülltes Leben, ohne wahrhaftige soziale Bindungen.
Der Autor dankt Allen, die Interesse an der Tugend Dankbarkeit gezeigt haben und seinen Gedanken gefolgt sind. Deshalb verrät er jetzt auch seine eigenen Dankesworte, die er jeden Morgen vor dem Aufstehen spricht:
„Wenn wieder mal der Morgen graut und dir vor dem Morgen graut,
dann atme tief und lang und sei dankbar dafür, dass du es noch kannst!“
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