Die Kunst und der Kunstmarkt

Junge Kunst und der (un)freie Kunstmarkt

Welche Bedeutung spielt Kunst in unserer Gesellschaft? Vor welchen Herausforderungen stehen junge Künstler nach ihrem Abschluss? Welche Zukunft hat der Kunstmarkt?

Hier erfahren Sie mehr über

  • Zeitgenössische Kunst
  • Den Kunstmarkt
  • Die gemeinnützige Initiative Salon der Gegenwart 

Text Margarita Holle

Margarita Holle

Margarita Holle leitet seit 13 Jahren zusammen mit ihrem Mann Christian Holle die gemeinnützige Initiative salondergegenwart in Hamburg und unterstützt junge Künstler bei ihrem ersten Schritt ins professionelle Berufsleben.

Kunst als Spiegel der Gesellschaft

Kunst fungiert wie ein Spiegel der Gesellschaft und zeigt aktuelle Reflektionen über politische Ereignisse, ästhetische Auseinandersetzungen, sowie individuelle Perspektiven auf. Als eine der ältesten Ausdrucksformen begleitet Kunst, insbesondere die Malerei, über Jahrhunderte hinweg die menschliche Existenz. Ihr Potenzial, uns emotional zu ergreifen, zum Nachdenken oder zum Dialog anzuregen, Gefühle, Gedanken und Eindrücke visuell zu fixieren, sowohl zu polarisieren als auch zu vereinen, ist eine Bereicherung für die gegenwärtige Zeit und dient als ein wertvolles Zeugnis historischer Entwicklungen. Kunst ist systemrelevant.

Als Mittel der Kommunikation und des Ausdrucks bietet sie die Option des Austauschs. Es geht nicht nur um Konsum und um das kontemplative Rezipieren bei einem Ausstellungsbesuch. Vielmehr bietet sie einen Ansatz, um sich weiterführend mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. Sie durchdringt unser Leben.

Umso wichtiger scheint es, die Freiheit der Kunst zu wahren. Doch wie frei kann sie in einer kapitalistischen Gesellschaft sein?

Die Verbindung von Kunst und Markt ist unbestreitbar, aber gleichzeitig entstehen in diesem Gefüge profitgetriebene Machtstrukturen, hierarchische Systeme und ausbeuterische Zustände. Das Problem dabei ist, dass diese Verhältnisse aufrechterhalten werden, weil sie für jenen Teil, der den Markt steuert, funktionieren. Dieser Teil findet immer neue Kunstschaffende, die bereit sind, bei der Produktion für eine Ausstellung große finanzielle Opfer zu bringen und sich vollkommen zu verausgaben. Wie laut muss der Knall sein, damit tiefgreifende Veränderungen angestoßen werden?

Die Kunstwelt kann nicht ohne den Markt gedacht werden, doch es ist von entscheidender Bedeutung, für die Freiheit der Kunst einzustehen. Es müssen Räume und Netzwerke geschaffen werden, die auf gegenseitiger Unterstützung, Anerkennung und nachhaltiger Zusammenarbeit basieren, damit die Kunst und ihre Produktionsbedingungen wieder zurück in den Fokus rücken.

Stephan Hohentanner, 20. Februar 2020, Acryl auf Holz, 100 x 140 cm
Stephan Hohentanner, 20. Februar 2020, Acryl auf Holz, 100 x 140 cm

Die Herausforderungen junger Künstler nach dem Abschluss

Jedes Jahr gehen in Deutschland gleichzeitig mehrere hundert Absolventen von den Kunstakademien ab. Sie alle stehen vor einem Umbruch: vor einem großen Schritt aus dem Mutterschoß der Universität hinaus in die Arme des professionellen Berufslebens eines Künstlerdaseins. In der Theorie ist allen schon längst bekannt, was da auf sie zukommt. Doch meist trifft einen die Realität härter als erwartet.

Was es wirklich bedeutet, sich als frisch absolvierter Künstler nachhaltig ein Standbein aufzubauen, sich durchzusetzen, eine Galerie zu finden, zu verkaufen, bekannt zu werden usw., ist schwer vermittelbar und wird an den Akademien meistens nicht gelehrt. Neben dem kreativen Schaffen wird erwartet, dass Künstler sich vermarkten können, d.h. eine attraktive Website- und einen Social-Media-Auftritt haben, dass sie wissen, wie man mit Preisen, Steuern und Versicherung umgeht, dass sie Portfolios bauen, an Ausstellungen teilnehmen, Transporte organisieren, über sich selbst und die eigene Kunst reden und sich vernetzen können. All diese zunächst nicht im Vordergrund stehenden Tätigkeiten – so scheint es – sind ein wesentlicher Aspekt des Weges zum Erfolg.

the comforting stranger, 2017
the comforting stranger, 2017, Acryl und Tusche auf Leinwand, Lack auf Glas, Holz, Metall und Wand,189 x 250 x 41 cm, Galerie Kadel Willborn (düsseldorf), courtesy Matthias Bitzer, 2017, Fotograf Jens Ziehe

salondergegenwart: Eine gemeinnützige Initiative zur Unterstützung junger Künstler

Der salondergegenwart dient als eine Plattform, um junge Künstler an genau jenem Punkt ihrer Laufbahn zu unterstützen und um Sichtbarkeit für Positionen zu generieren, die noch nicht von einer Galerie vertreten, aber die Zukunft des Kunstmarktes bestimmen werden.
Seit 2011 findet der salondergegenwart im jährlichen Turnus und immer an unterschiedlichen Orten in Hamburg statt. Dabei richtet sich die Ausstellung nach keinem thematischen Schwerpunkt oder kuratorischen Konzept, sondern zeigt aktuelle Positionen der zeitgenössischen Malerei – die Künstler bestimmen selbst, was relevant ist.

Im Schnitt laden mein Mann Christian und ich jährlich zwischen dreißig und vierzig Künstler ein, am salondergegenwart teilzunehmen. Die Auswahl der Positionen basiert auf Empfehlungen von Professoren, ehemaligen salondergegenwart-Künstlern sowie auf vielen Messe-, Atelier- und Rundgangsbesuchen unsererseits. Jeder Künstler wird über die Jahre hinweg nur einmal ausgestellt. Teilnahme und Teilhabe sind uns ein großes Anliegen, so werden die Ausstellung von einem Vermittlungsprogramm begleitet, das Führungen für Schulen und Interessierte anbietet.

Das Konzept trägt sich, da wir neben den Nachwuchskünstlern auch einzelne etablierte Positionen zeigen, wodurch das Zielpublikum maßgeblich erweitert wird. Bestenfalls wird beidseitig voneinander profitiert und durch respektvollen Austausch und ehrliches Interesse die Basis für Kooperation und Fairness in einem Markt geschaffen, der von Konkurrenzdenken geprägt ist. Unser Ziel ist es, den Einzelgängerdynamiken und Ausbeutungsmechanismen der heutigen Zeit entgegenzuwirken.

Die erste Ausstellung als Profi

Für viele der Künstler ist es nach ihrem Abschluss die erste Ausstellung in einem professionellen Rahmen. Wir bekommen hautnah mit, welches Maß an Unsicherheiten und welche hohe Anzahl unbeantworteter Fragen sie begleiten. Die Akademie hat wie eine Blase die Künstler vor der eigentlichen Kunstwelt abgeschirmt; sie müssen erst lernen sich zu behaupten. Wir versuchen, sie in diesem Lern- und Findungsprozess zu begleiten. Das ist zunächst viel Aufklärungs- und Strategiearbeit.
Daran knüpft sich die eigentliche Tragweite unserer Tätigkeit: das Netzwerken und Vermitteln. Auch wenn das künstlerische Schaffen zunächst ein im Studio isolierter Prozess ist, so ist dieser kollektive Aspekt doch mindestens genauso relevant. Ich erinnere mich an Menschen, die das Künstlerdasein schon fast an den Nagel gehängt hatten, doch durch den salondergegenwart wertvolle Kontakte knüpfen konnten, sodass sie im Anschluss viele neue Möglichkeiten an Sichtbarkeit und Entfaltung ergriffen.

moses & tapstm, FLICKWERK™ SHIMMS XXII, 2021
moses & tapstm, FLICKWERK™ SHIMMS XXII, 2021, Sprühlack auf PVC, beschichtetem Polyestergewebe, auf Rahmen, 200 x 200 x 25 cm, Courtesy: Golden Hands Gallery, Hamburg

Umso schöner ist es, dass inzwischen auch Hamburger Institutionen Interesse an einer Kooperation zeigen und der salondergegenwart über die eigene Armreichweite hinaus Anklang und Unterstützung erfährt. 2023 hatten wir die einmalige Gelegenheit, additiv zu dem jährlichen salondergegenwart im Mountblanc Haus eine Ausstellung zu konzipieren, die sich aus zeitgenössischer malerischer Perspektive mit dem Thema Inspire Writing auseinandergesetzt hat.
Zu diesem Anlass wählte ich aus dem gesamten Pool an freischaffenden Künstler der vergangenen salondergegenwart-Ausstellungen Positionen aus, die in ihren Arbeiten einen inhaltlichen Bezug zum Schreiben aufweisen und sich auf unterschiedliche Art und Weise der individuellen sowie universalen Bedeutung von Schrift widmen. So berichtete die Ausstellung von jenem Potenzial kreativen Schaffens, das sowohl im Schreib- als auch im malerischen Prozess wiederzufinden ist: von dem Vermögen, Gefühle zu transportieren, Wissen zu vermitteln oder Poesie zu werden.

Simon Schede, o.T., Öl auf Baumwolle, 22 x 19,7cm
Simon Schede, o.T., Öl auf Baumwolle, 22 x 19,7cm
Janka Zölker, Arrivo, 2020, Öl auf Leinwand
Janka Zölker, Arrivo, 2020, Öl auf Leinwand, 220 x 165 cm

Stimmen aus der Kunstwelt

Darja Linder, eine Künstlerin aus Thjälmanskij (Russland) mit Lebens- und Arbeitsschwerpunkt in Saarbrücken berichtet von ihren Erfahrungen: „Die Teilnahme am salondergegenwart war für mich auf vielen Ebenen erfolgreich. Ich konnte spannende Kontakte zu Galeristen und Sammlern aufbauen, was vor allem zu Beginn meiner Karriere sehr wertvoll und wichtig ist. Christian und Margarita Holle schaffen es, eine Veranstaltung zu organisieren, die sowohl einen Überblick über die zeitgenössischen Positionen in der Malerei vermittelt als auch unterschiedlichste Menschen zusammenbringt. Auf diese Weise konnte ich mich auch mit beeindruckenden Künstlern aus ganz Deutschland vernetzen, woraus sich mit Sicherheit noch weitere Kooperationen ergeben werden.“

Wie geht es weiter?

Der salondergegenwart erinnert mich täglich daran, dass die Kunst in all ihrer Vielfalt lebt und gedeiht. Sie ist nicht nur ein ästhetischer Ausdruck, sondern ein Spiegel unserer Zeit. In einer Welt, in der die Kunst oft von den Zwängen des Marktes erdrückt wird, eröffnen Initiativen der Kooperation und des Zusammenhalts einen Raum für die Essenz der Kunst: die Auseinandersetzung mit ihr. Und in dieser Auseinandersetzung liegt ihre wahre Zukunft- vielfältig, inspirierend und voller Möglichkeiten. Es heißt, näher zueinander zu rücken, anstatt voneinander weg.

Fotos: Headerbild Sophie Ullrich, ohne Titel (Boot), 2019, Öl auf Leinwand, 170 x 150 cm

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