Zufrieden wirkende Figur eines asiatischen Mönches.

DIE KRAFT DER ENTSCHEIDUNG

Wie gelangen wir zu innerer Zufriedenheit statt Sorgen und Selbstzweifeln? Ayurveda und seine „fünf Yamas“ helfen dabei, unsere Kräfte zu entfalten und gute Entscheidungen zu treffen. Gute Gedanken zum Jahresausklang.

Text Kathleen Landbeck

Schwarz-Weiß-Bild von Kathleen Landbeck.

Kathleen Landbeck ist Psychotherapeutin und Heilpraktikerin und arbeitet im Ayurveda Parkschlösschen in Traben-Trarbach als Ayurveda Psychologie-Beraterin. Sie hat in Indien vedische Philosophie studiert und ist Expertin für Resilienz-Training.

In meinem Beruf als Ayurvedische Psychologie-Beraterin im Ayurveda Parkschlösschen treffe ich täglich erfolgreiche Menschen, die zu uns zur Kur kommen. Den meisten unserer Gäste ist dabei Eines gemeinsam: Sie können alle etwas mehr „peace of mind“ gebrauchen.

Ich spreche von der inneren Zufriedenheit, die unmittelbar von der Fähigkeit abhängt, weise nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Was ich stattdessen immer wieder beobachten kann, sind weit verbreitetes Kopfzerbrechen, hartnäckige Sorgen, Selbstzweifel und Gefühle der Hilfslosigkeit.

Im Folgenden werde ich diesen Sachverhalt aus Ayurvedischer Sicht beleuchten und Möglichkeiten aufzeigen, wie man bewusste und nachhaltig zufriedenstellende Entscheidungen treffen kann.

UNSERE GEFÜHLE BESTIMMEN UNSERE HANDLUNGEN

Die altindischen vedischen Schriften beschreiben drei Kräfte, die uns innewohnen: die Kraft der Entscheidung, die Kraft der Konzentration und die Kraft der Selbstlosigkeit. Die drei Bühnen, auf der wir diese Kräfte entfalten, sind unsere Gedanken, Worte und Handlungen.

Nach der metaphysischen Philosophie der Veden entspringen fast alle unsere Gedanken, Worte und Handlungen einem fast unendlichen Fundus an unbewussten Gewohnheiten, auf Sanskrit Vasanas genannt.

Wer weiß schon, welche Gedanken in drei Minuten durch unseren Geist wehen? Gedanken tauchen auf und wieder unter … ganz automatisch, genauso wie Emotionen. Wenn wir keine Bewusstheit für unsere innere Gedankenwelt entwickeln, dann wird sie unsere Gefühle und Taten bestimmen, auch wenn wir es uns anders wünschen.

Alles läuft eben “automatisch” ab: Wir brüllen los, anstatt uns erstmals zu beruhigen, wir sagen Worte, die andere verletzten können, wir halten selbstbeschränkende Glaubenssätze aufrecht und wir tun Dinge, die wir später bereuen.

IST DER GEDANKE HILFREICH?

Da wir mit Bewusstheit ausgestattet sind, können wir reflektieren und der Gedanken, die uns in den Sinn kommen, gewahr werden (das üben wir auch, wenn wir meditieren). Mithilfe des Intellekts können wir unsere Gedanken unterschiedlich bewerten, um sie so in eine neue Richtung zu lenken. Unser freier Wille ermöglicht es uns zu fragen: Ist dieser Gedanke wahr? Ist er hilfreich? Stimmt er überein mit meinen Werten? Bringt er mich meinem Ziel näher?

Das Sanskritwort Karma bedeutet übersetzt “Tat“, und unsere Gedanken sind ebenfalls Taten. Wir brauchen gar nicht erst den Anspruch zu haben, die besten Entscheidungen zu treffen, wenn wir nicht vorher lernen, unserer Gedankenwelt bewusst und kritisch zu durchleuchten. Es sind die Gedanken, die die Emotionen steuern und unsere Gefühle bestimmen unserer Handlungen.

  • Aus Steinen gebaute Waage.
  • Ein kleiner Turm aus Steinen.

SHREYA & PREYA: ZWEI WEGE STEHEN IMMER ZUR WAHL

In den Veden heißt es: „Das Gute (Shreya) und das Angenehme (Preya) sind zwei verschiedene Dinge. Sie motivieren einen Menschen, zwei verschiedene Ziele zu verfolgen. Derjenige, der das Gute umarmt, trifft auf Glück. Aber wer das Angenehme wählt, ist verloren.“ – Katha Upanishad 1.2.1

In Eknath Easwarans Übersetzung der Katha Upanishad wird berichtet, wie Lord Yama, der Gott des Todes, seinem Schüler Nachiketa erklärt: „Vor jedem Menschen gibt es immer zwei Wege – Preya, der nur anziehend und scheinbar angenehm ist, und Shreya, der zum Guten führt, zum wahren Wohlergehen.

Als Mensch wurden wir mit der Fähigkeit geboren, Entscheidungen zu treffen. Kein anderes Lebewesen hat diese Fähigkeit, und kein Mensch kann sich dieser Verantwortung entziehen. Jeden Moment, ob sie es sehen oder nicht, haben Menschen die Wahl zwischen zwei Alternativen für das, was sie tun, sagen und denken.“

Eine gute Entscheidung ist also eine, die uns nachhaltig mehr Zufriedenheit, mehr Lebensqualität beschert.

Wenn wir nur dem hinterherlaufen, was sich gerade im Moment gut anfühlt und einfacher erscheint, verschenken wir unseren Seelenfrieden, wenn auch nicht immer gleich. Ferner verlieren wir Selbstrespekt und den Glauben an unsere Selbstwirksamkeit.

DIE FÜNF YAMAS: DAS FUNDAMENT WEISER ENTSCHEIDUNGEN

Die Veden beschreiben vier Hauptziele im Leben: Dharma (Ethik), Kama (Freude), Artha (Reichtum) und Moksha (Selbstverwirklichung). Dharma wird immer als erstes genannt – und das ist kein Zufall. Andere Ziele können nur zu unserem wahren Wohlergehen langfristig beitragen, wenn sie ethisch vertretbar sind.

Die ethischen Grundlagen der Vedischen Traditionen sind universelle Werte und werden in den Yamas des Raja Yoga, (erste Stufe des Yoga-Weges/ Yoga-Sutras von Patanjali) wie folgt definiert:

  • Ahimsa: Gewaltlosigkeit, nicht verletzen
  • Satya: Wahrhaftigkeit
  • Asteya: Nicht stehlen
  • Brahmacharya: wortwörtlich übersetzt „Abstinenz“, aber wenn man kein monastisches Leben führt, bedeutet es die Kontrolle über sexueller Energie, also Sex gepaart mit Ehrlichkeit, Sicherheit und Respekt.
  • Aparigraha: Nicht gierig bzw. habgierig sein.

Wenn unserer Gedanken, Worte und Taten übereinstimmen, sind wir authentisch. Wir wirken nicht nur kraftvoll, effektiv und klar, wir sind es auch! Sind diese Aktivitäten zudem von universellen Werten untermauert, werden wir glücklicher, zufriedener und weiser.

Dank des Sogs unserer Vasanas, denken, reden oder agieren wir leider oft anders als wir „eigentlich“ wollen. Dieses Problem wird öfters in den Veden beschrieben.

In der Bhagavad Gita, ein Lehrgespräch und Teil des Mahabharata Epos, versucht Krishna den Protagonisten und Prinz Arjuna und seinen Feind Karna den Weg zur Wahrheit und Erleuchtung aufzuzeigen. Arjuna entscheidet, sich Krishna anzuvertrauen und nimmt seine Unterweisungen an. Karna beklagt sich: „Mein Problem ist, dass ich weiß, was ich besser machen soll, aber ich habe das nicht in der Hand. In mir ist irgendeine Kraft, die mich überstimmt. Ich bin halt so. Ich will mich auch nicht ändern.“

Eine Frau wird massiert.

KLARHEIT BRAUCHT EIN RUHIGEN GEIST

Wenn wir uns dafür entscheiden, vertraute Gewohnheiten im Denken, Reden oder Handeln zu ändern, ist es wichtig, in kleinen Schritten vorzugehen, weil sie so einfacher umzusetzen und langfristig nachhaltiger sind.

Die Veden beschreiben weiter, wie starke Emotionen unseren Intellekt trüben und es uns schwer machen, zwischen Shreya und Preya zu entscheiden. Denn starke Emotionen schränkt unsere innere Klarheit ein.

Demnach ist die beste Voraussetzung, um eine weise Entscheidung treffen zu können, ein ruhiger Geist. Wir müssen nicht sofort reagieren. Es gibt immer Zeit, kurz inne zu halten. Gönnen Sie sich öfters eine Mini-Auszeit. Lenken Sie dafür Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem. Zählen Sie bis zu sieben bewussten Atemzügen (wiederholen, wenn nötig). Schon in wenige Minuten werden Sie ruhiger.

FRAGEN AUF DER SUCHE NACH ANTWORTEN

Stellen Sie sich die folgenden Fragen, wenn Sie Ihren Geist beruhigt haben:

  • Was wäre meine “gewohnte” unbewusste Reaktion?
  • Welche Möglichkeiten gäbe es noch?
  • Was wird mir langfristig besser dienen?
  • Welche Möglichkeit stimmt mit meinem moralischen Kompasse überein?
  • Wer will ich sein (statt nur: Was will ich tun)?
  • Welchen kleinen Schritt kann ich jeden Tag tun, um eine neue hilfreiche Gewohnheit zu kultivieren?

Nach der Entscheidung folgt Üben, Üben, Üben. Die häufigen Wiederholungen zählen. Das sagt uns auch die moderne Hirnforschung, die uns die Neuroplastizität in unserem Gehirn aufzeigt. Schon die Veden vor ca. 5.000 Jahren haben gelehrt, wie wir unsere eigene Realität und die unserer Welt co-kreieren, indem wir unsere Gedanken bewusst lenken und neue Gedanken kultivieren.

SCHENKEN SIE SICH MEHR LEICHTIGKEIT IM LEBEN

Die Kunst, weise, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, bring uns Zuversicht, mehr Vertrauen in uns Selbst und damit mehr Entspanntheit und Selbstwirksamkeit. Es ist eine echte Wohltat, wenn wir die Weisheit der Veden in unserem Leben umsetzen. Dadurch leben wir in der Resonanz mit den Naturgesetzen, anstatt immer gegen sie anzukämpfen. Das Resultat?

Mehr Leichtigkeit und damit mehr Lebensfreude und innere Zufriedenheit. Es lohnt sich!

Fotos: iStock, Unsplash / Katherine Hanlon, Shanthi Raja

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