Das SINNterview: In Balance mit Ayurveda
Ayurveda geht mit ganzheitlichem Ansatz kompromisslos auf den einzelnen ein – und ist seit Jahrtausenden erfolgreich. Warum nur? Ein Gespräch mit Carina Preuß vom Ayurveda Parkschlösschen in Traben-Trarbach.
Interview Hans Christian Meiser
Carina Preuß ist Geschäftsführerin des Ayurveda Parkschlösschens. Die altindische Lehre ist für sie ein Mittel, körperlich, geistig und seelisch gesund zu bleiben.
Ayurveda, die älteste Gesundheitslehre der Welt, wird in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch zu den „Alternativen Heilmethoden“ gezählt. Was muss geschehen, damit das „Wissen vom Leben“, was Ayurveda übersetzt bedeutet, auf einer Ebene mit der westlichen Schulmedizin gesehen wird?
Ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft, der erfreulicherweise schon begonnen hat. Immer mehr Menschen realisieren, dass sie selbst ihre Gesundheit in die Hand nehmen müssen, wenn sie ein langes, zufriedenes und energiereiches Leben führen möchten. Die Schulmedizin ist Spezialist, was moderne Diagnostik, Operationen oder Notfallmedizin anbelangt.
Ayurveda wiederum ist das ideale Gesundheitskonzept, wenn es darum geht, zu verstehen, wie man die Gesundheit seines Organismus und seines Geistes aufrecht erhalten kann, so dass gravierende Krankheiten erst gar nicht entstehen.
Dass beide Medizinsysteme Hand in Hand arbeiten ist mein Wunsch für die Zukunft.
Was macht die ayurvedische Diagnose so besonders?
Der Ayurveda betrachtet den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit und wendet ein komplett anderes System an, um ihn zu verstehen und zu therapieren. Die individuelle Natur der Person selbst steht im Vordergrund und diese gilt es zu beleuchten, nicht nur ein einzelnes Symptom. Es wird geschaut, inwiefern der Lebensstil der letzten Jahre nicht mit dem persönlichen Urnaturell übereinstimmte, denn meistens liegt darin die Ursache für leichte Ungleichgewichte bis hin zu chronischen Krankheiten.
So individuell und umfassend das ayurvedische Pulslesen ist, so individuell und umfassend sieht dann auch der Therapieplan aus. Er beinhaltet neben Naturpräparaten primär auch Lebensstilanpassungen (Ernährung, Bewegung, Stressmanagement, Entspannungstechniken, Schlafgewohnheiten, Tagesrhythmik, etc.), so dass der Organismus wieder zurück in sein ideales Gleichgewicht findet.
Patientenedukation und Eigenverantwortung wird im Ayurveda also sehr großgeschrieben und trägt maßgeblich zum Erfolg der Behandlung bei.
Und welche sind die Highlights der ayurvedischen Behandlungsmethoden?
DAS Highlight der ayurvedischen Behandlungsmethoden ist sicherlich die Panchakarma Kur, die wir in unserem Familienunternehmen Ayurveda Parkschlösschen in Traben-Trarbach seit nun fast 30 Jahren mit Gästen aus der gesamten Welt durchführen. Die Panchakarma-Kur ist im Ayurveda die umfassendste und tiefgreifendste Reinigungskur.
Das zweite Feld, in dem Ayurveda gegenüber anderen Medizinsystemen hervorsticht, sind seine seit Jahrtausenden erprobten Detox-Verfahren. Ähnlich wie bei einem ausführlichen Frühjahrsputz inklusive Entrümpelung zu Hause, gibt eine von Ayurveda-Medizinern begleitete, meist mehrwöchige Panchakarma-Kur dem Körper und dem Geist die Möglichkeit eines Resets.
Im Unterschied zur westlichen Anschauungsweise, WIE der Mensch ist, berücksichtigt Ayurveda auch WAS er ist. Was kann hierdurch erreicht werden?
Das Verständnis, dass der Mensch primär Seele ist, dem Körper und Geist für die Spanne eines Lebens umgelegt werden, hilft sowohl den Ayurveda-Medizinern als auch den Ayurveda-Psychologen, das Big Picture zu sehen und die Person, die vor ihnen sitzt, mitsamt all ihren mentalen, lebensgeschichtlichen und energetischen Komponenten zu erfassen. Dies ist ein Teil der ganzheitlichen Betrachtungsweise, von der ich vorhin sprach.
In Ihren Augen ist Ayurveda nicht nur die indische Gesundheitslehrte, sondern auch ein Programm für einen gesunden Lifestyle, der dem heutigen Menschen guttäte. Welche Besonderheiten gibt es da?
Individualität bedeutet, dass es niemanden auf der Welt gibt, der genauso ist wie man selbst. Im Ayurveda heißt es seit Jahrtausenden, dass es demnach auch einen ganz individuellen Lifestyle braucht, um dieses einzigartige Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele dieser Person optimal zu unterstützen. Diese Herangehensweise ist nicht nur das Besondere daran, sondern auch das, was Ayurveda so wirkungsvoll macht.
Zu einem gesunden Leben gehört auch und in erster Linie eine gesunde Ernährung. Wie unterscheidet sich die ayurvedische von der unsrigen? Oder ist durch die verstärkte Nachfrage nach vegetarischer bzw. veganer Kost schon der Weg für Ayurveda etwas verkürzt worden?
Ayurvedische Ernährung ist keine Diät, arbeitet nicht mit Verboten, ist nicht generell vegan, vegetarisch oder fleischlastig und auch nicht nur indisch. Ayurvedische Ernährung bedeutet primär, seinen eigenen Organismus, die eigenen körperlichen Bedürfnisse und seine Verdauungsleistung gut zu verstehen und dann im zweiten Schritt die Speisen auszuwählen, die das innere Gleichgewicht und demnach auch die maximale Lebensenergie und Gesundheit bestmöglich aufrechterhalten.
Im Ayurveda kann also jedes Nahrungsmittel der Welt eingesetzt werden, es kommt darauf an, was passt gerade zu demjenigen, der es isst. Und natürlich auch, was mag die Person, denn auch Genuss wird im Ayurveda großgeschrieben – Genuss, der auch noch guttut.
Um ayurvedisch zu leben, bedarf es dessen, wovon der moderne Mensch am wenigsten hat: Zeit. Wie kann man trotzdem diesen Spagat schaffen?
Es bedarf gar nicht viel extra Zeit, sich gut um sich zu kümmern. Im Alltag ist es oft nur etwas „anders“ und bedarf vielleicht etwas mehr Aufwand. Dafür ist das Ergebnis eine große Bereicherung: bessere Leistungsfähigkeit, mehr Klarheit und Konzentrationsfähigkeit, mehr Energie, weniger Krankheitstage usw. Die Frage ist doch: Möchte ich jeden Tag etwas Gutes für mich tun und die positiven Früchte davon heute sowie im hohen Alter ernten, oder möchte ich mich spätestens ab dem Rentenalter müde durch die letzten Jahre schleppen und viel Zeit für Krankheiten aufbringen? Was klingt verlockender?
Detox, Reinigung, Regeneration, Wohlergehen, neue Lebensenergie und eine anhaltende Gesundheit stehen im Mittelpunkt der Anwendungen des Ayurveda Parkschlösschens. Nach einer solchen Kur geht man leichter, lebendiger und mit heiterer Seele in das gewohnte Leben zurück. Hier freilich lauert die Gefahr eines Rückfalls in alte Gewohnheiten. Was hilft, einen solchen zu vermeiden?
Unsere Gäste lernen viel von uns vor Ort, aber wichtig ist, sich keinen Stress mit neuen Vorhaben zu machen. Lieber ein, zwei Dinge im Lebensstil umstellen und erst dann peu à peu über die Jahre zu einem gesünderen Lebensstil finden. Das bessere Lebensgefühl, das sich dabei einstellt, ist enorm hilfreich, um immer wieder zurück zu gesunden Routinen zu finden. Die eigene Motivation wächst spätestens nach ihrem nächsten Aufenthalt bei uns im Jahr darauf. Man darf also entspannt bleiben und sollte sich nicht zusätzlich unter Druck setzen. Das ist auch nicht gesund.
Die Kunst von Ayurveda besteht in der Hauptsache darin, den Menschen wieder in sein ursprüngliches Gleichgewicht zu versetzen, denn wer krank ist, ist aus der Mitte gefallen. Burn-Out Krankheiten sind ein gutes Beispiel hierfür. Wie kann es gelingen, diese Mitte nicht mehr verlassen zu wollen resp. zu müssen? Haben wir genügend Einsicht hierfür, oder sind die Verlockungen des Lebens nicht manches Mal doch zu groß, weshalb wir wieder in die schon überwunden geglaubten Gewohnheiten zurückfallen?
Absolut, das sind sie. Aber nur zunächst. Denn was macht die Menschen glücklicher? Ein „noch mehr“ im Karriere-Erfolg? Oder ist es nicht eigentlich auch Erfolg, wenn ich es schaffe, die mir so wichtigen Freiräume zu geben, auch mal einfach nur zu sein? Noch eine schnelle Mahlzeit vom ungesunden Restaurant nebenan während des Zoom Meetings am Schreibtisch? Oder sich am nächsten Morgen gut fühlen, eine gute Verdauung haben und sich an seiner eigenen Energie erfreuen, weil man sich 30 Minuten Zeit genommen hat, um sich etwas Frisches, Gesundes und Vollwertiges zu kochen? Klingt das nicht gut?
Ich könnte noch unendlich viele solcher Beispiele bringen. Die Erfahrung zeigt, dass die Menschen irgendwann zu reflektieren beginnen, was sie wirklich glücklich und zufrieden macht. Oftmals ist ein bevorstehender oder durchlebter Burn-Out die Initialzündung, dies alles für sich einmal zu durchleuchten und die Prioritäten im Leben anders zu setzen.
Schade, dass es soweit kommen muss, aber toll, wenn es zum Bewusstseinswandel beiträgt. Denn wie eingangs gesagt, den braucht es. Das ist auch der Grund, weshalb bereits die alten vedischen Weisheiten sagten, dass hinter jedem Leid, auch dem körperlichen, Avidya steckt. Die Unwissenheit – anders gesagt die Unbewusstheit.
Stress ist letztlich die Primärursache von mehr oder weniger allen Krankheiten, so sie nicht genetisch bedingt sind. Kann man durch eine ayurvedische Einstellung den negativen Stress vermeiden lernen?
Auf jeden Fall. Im Ayurveda geht es immer um die Balance. Ayurveda kennt viele Tools, besser mit Stress umzugehen. Aber auch hier liegt die Verantwortung wieder bei einem selbst: a) Wie gut kümmere ich mich um mich selbst, um resilienter zu sein und b)wie sehr lasse ich positiven oder auch negativen Stress meinen Alltag bestimmen. Wie wir leben, liegt in unseren Händen. Wir haben viel öfter die Wahl als wir manchmal denken.
Als Geschäftsführerin des von Ihrem Vater gegründeten Ayurveda Parkschlösschens in Traben Trarbach sind sie von Weinbergen mit Hektolitern an Moselwein umgeben. Manche Menschen betrachten das Trinken desselben ebenfalls als Gesundheitskur. Wie kann man es bei Ihnen aushalten und gleichzeitig auf diesen weltlichen Genuss verzichten?
Während der Ayurveda Kuren braucht es eine Alkoholkarenz, in der Tat. Und jeder, der solch eine Kur gemacht hat, hält sich für den Rundumeffekt gerne für ein paar Wochen zurück. Es lohn sich einfach.
Frau Preuß, wir bedanken uns für dieses Gespräch und hoffen mit Buddha, dass alle Menschen glücklich werden. Dafür empfehlen wir einen Besuch des Buddha-Museums von Traben Trarbach, das ebenfalls von Ihrem Vater gegründet wurde und das heute eine Brücke zwischen Europa und Asien schlägt, die ihresgleichen sucht.
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