Frau in pinken High Heels trägt Socken mit Aufschrift "Girls rule".

MUT ZUR WEIBLICHKEIT

Lange Zeit galt Weiblichkeit als Schwäche und Nachteil. Jetzt kehrt sie mit Macht zurück, auch an den Arbeitsplatz. Gedanken zu einem Umbruch, der uns alle betrifft.

Text Nadine Geigle

Schwarz-Weiß-Bild von Nadine Geigle.

Nadine Geigle ist seit über 20 Jahren als Event-Managerin, Marketing- und PR-Beraterin und Medien-Designerin tätig. Neben der visuellen Kommunikation legt sie großen Wert auf eine effektive und überzeugende Markenführung.

Frau-sein hat heutzutage mehr Facetten denn je in der Geschichte. Das betrifft nicht nur das Verhältnis zum anderen Geschlecht, sondern auch das der Frauen untereinander: Eine Halle Berry ist genauso weiblich wie eine Julia Klöckner – nur eben völlig anders.

Weiblicher denn je sind auch unsere Stärken als Frau. In meinem eigenen Bild von Weiblichkeit tauchen Prinzipien auf, die da heißen: „Sei echt, sei selbstbewusst, rede nicht zu laut, rede nicht zu leise, sprich nicht zu viel, sei individuell und einzigartig. Sei eine Lady.“
Und ich weiß: Weiblichkeit zu leben bedeutet, die weiblichen Stärken anzuerkennen und sie weder zu verhindern noch zu verstecken.

DIVERSITÄT IST ENDLICH „IN“

In meinem Berufsleben habe ich mit vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen (Kunst, Sport, Politik) gearbeitet, mit Frauen und Männern gleichermaßen. Ich liebe die Diversität, die mein Job mit sich bringt. Dabei war mein eigenes Frauenleben zunächst einmal sehr im männlichen Prinzip verhaftet. Ich arbeitete viel, hörte wenig auf meine innere Stimme, vertraute mehr dem Kopf und kontrollierte das Geschehen, anstatt darauf zu vertrauen, dass alles seinen Sinn hat und im richtigen Moment passiert. Ich hatte nur männliche Vorbilder und kannte es nicht anders. Perfektionistisch opferte ich mich für jeden Job auf.

Glücklicherweise zeigte mir mein Körper sehr früh und sehr deutlich gezeigt, dass auch „Selbstliebe“ gelernt sein will. Lange Zeit war es mir nicht möglich, Weiblichkeit, so wie ich sie heute verstehe, auszuleben, einerseits weil die Geschäftswelt fast nur rein männlich geprägt ist, und andererseits, weil es (noch) keine Frauen gab, die ihre Weiblichkeit im Beruf stolz präsentiert hätten.

  • Frau mit Motorradhelm und Top mit der Aufschrift "Feministe pour toujours".
  • Frau auf Demonstration hält Schild mit Aufschrift "Women" in die Luft.

WANN IST ANGELA MERKEL EINE FRAU?

Also fragte ich mich, wann wir denn endlich aufhören, uns im Beruf als Mann zu verkleiden, um angenommen zu werden. Warum glauben wir immer noch, dass wir unsere Weiblichkeit im Business in Hosenanzüge hüllen müssen, um davon abzulenken, dass wir weiblich und schön sind.

Angela Merkel ist hierfür ein gutes Beispiel. Das einzige Mal, dass man sie in den letzten 20 Jahren in einem Kleid sah, war bei den Bayreuther Festspielen. Weiter fragte ich mich, warum wir überhaupt versuchen, so oft davon abzulenken weiblich zu sein, anstatt unsere Weiblichkeit als Geschenk anzuerkennen und mit weiblicher Cleverness zu punkten.

Wann, so wollte ich wissen, werden wir aufhören, in ständiger Angst zu leben, dass zu viel Weiblichkeit nicht emanzipiert ist und zu viel Erfolg nicht weiblich? Und warum glauben wir immer noch, etwas „beweisen“ zu müssen?

Die Antworten hierauf sind zahlreich und sprengen die gebotene Kürze dieses Beitrags, aber so viel sei gesagt: Die Misere beginnt schon in der elterlichen Erziehung und pflanzt sich über die Schule und die Ausbildung bis ins Berufsleben fort. Sie hat soziokulturelle Gründe und ist fast überall auf der Welt anzutreffen. Die Emanzipationsbewegung hat zwar mit vielen Vorurteilen Schluss gemacht, doch in den letzten Jahren ist eine Rückkehr zu alten „Werten“ zu beobachten.

Doch wenn wir diese loslassen und uns hingeben, sinnlich und leidenschaftlich sind, fühlen, vertrauen, intuitiv leben, annehmen, integrieren, vergeben, schwach und stark sind, geschehen lassen, warten können und die Innenwelt nicht ausklammern, dann finden wir unsere Stärken und sollten diese mutig leben.

MULTITASKING IST „OUT“

Die Rolle der Frau hat sich über die Jahrhunderte hinweg weltweit an die Kriterien der westlichen Gesellschaftlich angepasst, mit dem Höhepunkt, dass die Rolle der klassischen Multitasking-Frau, die Familie und Karriere unter einen Hut bringt, als erstrebenswert gilt. Hinzu kommt die Selbstverpflichtung zur Selbstoptimierung, die nicht akzeptiert, wenn wir nicht durchtrainiert, übergewichtig sind oder uns schlecht ernähren.

Natürlich sind viele Freiheiten, die Frauen heute haben, großartig. Aber sie implizieren auch, dass wir selbst daran schuld sind, wenn unser Leben einmal nicht so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben. Die Schuld daran, so wird uns auch durch soziale Medien suggeriert, liegt ganz allein bei uns, und nicht z.B. etwa an einer verfehlten Familienpolitik.

Angela Merkel bei den Bayreuther Festspielen.

NICHT TUN, SONDERN SEIN

Menschen haben das Bedürfnis nach Ritualen. Wir sehnen uns nach etwas, das uns vorschreibt, wie wir zu leben haben. Frauen können hier vorbildlich sein, denn die meisten verfügen über besondere Kraft und Stärke in sich, über eine sehr alte und intuitive Weisheit, mit der sie große innere Ruhe ausstrahlen, können, die auf alles erdend wirkt. Würden sich mehr Männer diesem Denken anschließen, würden sie oft weniger „abheben“ und könnten gelassen das Beste für alle erwirken.

Es geht dabei nicht um das Tun, sondern um das Sein. Angesichts der vielen Möglichkeiten, die wir heute im Leben haben, kann die Überforderung leicht zur Norm werden. Deshalb ist es not-wendig, sie wieder mit den natürlichen Grundlagen, mit der Natur an sich, mit dem Mann- und Frausein zu beschäftigten, damit wir nicht jeden Tag gegen uns selber antreten. Dabei ist das Wichtigste, wie wir uns selbst mental behandeln. Nehmen wir geistiges Fast Food zu uns oder ernähren wir unsere Zellen vegan?

Was auch immer wir als Frauen tun, unsere Weiblichkeit sollten wir genauso wenig vernachlässigen wie die Männer ihre Männlichkeit. Schließlich ist unsere Welt aus der Gegensätzlichkeit entstanden – das Prinzip des Lebens schlechthin. Mut zur Weiblichkeit heißt also immer auch Verständnis für die Männlichkeit – und umgekehrt.

Wer dies verstanden hat, wird, kann das leben, was für alle das Wichtigste ist: Freude und Liebe.

Fotos: AFP/GettyImages / Christof Stache, iStock, Unsplash / Cowomen, Greg Kantra; Portrait Nadine Geigle: © Christian Barz

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