verschiedene Kugeln vor einem schwarzen Hintergrund

„PURPOSE“ METAMODERN GEDACHT

Können sich vormoderne Metaphysik, moderne Sinnleere und postmoderne Vielfalt mit fröhlicher Wissenschaft zu neuen Sinnperspektiven verbünden?

Hier erfahren Sie mehr über

  • Sinnfragen
  • Ohne-Sinn
  • Alte und neue Antworten

Text MAIK HOSANG

Dr. Maik Hosang

Dr. Maik Hosang ist Philosoph, Sozialökologe und Waldgärtner. Er lehrt Studierenden Ästhetik und Kreativität, erforscht menschliche Transformationspotenziale und schreibt Bücher wie „Die emotionale Matrix“.

DIE SINNFRAGE: SINN ODER OHNE-SINN

Ausgehend von den allgemeinen Charakteristiken eines möglicherweise gerade entstehenden metamodernen Zeitalters (mehr dazu siehe: www.cocre.eu) betrachten wir heute, welche neuen Perspektiven dies für die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz – allgemein wie auch jeweils sehr individuell – eröffnen könnte.
Im Hinterkopf haben wir dabei zwei der vielleicht prägnantesten modernen Äußerungen zum Thema „Sinn”: Friedrich Nietzsches Zarathustra in den Mund gelegtes Klagen vom „Großen Ohne-Sinn” der massenhaft modern nur um die eigenen kleinen Alltagsbedürfnisse kreisenden Sorgen und Lebensweisen.
Und Viktor Frankls These eines letztlich allen Menschen eigenen starken, existenziellen Grundbedürfnisses nach Sinn – ohne dessen Erfüllung uns moderne Menschen diverse Neurosen (und Folgeerkrankungen) plagen.

ANTWORTEN AUF DIE SINNFRAGE

Des Weiteren haben wir im Hinterkopf, dass die modernen und nachfolgend postmodernen Ablehnungen von allgemein akzeptierten Antworten auf die Sinnfrage letztlich Reaktionen darauf waren, dass vormoderne Kulturen diese meist religiös umkleideten Antworten stets mehr oder weniger vermachteten und dogmatisierten.

Die am Übergang von der Vormoderne zur Moderne von Immanuel Kant vorgeschlagene Lösung für dieses vormodern-modern-postmoderne Dilemma bestand darin, auf scheinbar endgültige metaphysische – also nicht naturwissenschaftlich nachprüfbare – Antworten auf die Sinnfrage zu verzichten. D.h. Gott, Allah und Buddha, Himmel und Hölle, oder auch das Wahre, Gute und Schöne als wissenschaftlich nicht überprüfbare und damit auch nicht kulturell verbindlich machbare Kategorien zu betrachten.
Dennoch vermied Kant es, die für menschliche Existenz vielleicht wichtige Qualität dieser metaphysischen Dimensionen ganz zu verleugnen. Sondern erkannte an, dass von ihnen durchaus wichtige Befreiungs- und Sinnwirkung für Individuen ausgehen können. Vielleicht mit einem humorvollen Augenzwinkern rechtfertigte Kant diese doppeldeutige Lösung durch seine Unterscheidung von theoretischer und praktischer Vernunft.

Doch offenbar war diese widersprüchliche Lösung, die Kant vorschlug, nicht optimal – denn genau das verdeutlichen die eingangs erwähnten Klagen Nietzsches über den modernen „Großen Ohne-Sinn” und die Erkenntnisse Frankls über die von diesem Ohne-Sinn verursachten vielfältigen Neurosen moderner (und postmoderner) Menschen.

  • Schwarze Kugeln sind wie Atome miteinander verbunden
  • Ein rotes Herz auf blauem Hintergrund

DIE SINNFRAGE IN DER METAMODERNE

Wenn wir Kants Vorschlag aber nicht in seinen Konkretionen, sondern nur in seiner heiteren Gleichzeitigkeit von scheinbar gegensätzlichen Antworten folgen, gelangen wir in einen Denk-, Gefühls- und vielleicht sogar Handlungsmodus, der weiter, der über das moderne und postmoderne Sinnlos-Dilemma hinausführen könnte: in die sogenannte Metamoderne.
Deren neue Qualität besteht unter anderem in der spielerischen Freude des Pendelns oder gar Oszillierens zwischen gegensätzlichen Antworten.
Aber auch darin, den absoluten Wissenschaftsanspruch der Moderne (den bereits Georg Friedrich Wilhelm Hegel zerpflückte durch den Satz „Wissenschaft ist die moderne Kirche”) mit deren postmodern-konstruktivistischen Gegenargumenten nicht nur zu relativieren, sondern auf neuer, größerer, metaphysischer Ebene erstmals auch zuzulassen.

Dadurch wird es zum einen möglich, die alten, vormodernen Sinn-Lösungen durch “Buddha”, “Allah”, “Gott” etc. nicht einfach als unwissenschaftlich abzutun und wegzuwerfen, sondern mit durchaus wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen, inwiefern diese ihrerzeit und für viele Menschen noch heute oftmals besser vor diversen Neurosen (und deren Folgeerkrankungen) schützen, als die heute immer weiter um sich greifenden Psychotherapien.

Zum anderen wird es möglich, diese in vormodernen Zeiten mangels interkultureller Vergleiche und mangels wissenschaftlich-technischer Möglichkeiten oftmals etwas dogmatisierten Sinnantworten mit globaler und modernster menschlicher und künstlicher Intelligenz Tabu-frei zu diskutieren und mit neuen Begriffen weiterzudenken.

Buntes Bild mit verschiedenen Motiven

ALTE UND NEUE ANTWORTEN

Vorschläge dafür sind bereits zahlreich im Raum: ob Albert Einsteins Suche nach dem „vereinheitlichten Feld”, ob die teilweise mystisch anmutenden „Quantenfeldtheorien“ der modernsten Physik, ob das diese physikalischen Theorien sehr interdisziplinär weiterdenkende „Nullpunktfeld”-Buch der hervorragenden Wissenschaftsjournalistin Lynne McTaggart, oder die schon vor ca. 150 Jahren noch mutigeren Denkversuche des seinerzeit einflussreichsten Philosophen – Rudolf Hermann Lotze -, der in seinen Werken „Mikrokosmos” und „Makrokosmos” vorschlug, den Grund und Sinn des Seins letztlich als „kreative Liebe” zu verstehen und zu erforschen.

All diese und weitere Vorschläge für alte und neue Antworten auf die Sinnfrage ließen sich in metamodern-wissenschaftlich-metaphysischen Forschungs- und Diskursformen spielerisch ernsthaft miteinander vergleichen.
Und vielleicht sogar teilweise experimentell dahingehend erforschen, welche der vermutlich in sich widersprüchlich bleibenden Antworten die besten, kreativsten und in Sinne von Nietzsches „fröhlicher Wissenschaft” auch freudvoll-lebendigsten Wirkungen für menschliche Gesundheit und irdisch-nachhaltige Zukunft zeitigen.

Fotos: Unsplash / Resource Database, Raimond Klavins, Jr Korpa

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