Fünf Designtrends für eine bessere Welt
Unsere Welt verändert sich schneller und stärker als je zuvor. Design kann zu diesem Transformationsprozess nachhaltig beitragen und viele Lebensbereiche positiv beeinflussen. Eine Übersicht über fünf wichtige Trends.
Hier erfahren Sie mehr über
- Nachhaltiges Design
- Recycelbare Materialien
- Zukunftsfähige Architektur
Text Antoinette Schmelter-Kaiser
Antoinette Schmelter-Kaiser ist freie Autorin. Für PURPOSE schreibt sie jeden Monat über Themen mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. Wichtige Impulse bekommt sie durch ihre Tochter, die in London Bio Integrated Design studiert.
Einerseits gut gestalten, andererseits auf eine globalisierte, hypervernetzte Welt reagieren, die wie nie zuvor tiefgreifende Veränderungen, Krisen und Innovationen prägen: Diesen Spagat gilt es für Designer heute zu bewältigen.
„Wir müssen uns fragen: Welche Rolle spielt das Design bei der Gestaltung unserer Zukunft?“, meint Uwe Cremering, CEO der iF International Forum Design GmbH.
Um herauszufinden, wie Design viele Lebensbereiche zum Besseren beeinflussen kann, hat iF in Zusammenarbeit mit The Future:Project zum dritten Mal in Folge den iF Design Trend Report erstellt: Er bietet einen ganzheitlichen Blick auf disziplinübergreifende Designströmungen und setzen sie in Beziehung zu wichtigen technologischen und gesellschaftlichen Trends.
In einem mehrstufigen Forschungsprozess wurde eine fundierte Analyse durchgeführt, die Expertenperspektiven und Erkenntnisse aus dem iF DESIGN AWARD kombiniert – eine enorme Bandbreite als Spiegel, wie sich die Designwelt entwickelt und Design die Welt mitgestalten kann.
1. Conscious Economy
Lange Zeit zählte in der Arbeitswelt vor allem Leistung. Doch die Bedürfnisse von Arbeitskräften verändern sich. Sie sehen ihren Arbeitsplatz zunehmend als integralen Bestandteil ihrer persönlichen Entwicklung und fordern Arbeitsbedingungen und -umgebungen, die nachhaltig mit einem gesunden Lebensstil vereinbar sind.
Durch Künstliche Intelligenz entstehen leistungsfähige Tools, die Aufgaben erleichtern oder überflüssig machen; Designern eröffnet KI ungeahnte Möglichkeiten beim Entwerfen von Prototypen und Varianten. Das alles gibt Gelegenheit, Arbeitsumfelder, Abläufe sowie Organisationsstrukturen gesünder, nachhaltiger, kreativer und kooperativer umzugestalten.
Büros wie die von Unilever in Istanbul unterstützen hybride Arbeitsmodelle und Flexibilität; ihre lichte Wohlfühlatmosphäre lädt zum lockeren Austausch mit Kolleginnen und Kollegen bei. Im Headquarter der Kryptowährungsbörse Paribu sorgen viele Grünpflanzen für Aufenthaltsqualität. Glaswände erlauben Einblick in separate Räume, ermöglichen dort aber trotzdem vertrauliche Gespräche.
Auf diese Weise gestaltete Arbeitsplätze verbessern das psychische und soziale Wohlbefinden der Mitarbeiter. Unternehmen profitieren durch mehr Zufriedenheit, Motivation und Produktivität der Beschäftigten.
2. Co-Society
Weg von einer Gesellschaft aus lauter Einzelkämpfern oder polarisierenden Gruppen, hin zu mehr Miteinander – Design kann bewusst neue Formen der Solidarität fördern und den Weg für eine fortschrittliche „Wir“-Kultur ebnen. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei und das Verkennen der Pluralität unserer Gesellschaft, sondern um das Schaffen von Gelegenheiten für Begegnungen, Information sowie Austausch auf Augenhöhe.
Inklusives Design macht Produkte, Dienstleistungen und Räume für alle zugänglich, indem soziale, funktionale und physische Hindernisse beseitigt werden. Beispiele sind die Entwicklung von unvoreingenommenen Algorithmen, barrierefreien öffentlichen Wegen und Services, Mode speziell für Behinderte oder modularen Möbeln, die bis ins hohe Alter begleiten.
Verbindende Möglichkeiten zum Brückenbauen bieten sogenannte Dritte Orte: öffentliche Treffpunkte, die Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund als eine neue Art der Agora zusammenbringen und eine analoge Alternative zu virtuellen Welten sind. Ihr Spektrum reicht von Repair Cafés über explizit einladend gestaltete Bibliotheken, Parks und Plätze bis hin zu Großveranstaltungen wie einer Fußball-EM oder -WM, die mittlerweile mit ausgedehnten Fan Zonen, Events und Ausstellungen zusätzlich zu den Spielen punkten.
Solche Orte machen das Leben für den Einzelnen lebenswerter und geben der Gesellschaft mehr sozialen Zusammenhalt.
3. Mindshift Revolution
Informationen finden oder sie verbreiten: Dank Internet und Social Media klappt das so unkompliziert und schnell wie nie zuvor. Diese demokratisierten Möglichkeiten gewähren Einblick in breitgefächerte Lebensrealitäten, -formen und Weltanschauungen, die allesamt parallel existieren. Durch diesen Pluralismus werden Machtverhältnisse, Werte, Normen und Regeln in Frage gestellt und ideologische Veränderungsprozesse angestoßen.
Das verläuft nicht ohne Reibungen, Debatten und manchmal schmerzhafte Auseinandersetzungen, wenn konservative Standpunkte auf progressive Perspektiven treffen. Etablierte Marken müssen in diesem Zusammenhang ihr Image überdenken, sich neu positionieren und auch für soziale, politische oder ökologische Werte und Normen eintreten.
Designer stehen vor der Notwendigkeit, neue Weltsichten und Wertvorstellungen in ihre Design- und Markenstrategien zu integrieren und die Bedürfnisse vielfältiger Nutzergruppen zu berücksichtigen – oder zurückgenommen-neutral zu gestalten, zum Beispiel das erste Geschäft der japanischen Marke NOUSAKU in Taiwan als puristischen Raum mit wenigen, ausgewählten Produkten oder minimalistische Stühle namens OTO aus 100 Prozent recyceltem Plastik.
4. Glocalization
Mehr Wohlstand, Gesundheit und Bildung, ähnlichere Lebensbedingungen, leichterer Austausch: Das waren die Versprechen der Globalisierung seit den 1980er Jahren. Doch nicht alle Hoffnungen haben sich erfüllt. Die Schattenseiten zeigen sich mit Abhängigkeiten, Risiken, politischen, Umwelt- und Klima-Krisen.
Gegenreaktion ist eine Rückbesinnung auf lokale Werte, traditionelles Wissen und Handwerk. Und das nicht gestrig-reaktionär, sondern als Mix, der Bewährtes ebenso weltoffen wie bewusst mit Neuem kombiniert.
In der Architektur zeigt sich dies mit einem Mix, der moderne Bauweise mit lokalen Bautechniken und traditioneller Fertigung verbindet, zum Beispiel bei einem 250 Jahre alten Bauernhaus im Allgäu, das zu einem Kreativ- und Workation-Ort für eine Agentur umgewandelt wurde: Wo immer machbar, blieben Strukturen und Materialien wie viel Holz erhalten, gleichzeitig wurden innovative Funktionalitäten und Annehmlichkeiten hinzugefügt. Die Integration lokaler sowie globaler Einflüsse ermöglicht es Designern, tradierte Kultur zu bewahren, aber gleichzeitig Lösungen zu entwickeln, die eine vielfältige Welt widerspiegeln.
5. Eco Transition
Alternative Materialien verwenden, umweltbewusst produzieren, Recyclingfähigkeit einplanen: Diese Forderungen müssen Firmen vermehrt erfüllen. Denn angesichts von Klimawandel und Ressourcenknappheit gelten für sie immer strengere Regularien. Ziel ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und größtmögliche Dekarbonisierung.
Dank der Bemühungen von Pionieren und frühen Innovatoren gibt es mittlerweile eine Vielzahl umweltfreundlicher Materialien, Lösungen und Produkte.
Beim Designprozess wird immer häufiger ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, bei dem Langlebigkeit, einfache Demontage für das Recycling und die Verwendung von erneuerbaren, umweltfreundlichen; Materialien berücksichtigt werden. So entstehen vegane Lederalternativen wie TeaChic aus gemahlenen Teeblättern, Textilien aus Ananasblätter-Fasern, kompostierbare Kaffeekapseln und stylishe Laufräder mit Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.
Noch weiter geht Biodesign, das lebende Organismen wie Pilze, Bakterien oder Algen als Basismaterial verwendet – ein Ansatz, der nicht anthropozentrisch, also vom Menschen ausgehend, sondern biozentrisch ist.
Auch in Architektur und Stadtplanung erfordern Klimawandel und Rohstoffknappheit eine Neuausrichtung des Designs: Funktionale und ästhetische Anforderungen werden um ökologische und adaptive Anforderungen erweitert. Der Vorteil solcher Entwicklungen: Mehr Bäume rund um Gebäude kühlen die Umgebung, reinigen die Luft, schützen vor Lärm, fördern Biodiversität und binden große Mengen Kohlenstoff. (siehe auch Green Buildings)
Letzteres gilt auch für Holz als Baumaterial, dass auch die Raumluft verbessert und antibakterielle Eigenschaften hat.
Mehr als Funktionserfüllung
Für viele Unternehmen hat kurzfristige Rentabilität zwar noch Vorrang vor wahrhaft nachhaltigem Handeln. Aber immer mehr Designern ist es wichtig, dass ihre Entwürfe oder Konzepte nicht nur eine Funktion erfüllen, sondern einem ganzheitlichen Ansatz verfolgen und kreislauffähiger, umweltverträglicher, langlebiger, sinnvoller, humaner und somit ein wertvoller Beitrag für die Zukunft unserer Welt sind – eine vielversprechende Entwicklung.
Fotos: iF DesignTrend Report