Elvira Bach Interview

Das SINNterview: MIT ELVIRA BACH

Im Jahr 2012 führte Hans Christian Meiser ein Interview mit der Malerin Elvira Bach. Durch Zufall traf er sie zehn Jahre später wieder. Die beiden verabredeten sich zu einem Experiment: Sie wollten exakt dasselbe Interview noch einmal führen.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Kunst als guter Freund
  • Authentizität
  • Sich selbst treu bleiben

Interview Hans Christian Meiser

Malerin Elvira Bach

Die international bekannte Malerin Elvira Bach (geb. 1951) war Meisterschülerin von Hann Trier an der Hochschule der Künste in Berlin und zählte in den 1980ern zu den „Jungen Wilden“.

Meiser: Frau Bach, als Vertreterin der „Jungen Wilden“ gehören Sie zu den wenigen bildenden Künstlerinnen, die es in das Bewusstsein der Öffentlichkeit geschafft haben und deren Bilder und Objekte hoch gehandelt werden. Was muss Kunst heute auszeichnen, um im wörtlichsten Sinne „wahr-genommen“ zu werden?

Bach (2012): Ich denke, dass die Kunst – nicht nur heute, sondern schon zu allen Zeiten – den Menschen zwar nicht das Brot, aber der Wein des Lebens war uns ist. „Wahre Kunst“ hinterlässt Spuren, indem sie Menschen berührt, sie innerlich bewegt, sie inspiriert, einen neuen Weg einzuschlagen, sie erstaunt und ihnen hilft, ein Stückchen weiter zu sich selbst zu kommen. Kunst wird vor allem dann wahrgenommen, wenn sie eine eigene Handschrift trägt, unverwechselbar ist und den Menschen etwas spendet. Viele Menschen, die mit Kunst leben, berichten mir, wie sehr Bilder sie wie gute Freund begleiten und sie stärken Das ist „Wahr-nehmung“ im existentiellen Sinne.

Bach (2022): Sie muss authentisch sein.

Meiser: Manche internationalen Künstler erreichen bei Auktionen schwindelerregende Preise. Kritiker dieser Entwicklung sagen, dass all dies nur das Werk gewiefter Galeristen sei, wodurch andere Künstler weniger Chancen hätten. Verhält es sich in der Tat so oder wodurch kommt überhaupt der Preis für ein Kunstwerk zustande?

Bach (2012): Herausragende Kunst erzielt oft auch herausragende Preise; die Aura eines Werkes – das tiefe Berühren durch Kunst und die Geschichte eines Bildes oder einer Skulptur – lässt Menschen Millionen bezahlen. Ein großer Teil großartigerer Künstler repräsentiert aber die andere Seite der Medaille: niedrige Preise. Auch die Kunst ist ein Wirtschaftsbetrieb mit Lobbyisten, die den Marktwert eines Werkes bestimmen. Dadurch entsteht viel Ungerechtigkeit, aber so sind die Realitäten des Lebens. Gewiefte Galeristen mit guten Kontakten zu den Feuilletons überregionaler Zeitschriften lassen die Preise des Kunstmarktes nach oben schnellen … viele tolle Künstler bleiben dabei leider außen vor.

Bach (2022): Ich gehe davon, dass ein Künstler aufgrund seiner Leidenschaft, seines Talents, seiner maximalen Hingabe, Liebe, Disziplin, Konsequenz und seines Könnens erfolgreich ist und wahrgenommen wird und nicht, weil er gerade eine Mode, einen Stil oder den Kunstmarkt bedient. Dass renommierte Galerien dabei eine Rolle spielen und notwendig sind, ist unbestritten. Kunstwerke müssen in Ausstellungen und auf Messen präsent sein. Dadurch können sich für den Künstler Chancen entwickeln. Das ist Aufgabe der Galerien. Gewisse Galerien sind international sehr bekannt, haben einen großen Namen und damit die Macht, das Angebot und den Preis von Kunstwerken unabhängig von der künstlerischen Leistung zu beeinflussen. Im Fall der Ausbeutung dieser Macht wäre die Kritik angemessen.

Meiser: Speziell bei abstrakter Gegenwartskunst schütteln manche Betrachter oft nur den Kopf. „Das kann ich auch“, ist dann oft zu hören. Sie selbst malen seit jeher gegenständlich. Kennen Sie diesen Vorwurf trotzdem?

Bach (2012): Nein, diesen Vorwurf kenne ich nicht, dafür aber andere …

Bach (2022): Nein.

Interview mit der Malerin Elvira Bach

Meiser: Bei der Betrachtung Ihres Werkes fällt auf, dass die meisten Ihrer Bilder das Thema „Weiblichkeit“ zum Inhalt haben. Welches ist der Grund hierfür?

Bach (2012): Ich sage immer „Ich kann nur Frauen malen“, und natürlich kann ich nur von mir „ausgehen“ – von dem, was ich in meiner Identität als Frau erfahre, lebe, mir erträume. Inspiriert hat mich vor allem ganz stark die Mutterschaft. Mutter zu werden, Kindern das Leben zu schenken, hat meinen Blick auf die Welt verändert. Ich möchte die Frauen an die Rampe stellen, ihre Stärke und Verletzlichkeit zeigen. Ihre ungeheure Expressivität, Sinnlichkeit und ihre Fähigkeit, viele Gesichter zu haben.

Bach (2022): Ich gehe in meiner Arbeit von mir als Frau aus. Deshalb male ich Frauen, wie ich sie sehe. Und was ich empfinde, was ich weiß, was ich hoffe und woran ich glaube.

Meiser: Die Darstellung von Männlichkeit oder von „Manns-Bildern“ ist in der Geschichte der Kunst nicht derart ausgeprägt wie ihr Gegenteil. Woran mag das liegen? Ist die Frau an sich vielleicht viel geheimnisvoller und daher eher für Bildwerke geeignet?

Bach (2012): Die Frau war seit jeher in der Geschichte der Menschheit umringt von Mythen. Eva, die Verführerin, dann die Mutter an sich, die Leben gibt und dafür verehrt wird. Oder denken Sie nur an die Venus von Milo, welche die ewige Schönheit und das Licht repräsentiert. Die Frau verkörpert die Erotik, die Sinnlichkeit, das Leben. Doch es gibt auch noch einen ganz einfachen Grund. Die Kunst ist von jeher männerdominiert, und die Männer wenden sich ihren inspirierenden Musen zu.

Kunst von Elvira Bach

Bach (2022): Möglicherweise ist der männliche Blick mehr auf die Frauen gerichtet und früher haben vorwiegend männliche Künstler ausgestellt. Das hat sich stark verändert. Kunst von Frauen wird wahrgenommen.

Meiser: Bei der Betrachtung Ihres Werkes fällt auf, dass die Frauengestalten sehr stark, fast amazonenhaft wirken. Gibt es hierfür einen tieferen Sinn?

Bach (2012): Einen tieferen Sinn gibt es sicherlich nicht. Meine Frauen sind, wie sie sind. Sie entstehen aus sich selbst heraus; sie sind starke und dennoch fragile Wesen, die um die Zerbrechlichkeit der Dinge wissen. Es sind Frauen, die sich behaupten müssen, es gerne tun, aber dennoch suchend nach Halt sind, ob sie schlussendlich annehmen oder nicht. Auch das Schwach-sein-Können ist eine große Stärke, weil es das Menschliche widerspiegelt: „Lass mich die sein, die ich sein will.“ Menschen wollen stark sein und als kraftvoll empfunden werden, weil nur so das Leben mit seinen Herausforderungen zu meistern ist.

Bach (2022): Meine Arbeit ist dadurch aufgefallen, dass ich die Frau von Anfang an so dargestellt habe, wie ich sie sehe – ohne Alibi. Einfach hier bin ich, von Kopf bis Fuß.

Meiser: „Die Wahrheit ist hässlich; wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zu Grunde gehen“, sagte Nietzsche einmal. Können Sie dem zustimmen oder ist für Sie Kunst nicht viel eher eine Darstellungsform von Wahrheit?

Bach (2012): Die Kunst ist beides. Sie kann tief liegende, auch schmerzhafte Wahrheiten vermitteln und gleichzeitig auch erbauen. Denn Wahrheit befreit auch. Und sie ist zudem in einem ganz einfachen Sinne stärkend, gebend – einfach, indem sie schön ist.

Bach (2022): Für mich persönlich ist meine Kunst die Darstellung meiner eigenen Realität.

Elvira Bach Bilder

Meiser: Adorno wiederum sagte, Kunst sei Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein. Hat er Recht?

Bach (2012): Ja, ich kann hier nur zustimmen. Die Kunst erschafft magische Räume, Fantasien; sie hat eine metaphysische Dimension und darf spielerisch mit den Dingen umgehen. Ob wahr oder unwahr, ob Sein oder Schein – die Kunst muss nicht danach fragen. Darin liegt ihre große Freiheit.

Bach (2022): Was ist Wahrheit?

Meiser: Ihre Werke haben auch durchaus eine spezielle Erotik, allerdings eine, die nicht plump und auf den ersten Blick erkennbar wäre. Zufall oder Absicht?

Bach (2012): Reiner Zufall! Echte Erotik kann nie plump sein; sie ist immer subtil und magisch.

Bach (2022): Ich male für mich.

Meiser: Die deutsche Gegenwartskunst hat viel weniger berühmte Maler und Malerinnen hervorgebracht als z.B. die amerikanische. Liegt das nur am falschen Marketing oder interessiert sich die Welt einfach nicht so sehr dafür, was zwischen München und Berlin auf diesem Gebiet geschieht?

Bach (2012): Das sehe ich nicht so. Wir haben tolle deutsche KünstlerInnen hervorgebracht, die einen exzellenten Ruf genießen und viel beachtet sind.

Bach (2022): Mich persönlich hat die Pop Art damals fasziniert. Von Amerika gingen in vielen Bereichen Trends aus. Nicht nur in der bildenden Kunst. Dadurch gab es in den USA einen zeitlichen Vorsprung. Ich denke, dass sich das heute verändert hat.

Meiser: Früher genossen Künstler, egal ob sie malten oder schrieben, ein weit höheres gesellschaftliches Ansehen als dies heute der Fall ist. Worin sehen Sie den Grund dafür?

Bach (2012): Künstler sind oftmals als Botschafter einer tieferliegenden Wahrheit verstanden worden, Botschafter all dessen, „was die Welt im Innersten zusammenhält.“ Sie waren etwas Besonderes, sind mit einer großen Gabe beschenkt. Das hat ihnen gesellschaftliches Prestige eingebracht. Doch auch heute noch genießen Künstler den Respekt oder zumindest das große Interesse von Menschen. Man schaut auf sie, auf ihre Werke und setzt sich mit ihnen auseinander. Die Kunst ist demokratischer geworden, sie ist mittlerweile vielen Menschen, nicht nur wie früher der Oberschicht, zugänglich. Und der Künstler ist ihr Mittelpunkt.

Bach (2022): Finde ich nicht.

Meiser: Als letzte Frage darf ich Sie nach Ihrem Lieblingsbild fragen bzw. nach dem, dass Ihr Werk am meisten beeinflusst hat.

Bach (2012): Ein spezielles Lieblingsbild habe ich nicht. Zwischen Max Beckmann und der Pop Art wurde etwas in mir ausgelöst, eine Inspiration, die unabhängig von einem bestimmten Bild ist. Etwas wurde geöffnet, und schon ging es los …

Bach (2022): Ich habe kein Lieblingsbild.

Und dann sagt Elvira Bach noch:
„Wenn man sich gefunden hat, muss man bei sich bleiben. Ganz stur bei sich bleiben und sich nicht beeinflussen lassen von Meinungen, Trends, Moden, vom Außen. Ich glaube, dass das eine große Gefahr ist für die Kunst und die, die sie machen.“

Die nächste Ausstellung von Elvira Bach findet im März 2023 in Bad Soden/Ts. (Staatsgalerie im Alten Kurpark, 3.3. – 2.4. 2023, Mi – So 15 –18 Uhr) statt.

Fotos: Elvira Bach, Undine Hradil

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