SINNTERVIEW MIT INNEGRIT VOLKHARDT: HOTELS SIND ORTE DER BEGEGNUNG
Innegrit Volkhardt ist Chefin eines der berühmtesten Hotels der Welt, dem Bayerischen Hof in München. Im SINNterview erzählt sie, warum ein Hotel viel mehr ist als eine „Beherbergungsstätte“.
Hier erfahren Sie mehr über
- Innovative Konzepte
- Leben und leben lassen
- Offenheit und Respekt
Interview Hans Christian Meiser
Innegrit Volkhardt leitet als geschäftsleitende Komplementärin das Hotel „Bayerischer Hof“ in München. Mit vielen Preisen ausgezeichnet führte sie das Haus durch die Pandemie und verstärkt die Verbindung von Tradition und Innovation weiter.
Frau Volkhardt, der Bayerische Hof in München ist seit über 100 Jahren mit dem Namen Ihrer Familie verknüpft und seit einigen Jahrzehnten mit dem Ihren. In dieser Zeit haben Sie es geschafft, das Hotel nicht nur in der Liga der Spitzendomizile zu halten, sondern es auch noch zeitweise zum umsatzstärksten Haus Deutschlands zu machen. Was dürfen Ihre Gäste in naher (und vielleicht auch ferner) Zukunft erwarten?
In den vergangenen Jahrzehnten haben wir uns stets bemüht, die Traditionen und den einzigartigen Charakter dieses Hotels zu bewahren, während wir gleichzeitig innovative Konzepte eingeführt haben, um unseren Gästen unvergleichliche Erlebnisse zu bieten. Auch in naher Zukunft setzen wir auf diese bewährte Strategie. Wir werden weiterhin mit Leidenschaft und Engagement in erstklassige Einrichtungen, außergewöhnliche Kulinarik und exzellenten Service investieren, um sicherzustellen, dass das Hotel Bayerischer Hof seinen Ruf als Spitzenhotel behält. Gleichzeitig werden wir verstärkt auf Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit achten, um unserer Verantwortung gegenüber der Natur gerecht zu werden.
Das Faszinierende an einem Hotel ist ja, dass hier Menschen aus aller Welt, aller Hautfarben und Religionen, jeder politischen Couleur und jeder persönlichen Gesinnung unter einem Dach leben, OHNE einander zu bekämpfen, zu erniedrigen oder zu töten. Warum hat ein Hotel einen friedenstiftenden Einfluss?
Ein Hotel bietet einen neutralen Raum, der Menschen aus verschiedenen Kulturen, Hintergründen und Ansichten zusammenführt und gleichzeitig eine Atmosphäre der Akzeptanz und des Respekts schafft. Ein wichtiger Faktor hierbei ist die gemeinsame Absicht der Gäste, eine angenehme Zeit zu verbringen, sich zu erholen und neue Erfahrungen zu sammeln. Diese gemeinsame Ausgangsbasis fördert Verständnis und Toleranz.
Gäste sind gekommen, um zu genießen und sich zu entspannen, nicht um Konflikte zu suchen. Darüber hinaus spielen auch die Rolle des Gastgebers und das Hotelumfeld eine entscheidende Rolle. Als Gastgeber ist es unsere Pflicht, eine Atmosphäre der Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Professionalität zu schaffen. Diese Werte übertragen sich auf die Gäste und tragen zur Schaffung eines harmonischen Umfelds bei.
Auch die Münchner Sicherheitskonferenz findet seit Jahren im Bayerischen Hof statt. Deren Motto lautet: „Frieden durch Dialog“. Das ist ja genau das, was in einem Hotel möglich ist: Man kommt ohne große Umstände miteinander ins Gespräch. Auch hier hat das Hotel also eine größere Bedeutung als das reine Beherbergen von Gästen. Weshalb ist das so?
Ein Hotel ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs und des Dialogs. Die Räumlichkeiten und öffentlichen Bereiche eines Hotels sind so gestaltet, dass sie zu informellen Treffen einladen und gleichzeitig eine gewisse Privatsphäre bieten. Gäste, die für einen begrenzten Zeitraum im Hotel sind, sind eher motiviert, ihre Zeit effektiv zu nutzen und Kontakte zu knüpfen. Dies führt zu spontanen Gesprächen und Begegnungen, da die Gäste die Gelegenheit nutzen möchten, während ihres Aufenthalts interessante Menschen kennenzulernen.
Ein gutes Hotelmanagement schafft eine Atmosphäre der Offenheit und des Respekts, die Gäste ermutigt, miteinander in Kontakt zu treten. Die Mitarbeiter sind darauf geschult, eine freundliche und unterstützende Umgebung zu schaffen, in der Gäste sich wohl fühlen.
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist ein tolles Beispiel dafür, wie ein Hotel zu einem Ort des Dialogs und der diplomatischen Gespräche werden kann.
Die gemeinsame Nutzung der Hotelräumlichkeiten für eine solch bedeutende Konferenz unterstreicht die vielfältigen Möglichkeiten, die ein Hotel bietet, um Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Standpunkte zusammenzubringen und den Dialog zu fördern.
Es gibt für sämtliche Hotel dieser Erde auch die „Bedrohung“ durch private Vermittler, die Kurzzeitaufenthalte anbieten. Hinzukommen die Probleme auf dem privaten Wohnungsmarkt, auf dem Häuser oder Apartments entweder nicht mehr zu bezahlen oder durch gestiegene Zinsen nicht mehr zu finanzieren sind. Wohnen wird also immer teuer. Könnten hier nicht die Hotels einspringen und Zimmer oder Suiten für ein halbes oder ein Jahr günstig (mit oder ohne Service) zur Verfügung stellen? Das wäre doch ein Win-Win-Geschäft oder denke ich da falsch?
Hotels verfügen über professionelle Infrastrukturen und Serviceangebote, die es ermöglichen, Langzeitaufenthalte anzubieten. Dies könnte für Personen attraktiv sein, die vorübergehend eine Wohnmöglichkeit suchen. Langzeitaufenthalte in Hotels könnten eine flexiblere Alternative zu herkömmlichen Mietverträgen bieten.
Die langfristige Unterbringung von Menschen erfordert möglicherweise Anpassungen an den Hotelzimmern oder -suiten, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen von Langzeitaufenthaltern gerecht werden. Zudem müssten rechtliche und regulatorische Aspekte in Bezug auf Mietvereinbarungen und Langzeitaufenthalte sorgfältig geprüft werden. Auch die Kosten für Langzeitaufenthalte in Hotels könnten ein Faktor sein, den man abwägen muss.
Es gibt ja auch Hotelformen, bei denen die Zimmer und Suiten jeweils irgendeinem Menschen gehören und das Hotel nur als Betreiber und Versorger dient. Solches würde doch ebenfalls dem Win-Win-Gedanken entspringen, da sich die Besitzer um nichts kümmern müssten und die Betreibergesellschaft nie über Leerstand zu klagen hätte. Ein erstrebenswertes Ziel für alle, oder?
Dieses sogenannte „Condo-Hotel-Modell“ kann bestimmte Vorteile bieten. Für die Zimmerbesitzer bedeutet es eine potenzielle Einnahmequelle durch die Vermietung ihrer Einheiten, ohne sich um das Tagesgeschäft des Hotelbetriebs kümmern zu müssen. Es könnte sicherlich als Win-Win-Situation angesehen werden, da sowohl die Zimmerbesitzer als auch das Hotel von dieser Anordnung profitieren könnten. Die Zimmerbesitzer erzielen Einnahmen aus ihren Investitionen, während das Hotel eine kontinuierliche Auslastung und Einnahmen aus den vermieteten Einheiten erhält.
Allerdings gibt es auch einige Überlegungen und potenzielle Herausforderungen im Zusammenhang mit diesem Modell. Die Koordination zwischen den Zimmerbesitzern und dem Hotelmanagement kann komplex sein, insbesondere wenn es um die Vermietung, Wartung und Renovierung der Einheiten geht.
Es könnten auch rechtliche und finanzielle Aspekte zu berücksichtigen sein, um sicherzustellen, dass die Interessen aller Parteien geschützt sind.
Zurück zum Bayerischen Hof. Dieser verfügt über 337 Zimmer, 40 Räume für unterschiedlichste Veranstaltungen, sechs Restaurants, einen Dachgarten, sechs Bars, ein Fitnessstudio, ein Spa, ein Theater, einen Nachtclub und vier weitere öffentliche Bars, ein Kino, diverse Geschäfte etc. etc. Eigentlich ist Ihr Hotel eine Kleinstadt mit kurzen Wegen – genau das, was sich Städteplaner für die Zukunft ausdenken.
Fehlen nur noch Bildungseinrichtungen, aber auch die könnte man gut integrieren. Man würde also Platz sparen, Co2 ebenso, weil man wenig mit dem Auto fahren müsste, einsam würde man auch nie sein etc. etc. – was spricht also dagegen, im Hotel zu wohnen, zumal es ja immer mehr Einpersonenhaushalte gibt?
Die Vielfalt der angebotenen Dienstleistungen, von Restaurants über Fitnessstudios bis hin zu kulturellen Veranstaltungen, könnte ein abwechslungsreiches und bereicherndes Lebensumfeld schaffen. Die soziale Interaktion und Gemeinschaft, die ein solches Hotelumfeld bieten könnte, wäre besonders für Einpersonenhaushalte wertvoll, da es die Möglichkeit bietet, leichter Kontakte zu knüpfen und sich weniger einsam zu fühlen.
Die Integration von Bildungseinrichtungen könnte die Attraktivität des Konzepts weiter steigern, indem es eine umfassende Lebensweise unterstützt, die Lernen, Arbeit und Freizeit miteinander verbindet. Allerdings gibt es auch einige potenzielle Herausforderungen und Bedenken, die berücksichtigt werden sollten. Die Kosten für einen dauerhaften Aufenthalt in einem solchen Hotel könnten für einige Menschen möglicherweise prohibitiv sein.
Auch die Frage der Privatsphäre und der persönlichen Gestaltung des Lebensraums wäre ein wichtiger Faktor. Nicht jeder würde sich mit der Idee anfreunden, dauerhaft in einem öffentlichen Raum zu leben, selbst wenn es umfassende Annehmlichkeiten bietet.
Die Auswirkungen auf die städtische Infrastruktur und die Gentrifizierung könnten ebenfalls Fragen aufwerfen. Ein umfassendes Hotelkonzept könnte die Nachfrage nach Wohnraum und Dienstleistungen in der näheren Umgebung beeinflussen und sozioökonomische Auswirkungen haben.
Mir gefällt am Bayerischen Hof, dass – auch wenn so viele Berühmtheiten hier logieren und logierten – das Haus aber und seine Inhaberin ebenso – immer volksnah und bodenständig geblieben sind. Es gibt, so scheint es mir, hier keinerlei Berührungsängste, egal, mit wem man es zu tun hat. Insofern ist der Bayerische Hof ein Spiegelbild des Bayerischen Lebensmottos „Leben und leben lassen.“ Ist dies auch Ihre Devise und ist das Hotel vielleicht deshalb über Jahrzehnte so erfolgreich?
Das Motto „Leben und leben lassen“ spiegelt unsere Überzeugung wider, dass Toleranz, Offenheit und Respekt für jeden Einzelnen von grundlegender Bedeutung sind. In einer Welt, in der Vielfalt und Verschiedenheit eine immer größere Rolle spielen, ist es uns wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder Gast und Mitarbeiter gleichermaßen wertgeschätzt und willkommen fühlt. Wir haben uns stets bemüht, eine herzliche und zugängliche Umgebung zu schaffen, in der Berühmtheiten, Geschäftsreisende, Familien und alle anderen Gäste gleichermaßen ihren Aufenthalt genießen können.
Ich glaube, dass diese Philosophie der Offenheit und des Respekts einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass das Hotel Bayerischer Hof über die Jahrzehnte hinweg erfolgreich geblieben ist. Es schafft eine einzigartige Verbindung zwischen Tradition und Moderne, zwischen Luxus und Bodenständigkeit, die es zu einem Ort macht, an dem Menschen aus aller Welt sich willkommen und wohl fühlen können. Es ist eine Ehre für mich und mein Team, diese Philosophie jeden Tag zu leben und in die Zukunft des Hotels zu tragen.
Das Purpose-Team und ich bedanken uns und wünschen Ihnen und dem Bayerischen Hof eine goldene Zukunft, in der alle Visionen verwirklicht werden können!
Fotos: Bayerischer Hof / Benjamin Monn, Alessandra Schellnegger