Schwarz-weiß-Bild zeigt Tatjana Patitz mit Delphinen.

Tatjana Patitz: FOLLOW YOUR HEART

Nomi Baumgartl begegnete der Modelikone Tatjana Patitz an vielen Orten – und machte ihre Seele sichtbar. Ein SINNterview über eine tiefe Begegnung und vor allem: nachhaltiges Engagement.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Eine Modelikone
  • Die Kunst des Sehens
  • Respekt vor der Natur

Interview Hans Christian Meiser

Schwarz-Weiß-Bild von Nomi Baumgartl

Nomi Baumgartl ist eine international renommierte, freie Fotografin, deren Lebenswerk es ist, Verbindungen und komplexe Zusammenhänge zu zeigen, von Menschen, Tieren und Natur, Meer und Erde – eine Hommage an die Schöpfung.

Im April war im Hamburger Bankhaus von Donner & Reuschel eine Ausstellung mit Ihren Fotografien zu Ehren von Tatjana Patitz zu sehen. Was verbindet Sie mit jenem Hamburger Supermodel, das leider viel zu früh starb, dessen Spirit wir aber in Ihren Arbeiten erahnen können?

Uns verbindet so viel zwischen Himmel und Erde, sodass die Verbindung nicht abreißen kann. Der Spirit bleibt und das große Geschenk ist und war es, diesen belichten zu dürfen. „Follow your heart“ – dieser Satz beschreibt am besten die Verbindung zwischen Tatjana und mir. Wir begegneten uns auf der Weltbühne der Mode.

Als Modelikone ist Tatjana ihrem Herzen treu geblieben; sie hat sich für Natur und Tiere und deren Schutz eingesetzt und ihren Lebenstraum verwirklicht, dementsprechend zu leben. Auf der Bühne der Natur durften wir uns neu begegnen, über und unter Wasser mit den „Humans of the Sea“, den Delfinen, als Botschafter für eine Mission der Organisation Dolphin Aid.

Viele der gezeigten Werke entstanden um die Jahrtausendwende auf den Bahamas, wo Sie mit Delfinen „arbeiteten“. Wie kam es dazu?

Nach einem Unfall 1996 hatte ich das große Glück, von dem berühmten Gehirnforscher Dr. John Lilly in Hawaii wegen meiner extremen Gleichgewichtsstörungen therapiert zu werden. Er, der „Vater der Delfin- und Walforschung“, gab mir die Möglichkeit, eine magische und heilsame Begegnung mit einem wilden Delfin im Pazifik zu erleben.

Als großes Dankeschön für meinen Heilungsweg organisierte ich 2000 und 2001 eine Über- und Unterwasserfotoproduktion auf Grand Bahama Island und suchte mir die besten Protagonisten aus: Tatjana Patitz und Worldchampions aus der damaligen internationalen Surferszene. Das Fotokunst-Projekt unterstützte für einige Jahre die von Kirsten Kuhnert gegründete Organisation Dolphin Aid, um behinderten Kindern eine Delfintherapie zu ermöglichen.

„The Art of Seeing“ ist eine Ihrer Kernbotschaften. Wie kann Fotografie die Kunst des Sehens vermitteln?

Für mich ist „The Art of Seeing“ ein Lebensgeschenk, ganz Auge sein zu dürfen, jenseits von der Oberfläche, einzutauchen in die Tiefe von Augenblicken, die sich der Flüchtigkeit entziehen, und immer wieder zu erleben, dass wir ein Teil vom Großen und Ganzen sind. Wenn wir verstehen, dass wir von nichts getrennt sind, leben wir in einer Einheit mit der Schöpfung und nicht in einer Dualität.

Schwarz-weiß-Bild zeigt Tatjana Patitz ganz nah mit nassen Haaren.

Wirken Ihre Bilder deshalb so intensiv, geradezu magisch?

Die Faszination, die den Betrachter berührt, ist meine eigene. Die Magie der Augenblicke, die diese Einheit zeigen, ist ein großes Geschenk, das ich weiterschenken möchte. Wir bestehen alle aus Körper, Geist und Seele, in dieser Einheit sind wir wunderbar ausgestattet, das ganze unendliche Universum zu erleben. Und so können auch Augenblicke unendlich werden, den Betrachter einladen, dabei zu sein, sich als Teil des Augenblicks zu sehen.

Was auf Ihren Fotos mit Tatjana Patitz und den Delfinen zu sehen ist, wirkt so unschuldig und rein, dass man selbst Teil des Geschehens sein möchte. Welche Schichten unseres Unterbewusstseins oder unserer Seele sprechen diese fotografischen Erzählungen an?

Vielleicht bin ich nur ein Botschafter zwischen den Welten, die uns miteinander verbinden. Oft erlebe ich Augenblicke, als wären sie vor- oder unterbewusst schon da gewesen, wie ein Bogenschütze, der den Pfeil im eigenen Herzen empfängt. An dieser Stelle fällt mir der „Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry ein: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ – das lässt die Augenblicke rein bleiben. Das Herz ist der beste Auslöser für einen Fotografen.

Wie gelingt es Ihnen, die Seele eines Menschen oder Tieres durch die Kamera sichtbar zu machen?

Vielleicht ist es die absolute Hingabe an einen Augenblick, ein kleiner Weltempfänger zu sein, sich damit zu verbinden, was man sieht und empfängt. Mensch und Tier haben Seele und Geist. Die unsichtbaren Zusammenhänge des Lebensnetzes unseres Seins belichten zu dürfen, ist für mich eines der schönsten Geschenke in meinem Beruf.

Frau schwimmt mit Delphin.

Ihre Ausstellung trug den Titel „Beyond Fashion“. Er bedeutet auch, dass Kleidung für uns eine Möglichkeit des individuellen Ausdrucks ist, aber dass wir jenseits von ihr andere Wesen sind, zerbrechlich und vergänglich. Welche Seite von uns zeigen Ihre Werke?

Für mich ist „Beyond“ das, was hinter allem steht, das Fragile, das Zerbrechliche und Vergängliche. Wir sind alle endlich, was unseren physischen Körper betrifft, „Beyond“ ist das, was bleibt in der Unendlichkeit des Universums. In unseren Ur-Atomen bestehen wir alle aus Sternenstaub, sind ein Teil des Universums. Daher bleibt Tatjana ein leuchtender Stern für uns alle, die wir sie vermissen müssen, ein unvergänglicher „Star“.

Ihre künstlerische Arbeit besteht nicht einfach nur im Ablichten von Natur und Mensch, sondern sie ist auch stets mit einer besonderen Aufgabe und einer fast spirituellen Hingabe verbunden, wie z.B. Ihr Projekt „Ulloriarsuaq – The Luminous Memory of the Earth“, welches Sie in Grönland wegen des abschmelzenden Eises realisierten. Wenn man alles Ihre Arbeiten zusammenfassen würde, gäbe es dann eine einzige Botschaft?

Ja, die ist und bleibt meine Erfahrung und mein tiefes Empfinden, dass wir alle ein Teil des Großen und Ganzen sind. Wenn wir sagen: Da ist die Umwelt und hier bin ich, findet schon die Trennung statt, deshalb steht der Klimaschutz im Turbo-Klimawandel da, wo wir jetzt stehen. Der Respekt vor der Natur und die Wertschätzung, dass die „Blaue Murmel“ ein Sinnbild der Verletzbarkeit ist, sollte für uns alle zur Kernbotschaft werden.

Nomi Baumgartl mit Kamera im Schnee.

Wenn ich einen Vergleich bemühen würde, in dem ich Sie mit einem Formel 1 Piloten vergliche und uns Handyhobbyfotographen mit den normalen Autofahrern, wären Sie damit einverstanden?

Lieber Herr Meiser, diesen Vergleich überlasse ich Ihnen, ich wäre lieber ein Astronaut als ein Formel 1 Pilot. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich seit der Erfindung der Langsamkeit noch langsamer bin.

Auf welches kommende Projekt von Ihnen dürfen wir uns schon freuen?

Ja, das dürfen Sie, ich habe gerade die „Eagle Wings Foundation“ gegründet, ein Alpen-Klima und Artenschutzprojekt, auf verschiedenen Ebenen. Nach meinen Erfahrungen in der Arktis, mit dem rasanten Abschmelzen der Gletscher und Eisberge und deren globalen Zusammenhänge und die Auswirkungen auf das wilde Herz von Europa, die Alpen, also das Thema, das direkt vor unserer Haustüre, gibt es noch viel zu tun.

Fotos: Nomi Baumgartl, Chris Pfanzelt

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