Sissi Perlinger in Gebetshaltung.

Das SINNterview: Das Tor zum Glück

Sissi Perlingers Humor ist im Laufe ihres Lebens immer tiefsinniger geworden, auch wenn sie sich immer noch mit falschem Leopardenschick kleidet. Ein Gespräch über Bruttosozialglück, Wahnsinnsglück und ihre persönlichen Glücksschmieden.

Schwarz-Weiß-Bild von Sissi Perlinger mit Gitarre.

Die Entertainerin Sissi Perlinger spielt, singt und tanzt auf der Bühne  – und macht dazu Musik mit Gitarre und Schlagzeug, und zwar gleichzeitig! Ab 03.02. spielt sie eine Hauptrolle in der heiteren ZDF Vorabendserie „Kanzlei Berger“.

Sissi, Du hast ein schönes Lied geschrieben mit dem Titel „Glück“. Darin heißt es: „Das ewige Suchen nach dem großen Kuchen kann man als Fehlinvestition verbuchen. Weshalb?

Sissi Perlinger: Weil Glück in jedem Moment empfunden werden will. Die eine kleine Rose, die da gerade duftet, der hübsche Käfer, der da läuft, das kleine Vöglein, das singt. Wenn ich das bemerke und meine Bewunderung zolle, ist mir das Glück schon hold.

Die englische Sprache unterscheidet zwischen „Happiness“ und „Luck“, also zwischen dem Glück als Zustand und dem Glück als erfreulichem Ereignis. Welchem gibst Du den Vorzug?

Ich bin da nicht heikel, ich nehme alles. In einem englischen Lied über das Thema schrieb ich: „Happiness is to hear the call, it´s to play the dice and roll the ball.“ Wenn man dem Flow folgt und das Glück beim Schopf packt, hat man Glück im Spiel – ohne Pech in der Liebe.

In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung findet sich ein „Pursuit of happiness“, also ein Streben nach Glück, das dort als gleichrangig zum Recht auf Leben und auf Freiheit beschrieben ist. Strebt aber nicht ohnedies jeder Mensch nach Glück, ganz gleich, ob das rechtlich verbrieft ist?

Ich kann nur für mich sprechen. Ich bin eine extrem typische Schützin und über die wird gesagt, dass sie glücklich sein wollen; sie tun aber auch wirklich was dafür. Glück ist für mich mit dem Streben danach verbunden.

Das Himalaya-Königreich Bhutan kennt in seiner Verfassung ein „Bruttosozialglück“, welches der Staat zu verwirklichen verpflichtet ist. Dazu zählen fünf Punkte: Förderung von Bildung und Gesundheit, ausgewogene Entwicklung, Erhaltung der Umwelt, Bewahrung von Kultur und historischem Erbe, gute Regierungsführung. Welche Punkte könntest Du diesem Programm hinzufügen?

Ich war leider noch nicht in Bhutan. Doch bevor ich denen Zusätzliches erzähle, würde ich mir eher wünschen, dass wir einiges davon bei uns umsetzen. Leider wird im Turbokapitalismus das Unglück der Massen künstlich erzeugt. Es ist quasi der Sprit, mit dem die ganze Maschinerie in Fahrt gehalten wird, egal wie irrwitzig das ökologisch gesehen ist. Ich habe schon vor vielen Jahren meinen Konsum auf das Nötigste reduziert und mich anderen Werten zugewendet. Und: Ich habe ein gepflegtes Inneres.

Nicht wenige Menschen neigen dazu, ihr Dasein als unglücklich zu betrachten. Andere würden sagen, dass es noch viel schlimmer geht. Kann es bei diesem Thema überhaupt einen Vergleich bzw. eine Abstufung geben?

Sich zu vergleichen war schon immer der Quell des Unglücks und ist genau das, was wir durchs TV = Television = „tell a vision“ und die „Programmierung“ durch die dortigen „Programme“ erfahren haben. Jetzt kamen noch die „Sozialen Medien“ dazu, welche die Jugend in den Wahn treiben. Wenn man ganz eigenständig sich und seinen wahren Stärken und seiner einzigartigen Berufung folgt, findet man sein ganz persönliches Glück. Dafür müssen wir nicht immer mehr konsumieren und den inneren Mangel kompensieren. Deswegen wird dieser Prozess der Selbstfindung mit allen Tricks verhindert.

Du beschäftigst Dich viel mit Spiritualität und Meditation. Welchen Einfluss hat dies auf Dein persönliches Glücksgefühl?

Es ist ein langsamer, feiner Prozess, aber er hat tatsächlich mein gesamtes Leben und all meine Prioritäten zum Positiven verändert. Ich reagiere z. B. wesentlich gelassener in Krisensituationen und habe ein tiefes Vertrauen gewonnen, dass alles, was mir geschieht, seine Richtigkeit hat.

Das Sonderbare am Glück ist ja, dass es offenbar keine Dauer besitzt. Oder kennst Du eine Methode, es festzuhalten?

Ich will es nicht festhalten, sondern ich bin am Beobachten. Ich schreibe jeden Abend in meinem Dankbarkeitstagebuch alles auf, was passiert ist. Spätestens dann finde ich immer Gründe, dankbar zu sein, auch wenn der Tag nicht so toll war. Während des Schreibens eröffnet sich die Einsicht, wofür die negativen Momente wichtig waren. Im Laufe der Jahre wurde mein Gehirn darauf trainiert, sich immer auf die positiven Aspekte zu fokussieren und dankbar zu sein für alles.

„Jeder ist seines Glückes Schmied“. Diese Aussage kennt der Volksmund. Siehst Du das auch so?

Auf alle Fälle! Ich bin ein großer Fan vom Schmieden durch regelmäßige Arbeit und habe meinen täglichen Stundenplan. Den absolviere ich, wenn ich meine Auszeit habe und nicht auf Tournee bin in der „Applauszeit“. Wenn ich an solchen, frei zur Verfügung stehenden Tagen alles geschafft habe, was auf meinem Zettel steht, bin ich abends glücklich und stolz. Zusätzlich werde ich ja auch immer besser in allem. Das ist dann die Belohnung für die Mühe sein Yoga gemacht zu haben, zu meditieren, täglich weiter zu schreiben und Gitarre zu üben. Es ist manchmal mühsam, aber für mich bedeutet es „mein Glück zu schmieden“.

Sissi Perlinger im Stil einer indischen Gottheit.

Du lebst ja nicht nur in Deutschland, sondern im Sommer auch in Spanien und im Winter in Indien. Wo fühlst Du Dich am glücklichsten und warum?

Indien hat mir ganz viele Türen aufgemacht. Ich bin dort als Atheist angekommen, in ein Taxi gestiegen und habe nach fünf Minuten um mein Leben gebetet. Dann habe ich gelernt, dass ich geführt bin und jetzt kann ich die innere Erfahrung von 20 Jahren Indien überallhin mitnehmen. Wobei ich hinzufügen möchte, dass ich keinen Guru habe und auch in keinem Ashram einkehre. Ich habe einfach das aufgesogen, was mir dort über die Jahre begegnet ist. Momentan bin ich allerdings zum ersten Mal in Mexiko und führe hier meine Glücksforschungen weiter.

In unserer Vorstellung leben Naturvölker stets viel glücklicher als wir. Befragt man diese, sehen sie es andersherum. Weshalb ist es nicht immer einfach, mit seinem jeweiligen Status auszukommen?

Ich kenne viele, die es können! Erst gestern habe ich von einem Mexikaner hier am Strand eine schöne Geschichte gehört:

Ein Fischer liegt in der Hängematte, raucht einen Joint und schaut lachend seinen Kindern beim Spielen zu. Da kommt ein amerikanischer Businessman vorbei und sagt. „Hey, wieso liegst du hier rum, du könntest doch mehrere Boote bauen und mehr Fisch verkaufen und Leute einstellen, die für dich rausfahren und dann wärest du irgendwann reich und könntest in einer Hängematte liegen …“ Der Fischer lacht ihn aus und sagt: „Schöner wie es jetzt ist, kann es also nicht werden!“

Im letzten „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen liegt Finnland auf Platz 1, gefolgt von Dänemark.

Ja ja, immer die Dänen! Ich bin mit einem liiert, der hat ein Wahnsinnsglück, der hat ja auch mich!!!

Eigentlich denkt man immer, Menschen im Süden seien glücklicher, weil es dort wärmer ist.

Genau so ist es! Ich glaube, Dänen und Finnen haben sich abgesprochen, dass sie bei diesen „Glücks-Umfragen“ alle sehr positiv reden, wahrscheinlich weil es besser ist für den Tourismus. Ich bin immer wieder tief beeindruckt wie sehr das Klima eine Mentalität formt. Die Spanier z. B. sind wirklich lebensfroher, lachen irre laut und viel, tanzen frei und lieben ihre Musiker zutiefst. Wenn Du Dich so in Deutschland verhältst, hast du sofort eine Klage wegen Ruhestörung an der Backe. Kaum einer traut sich unter freiem Himmel zu tanzen, weil man es hier aber auch so verdammt selten tut, weil’s gleich wieder regnen wird.

Magst Du uns noch Deine persönliche Glücksformel verraten?

Perlinger: Ich suche mir eine Glühbirne, setze mich darunter und stelle mir vor, dass ich das Licht durch meine Fontanelle einsauge. Dann synchronisiere ich meinen Atem mit der Vorstellung, dass ich klares Licht und göttliche Liebe einatme, bis die Brust ganz weit ist. Beim Ausatmen erlaube ich jeder Zelle meines Körpers, gesund zu sein. Dann sitze ich still und sage: „Danke, danke, danke, dass ich ein Teil dieser unfasslichen Schöpfung auf diesem unglaublich tollen Planeten sein darf und in der spannendsten Zeit lebe, die die Menschheit je sah. Mit diesem Mantra und der Visualisierung kann ich meine Frequenz auf die höchste Schwingung, die es gibt, ziehen: hin zu Liebe und Dankbarkeit. Und wenn man hoch schwingt, zieht man Glück an.

Ich möchte unser Gespräch, für das ich Dir vielmals danke, mit einer Floskel beenden, die ich allerdings nicht als solche verstehe: Viel Glück, liebe Sissi, sowohl im Sinne von Happiness als auch von Luck!

Das Gespräch führte Hans Christian Meiser

Fotos: Steffen Jaenicke, Scott MacCourt, Franziska Schrödinger

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