Auf den Bauch eines Menschen ist ein lachendes Gesicht aus Steinen gelegt.

WARUM UNSER BAUCHGEFÜHL SO WICHTIG IST

Soll unser Gehirn entscheiden oder unser Bauch? Was sagt uns die „innere Stimme“? Und wo bleibt der Instinkt, wenn wir immer alles nur rational beurteilen?

Text Bert Martin Ohnemüller

Schwarz-Weiß-Portrait von Bert M. Ohnemüller.

Bert M. Ohnemüller ist High Performance Business Philosoph, gefragter Keynote-Speaker und Autor mit über drei Jahrzehnten Führungs­erfahrung. Sein Buch LEAD SPEAK INSPIRE ist eine Quelle der Inspiration für die kommende „Dekade der Menschlichkeit“.

Die Intuition ist mein innerer Kompass, ich nutze sie wie eine Art Navigationssystem. Im Auto verwenden wir das GPS. Für meine (wichtigen) Entscheidungen habe ich das EPS, das „Emotionale Positionierungs-System“.

Das EPS orientiert sich nicht an der Geografie, sondern an der Freude. Der Freude folgen, heißt für mich, der Wahrheit folgen. Hinter der Wahrheit liegt der persönliche Erfolg, der wie uns das Wort schon sagt, immer eine Folge-Erscheinung ist.

Jede unserer Entscheidungen braucht eine emotionale Aktivierung, denn ohne Emotionen gibt es keine Entscheidung.

Emotionen sind oftmals die wahren Beweggründe. Das bestätigt die Hirnforschung. Und hier heißt es Obacht geben – damit wir nicht unreflektiert auf einen Reiz reagieren, sondern immer daran denken, dass zwischen Reiz und Reaktion die Freiheit der Wahl liegt. Gute Entscheidungen treffe ich deshalb bewusst und intuitiv.

Ich habe viele große und wichtige Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen.

Fast alle großen und schwierigen Entscheidungen habe ich aus dem Bauch heraus getroffen. Wenn es schwerfällt, sich zu entscheiden, dann bleibt eigentlich keine Alternative.

Aus meiner Sicht ist der wichtigste Moment der Augenblick der Entscheidung, auch unter dem Aspekt, das Entscheiden immer auch verzichten heißt. Ich nenne das gerne: den ersten Schritt im Vertrauen gehen.

Der zweitwichtigste Moment tritt dann ein, wenn man die Entscheidung in konkrete Taten umsetzt. Also einfach zu macht. Nur dann zeigt sich die Qualität der getroffenen Entscheidungen. Hier kann ich lernen und mich entwickeln.

Leider habe ich allzu oft meine „innere Stimme“ ignoriert.

Ich könnte eine ganze Reihe von Beispielen nennen, die mich alle sehr viel Geld und sehr viel Energie gekostet haben, nur weil ich nicht auf meine innere Stimme gehört habe. Ich war sicherlich getrieben von Zweckoptimismus, nach dem Motto „Das wird schon“ – es wurde aber nie, ganz im Gegenteil.

Schmerzhafte Erfahrungen waren für mich die Entscheidung für die falschen Mitarbeiter oder die allzu rasche Übernahme von Kundenaufträgen, weil das große Budget verlockend war und plötzlich alle Alarmzeichen aus dem Bauch ignoriert wurden.

Meine persönlich schlimmste „gegen den Bauch Entscheidung“ war die Idee, mit meinem sehr wertvollen italienischen Sportwagen, eine Runde auf dem Nürburgring zu drehen. Ich war mit meinem ältesten Sohn unterwegs. Das Wetter war mies, ich eigentlich etwas müde und lustlos. Ich erinnere mich noch, wie meine innere Stimme laut gerufen hat „Tue es nicht!!!!“ und ich dachte, „na komm, wenn wir schon mal hier sind, dann fahren wir auch eine Runde“. Diese endete nach wenigen hundert Metern in der Leitplanke. Totalschaden. Aua!

  • Schwarze Karte mit dem Aufdruck: "Let your intuition guide you. You are what you've been looking for.
  • Ein Drehschalter wird von "Kopf" auf "Bauch" gestellt.

Ich beschreibe mein Bauchgefühl gerne als „innere Stimme.“

Und hier sollten wir uns immer klar sein, dass es zwei unterschiedliche Stimmen gibt. Die eine Stimme bewertet: Situationen, Menschen, Ereignisse; das, was ich dort höre, nenne ich die Stimme meines Egos. Sie will etwas besonderes sein, sich abgrenzen, sich über andere stellen. Rechthaben, statt glücklich zu sein. Hier sage ich oft zu mir selbst. „Bert, glaub nicht alles was Du denkst!“

Dann gibt es noch diese andere innere Stimme, die spricht ganz leise und fein, die höre ich nur, wenn ich wirklich achtsam bin, in Momenten der Kontemplation, der Meditation, beim Spaziergang in der Natur. Das ist für mich meine wahre innere Stimme und ihr folge ich gerne.

Das Bauchgefühl wird durch Erfahrungswissen immer besser.

Stellen wir uns folgende Situation bei einer Bergtour vor: Wir bewegen uns auf unsicherem Untergrund, eine Gewitterfront zieht auf. In solch einer Situation möchte ich nicht von einem Bergführer geleitet werden, der das erste Mal im Berg ist.

Das gleiche gilt für alle Lebensbereiche – wir brauchen Sicherheit und wir werden besser durch Wiederholung. Unser Gehirn braucht die kontinuierliche Übung, um neue Muster zu entwickeln. Dabei gilt, dass Frequenz immer wichtiger ist als die Intensität.

Das Bauchgefühl wird mit der Zeit und der Erfahrung immer besser und zuverlässiger. Ganz wichtig ist die Unterscheidung zwischen dem bewertenden Impuls, dem Ego und der wahren inneren Stimme. Zum Üben empfiehlt es sich mit kleineren Entscheidungssituationen zu beginnen, um ein Gespür dafür zu entwickeln wie sich Bauchentscheidungen anfühlen. Wie im Sport zählen die Kontinuität und die Frequenz des Trainierens mehr als die Intensität. Kleine Schritte führen zu großen Resultaten.

Gute Führung braucht besonders viel Bauchgefühl.

Wie soll jemand andere führen, wenn er sich nicht selbst führen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die wirklichen und entscheidenden Lebensaufgaben zu meistern sind, ohne die Instanz des Bauchgefühls bzw. der inneren Stimme. Führungskräfte, die nur den vermeintlichen Fakten und Excel-Tabellen glauben, sind für mich einer der maßgeblichen Gründe, warum sich Menschen zunächst für ein Unternehmen entscheiden und es dann aufgrund der Vorgesetzten verlassen.

Bauchgefühl ist eine Qualität, die sich schwer messen oder beweisen lässt.

In unserer akademisch geprägten Businesswelt ist deshalb die Evidenz basierte Aussage immer mehr wert als ein Gefühl oder gar eine Emotion. Das unterscheidet aus meiner Sicht eben auch Vorgesetzte bzw. Manager von wahren Führungskräften, die nicht durch Hierarchie, sondern durch ihr Vorbild führen. Das sind aus meiner Sicht die Leader, die nicht immer alles wissen, aber trotzdem mutig die nächsten Schritte gehen. Sie folgen der Idee, dass es eigentlich keine Fehler, kein Verlieren gibt, sondern dass wir entweder gewinnen oder lernen.

Für mich ist Führung auch immer verbunden mit einer Vision, einer Vorstellung von einer besseren Zukunft, einem Wissen, dass es immer einen besseren Weg gibt. Visionäre finden ihre Zuversicht im Inneren – ihr Bauchgefühl weist ihnen den Weg. Sie sind motiviert von dem Gedanken: „Ich finde einen Weg, auch wenn ich ihn (noch) nicht sehe.“

Die Zukunft im Business ist menschlich!

Menschlichkeit ist kein romantisches Konzept, sondern in erster Linie die wichtigste Voraussetzung für dauerhaften betriebswirtschaftlichen Erfolg. Die vor uns liegende „Dekade der Menschlichkeit“ fordert neue Antworten auf Führung, Teams und Unternehmenskultur.

Nur wer den Menschen und sich selbst versteht, kann sein volles Potential entfalten. Damit meine ich zu verstehen, wie wir denken, fühlen und handeln. Wie kommt die Wirklichkeit in unseren Kopf? Wie entsteht Wahrnehmung? Welchen Einfluss haben die Emotionen und was ist eigentlich das Bauchgefühl?

Es geht bei Führung um Entwicklung und Entfaltung, also dem Menschen zu helfen, sein volles Potenzial zu entfalten. Dies gelingt am besten, wenn wir anfangen zu verstehen, dass jeder Mensch etwas hat, das kein anderer Mensch hat. Die Biologie (Logik des Lebens) lehrt uns die Idee der Einzigartigkeit. Also geht es deshalb darum, herauszufinden, was mich einzigartig macht. Dies führt zur Selbstreflexion und in der Konsequenz zur Selbstverantwortung. Ich weiß, wer ich bin und ich weiß, warum ich tue, was ich tue.

Meine Tipps für den erfolgreichen Gebrauch des Bauchgefühls:

  • 1. Glaub nicht alles, was Du denkst.
  • 2. Lerne zu unterscheiden zwischen dem wahren Bauchgefühl und Deinem EGO.
  • 3. Vertraue dem Prozess – entweder Du gewinnst oder Du lernst.
  • 4. Das größte Risiko im Leben ist ein risikofreies Leben.
  • 5. Vertraue dem Leben, weil Du Dir vertraust.
  • 6. Einfach machen!

Fotos: iStock, Unsplash / Jen Theodore

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