Die Kunst der Selbstverantwortung
Wie kann es gelingen, ohne Hierarchien im Berufs- und Privatleben erfolgreich zu sein? Indem jeder zuallererst die Verantwortung für sich selbst übernimmt. „Start with the man in the mirror“ …
Text Bert M. Ohnemüller
Bert M. Ohnemüller ist High Performance Business Philosoph, Keynote-Speaker und Autor mit über drei Jahrzehnten Führungserfahrung. Als Dozent für neuromerchandising® und Leadership lehrt er an Wirtschafts-Hochschulen im In- und Ausland.
Erinnern Sie sich an Michael Jackson und seinen populären Song, „Start with the man in the mirror“? Und haben Sie schon einmal bewusst auf den Text geachtet? „If you want to make a change, start with the man in the mirror“. Ist das nicht eine ganz besondere Botschaft?!
Wie oft habe ich die äußeren Umstände beklagt, wie oft schon habe ich mir eine Veränderung im Außen herbeigewünscht, aber es hat nie so richtig geklappt. Es dauerte sehr lange, bis ich die Botschaft aus dem Song verstanden und verinnerlicht hatte. Denn wie oft dachte ich als Führungskraft und später als Unternehmer, dass ich Menschen führen muss – ohne zu verstehen, dass es immer nur um einen geht, den es zu führen gilt.
Höchste Zeit für neues Denken
Gestatten Sie mir, Sie auf eine kleine Gedankenreise mitzunehmen. Dazu müssten Sie freilich in den nächsten Minuten, während Sie diese Zeilen lesen, die Perspektive ändern. Ich hoffe, es fällt Ihnen nicht allzu schwer …
Denn meiner Erfahrung nach ist dieser Perspektivwechsel für viele ganz und gar nicht einfach. Unser Verstand will uns immer wieder erklären, dass seine Sichtweise die richtige ist. Schließlich sind wir mit unserem Denken doch genau dorthin gekommen, wo wir jetzt, in diesem Moment unseres Lebens stehen.
Wenn Sie zufrieden und glücklich mit Ihrer aktuellen Lebenssituation sind, dann beglückwünsche ich Sie dazu! Sie brauchen jetzt eigentlich auch nicht weiter zu lesen. Doch sollten Sie sich vorstellen können, dass es auch anders und vielleicht noch erfüllter, erfolgreicher und glücklicher geht, dann sind Sie hier richtig.
„Willst du recht haben oder ein glückliches Leben führen?“…
… ist eine meiner Lieblingsfragen, wenn ich mit meiner Frau diskutiere. Und was antwortet sie mir? „Beides, mein Schatz!“ Aber geht das wirklich und vor allem dauerhaft? In unserer Businesswelt würde ich die Frage etwas modifizieren und fragen: „Wollen Sie Recht haben oder wollen Sie erfolgreich sein?“ Was ist damit gemeint?
Hier die Antwort: Es geht im Kern nicht um richtig oder falsch, sondern um passend oder nicht passend, plausibel oder nicht plausibel. Die Wahrheit ist ein zutiefst subjektives Gut. Ich nehme das wahr, was ich wahrnehmen kann.
„Was oder wie nehmen wir wahr?“
Und nun lautet die Frage: Was – oder besser – wie nehmen wir wahr? Unser Gehirn nimmt die Dinge über unsere äußeren und inneren Sinne wahr, die Interpretation dieser sinnlichen Wahrnehmung wird jedoch subjektiv interpretiert. Jeder sensorische Reiz löst eine emotionale Erregung aus. Wir sehen etwas und unser Gehirn versucht ganz schnell zu interpretieren, was es vor sich hat.
Sehen ist zu einem großen Teil eben nicht sehen, sondern denken. Jeder visuelle Eindruck wird zunächst vom unterbewussten Teil unseres Gehirns auf seine emotionale Qualität geprüft. Ist hier eine vermeintliche Bedrohung oder handelt es sich eine günstige Gelegenheit?
Unser emotionaler Autopilot scannt in jedem Augenblick sein Umfeld, um die potentielle Gefahr oder den sich ergebenden Vorteil so schnell wie möglich wahrzunehmen. Noch bevor aber der denkende Verstand aktiviert wird, schickt der Körper biochemische Botenstoffe los, sogenannte Neurotransmitter, die unseren Körper in die Lage versetzten, in Sekundenbruchteilen zu reagieren.
Angst und Stress sind die größten Wertevernichter
Im Falle von Angst und Stress schüttet der Körper u.a. Adrenalin und Cortisol aus. Diese haben einen gigantischen Einfluss auf unsere Wahrnehmung.
Was passiert bei Ihnen in solchen Momenten? Vermutlich wollen Sie sich dann entweder unsichtbar machen oder Sie fliehen oder greifen an. Erinnern Sie sich, wie sich das auf körperlicher Ebene anfühlt? Ihr Pulsschlag erhöht sich, die Pupillen erweitern sich, Ihr Atem geht schneller und Sie spüren die Anspannung in den Muskeln. Verantwortlich sind die Hormone Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol. Ihr System ist jetzt im so genannten „Überlebensmodus.”
Die Botenstoffe verändern unsere Wahrnehmung
Was machen diese Botenstoffe mit Ihrer Wahrnehmung? Sie können nicht mehr kreativ sein, sie können nicht mehr emphatisch sein. Wenn Sie sich fragen, wie gut ihr Verstand in diesem Zustand noch funktioniert, dann wage ich zu behaupten: Er arbeitet eher widerwillig, wenn überhaupt.
Cortisol ist gut für das Überleben der Spezies, aber schlecht für Ihren persönlichen und beruflichen Erfolg. Wie ist Ihre Wahrnehmung, wenn Ihnen das Cortisol durch die Adern fliesst? Ohne Zweifel sind Sie dann ziemlich engstirnig, denn Sie haben akut keinen Einfluss auf ihr Denkvermögen und wollen in dieser Situation nur noch überleben, koste es was es wolle. Die Ellenbogen werden ausgefahren und das ICH wird zur alles bestimmenden Botschaft. Überlegen Sie, ob das eine gute Strategie ist, um Menschen oder sich selbst zu führen oder die anstehenden Herausforderungen zu meistern.
Ich möchte Sie einladen, Menschen und sich selbst besser zu verstehen. Nur wenn wir realisieren, dass unsere Wahrnehmung stark von unserer biochemischen Verfassung abhängt, können wir Veränderung bewirken. Wir sollten also verstehen, wie die Wirklichkeit in unseren Kopf kommt und wie wir fühlen, dann können wir erkennen, warum wir uns so verhalten wie wir uns verhalten. Hier helfen uns insbesondere die Erkenntnisse aus Hirnforschung und Evolutionsbiologie.
Wie denken Sie?
Wie sehen Sie die Welt? Wird es morgen besser oder eher schlechter sein? Glauben Sie, dass Ihre Gedanken einen Einfluss auf Ihre Wahrnehmung und noch mehr auf Ihr Verhalten haben? Wenn wir in der äußeren Welt etwas verändern wollen, müssen wir innen anfangen. Mit der Art und Weise, wie wir denken, wie wir die Welt sehen und vor allem, wie wir mit Emotionen, Gedanken und Gefühlen umgehen.
Mein Tipp: Werden Sie zum Beobachter – und hören Sie auf, ständig zu be- und verurteilen. Übernehmen Sie Verantwortung für Ihre inneren Zustände, aber identifizieren Sie sich nicht mit diesen.
Das sagt sich leichter als es ist. Hier gilt einmal mehr „Übung macht den Meister.”
Die gute Nachricht lautet: Sobald Sie zum Beobachter Ihrer selbst geworden sind, erkennen Sie, dass Sie nicht mit ihren Gedanken, Gefühle und Emotionen identisch sein müssen, sondern dass Sie sie kontrollieren können, um für Ihre Entscheidungen das Optimum zu erlangen.
Atmen Sie einmal bewusst tief durch!
Ich möchte Ihnen hier nun eine ganz praktische Übung mit auf den Weg geben: das bewusste Atmen.
Konzentrieren Sie sich bitte für zwei Minuten auf Ihren Atem:
Tief ein- und tief ausatmen.
Vier Sekunden durch die Nase einatmen, zwei Sekunden den Atem halten und dann vier Sekunden durch den Mund wieder ausatmen.
Tief ein- und wieder tief ausatmen.
Versuchen Sie es und bleiben Sie für zwei Minuten konzentriert.
Ich verspreche Ihnen, dass sich Ihre Wahrnehmung nach dieser Übung positiv verändert hat. Sie haben wieder einen klareren Blick und können nun die Welt mit einer anderen Perspektive wahrnehmen.
Erfolg ist eine Folgeerscheinung, Erfüllung eine Kunst
Erfolg ist, was erfolgt, wenn Sie sich selbst folgen. Wie das geht? Versuchen Sie die für Sie richtigen Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:
- Wer bin ich wirklich?
- Was ist meine Aufgabe/meine Berufung?
- Warum tue ich, was ich tue?
Nun können Sie die Kunst der Selbst-Verantwortung entdecken. Im Wort “Verantwortung” steckt ein Zauberwort: “antworten.” Und genau darum geht es: Antworten zu finden für Ihr Leben, für das, was Sie tun, um das Rezept für ein erfülltes und erfolgreichen Privat- und Berufsleben aufzuschreiben.
Nur wer die Antworten für sein Leben hat, nur wer sich selbst aufgrund dieser Antworten selbstverantwortlich führt, der kann auch andere Menschen führen. Sie führen dann durch Vorbild und nicht aufgrund der Hierarchie. Stellen Sie sich vor, die Menschen folgen Ihnen freiwillig, weil Sie spüren, dass Sie Sie selbst sind und keine Rolle spielen oder erfüllen müssen. Ist das nicht eine lohnenswerte Idee? Wenn ja, was hält Sie jetzt noch zurück?
Hier ist Ihr Navigationssystem: EPS
Machen Sie sich genau in diesem Moment auf die Reise zu sich selbst – gehen Sie auf die Heldenreise. Es lohnt sich! Sie mögen sich jetzt die Frage stellen: Wie finde ich meinen eigenen Weg? Oder was wäre ein erfülltes Leben für mich? Wie geht das?
Es ist spielerisch leicht. Folgen Sie Ihrer wahren inneren Stimme. Nutzen Sie Ihr eigenes Navigationssystem EPS. Ihr Emotionales Positionierung System wird bei der Geburt automatisch und ohne Aufpreis mit ausgeliefert. Nutzen Sie es doch einfach!
Das EPS orientiert sich nicht nach der Geographie wie Ihr GPS im Auto, sondern nach der Freude. Folgen Sie der Freude, denn hinter der Freude für jeden Einzelnen liegt die Wahrheit für jeden von uns, und hinter der Wahrheit liegt der Erfolg, der – wie bereits gesagt – immer eine Folge-Erscheinung ist, sobald Sie sich selbst folgen.
Deshalb denken Sie immer daran:
There is no better you – than you!
Fotos: Unsplash / Alex Iby, Randy Jacob, Pepe Reyes, Chester Wade