Ein Herz aus bunten Neonlichtern.

Ich, ich, ich – oder wir?

Jeder ist immer auf irgendetwas bezogen, aber oft sind Beziehungen nicht von langer Dauer, egal ob im Privaten oder im Business. Wie gelingt es, ihnen Nachhaltigkeit zu verleihen?

Text Van Nguyen Hoang

Schwarz-Weiß-Bild von Van Nguyen Hoang.

Van Nguyen Hoang wurde in Vietnam geboren. Dort und in London studierte sie Jura, bevor sie Dozentin für Internationales Recht an der Hanoi National University und Gastforscherin am Max-Planck-Institut in München wurde. Ihre buddhistischen Gedanken spiegeln sich in ihren Arbeiten wider.

Ein jeder von uns möchte gerne ein Leben führen, das ihm ein Gefühl von Selbstbestimmtheit und Bedeutsamkeit gibt. Beziehungen spielen dabei sehr wichtige Rollen. Doch darf man nicht vergessen, „dass es die Qualität unserer Beziehungen ist, welche die Qualität unseres Lebens bestimmt“, wie die amerikanische Psychotherapeutin Esther Perel sagt.

Beziehungen sind grundlegend dafür, wer wir als Menschen sind. Sie können für uns eine große Quelle des Glücks und der Erfüllung sein, aber sie können uns auch durch Stress, Konflikte und Enttäuschungen zu Fall bringen. Es geht bei und in Beziehungen immer um die Frage, wie wir das Beste aus ihnen machen, die positiven Seiten maximieren und das Risiko, sie aufgeben zu müssen, minimieren können, um die Qualität unseres Lebens zu bereichern.

Im Folgenden möchte ich mich nun auf die wesentlichen Aspekte konzentrieren, welche allen Beziehungen innewohnen.

BEZIEHUNGEN ALS ZWEIBAHNSTRASSE

Es braucht immer zwei, damit eine Beziehung funktioniert. “It takes two to tango”, sagt genau das aus. Aber interessanterweise braucht es nur einen, um eine Beziehung zu beenden.

Wir begegnen bei jeder Art von Beziehung der Kunst, zwischen Autonomie und gegenseitiger Abhängigkeit zu balancieren. Die wichtigsten Grundregeln wollen wir nun näher beleuchten.

AKZEPTANZ

Bei allen Beziehungen bringen Menschen, da sie niemals gleich sind, auch verschiedene Arten von Persönlichkeit, Erziehung, Gewohnheit, Verständnis und Überzeugung mit. Wenn wir in Beziehungen so bleiben wollen, wie wir sind, müssen wir auch die Art und Weise unserer Partner akzeptieren. Dennoch wollen wir uns auch irgendwie an die Unterschiede unserer Partner anpassen, um das mit ihnen zu teilen, was unsere Beziehungen heiterer, interessanter und bedeutungsvoller macht.

Wir dürfen dabei nicht zu viel von unseren Partnern erwarten oder verlangen, und anstatt zu hoffen, dass sie sich ändern, können wir selbst die Veränderung sein. Schließlich sind wir alle menschliche Wesen. Niemand ist perfekt. Denken Sie daran, dass die Veränderung ein Prozess ist, der niemals erzwungen werden kann. Es ist ein Prozess, den Sie sich gegenseitig vorleben, so dass jeder von Ihnen sich inspiriert fühlen kann, sich zum Besseren zu verändern, weil jeder von Ihnen die liebenswerte Veränderung des anderen sieht.

Kurz gesagt, der wichtigste Schlüssel einer Beziehung ist es, sich selbst und den anderen zu akzeptieren, ohne die eigene Identität und Autonomie zu verlieren, während man gleichzeitig die gegenseitige Abhängigkeit zulässt, um seine Beziehungen zu bereichern.

  • Die Konturen vieler Menschen vor einem Sonnenuntergang.
  • Zwei kleine Mäuse berühren sich mit der Schnauze.

KOMPROMISSE

Diese sind in jeder Art von Beziehung unvermeidlich. Doch hier stellt sich die Frage: Wie weit kann ich in meiner Kompromissbereitschaft gehen und wie oft kann ich mir Kompromisse überhaupt erlauben?

Die Antwort auf diese Fragen ist nicht einfach, da sie auch von den unterschiedlichen Individuen abhängt, aber ich kann Ihnen zumindest zwei Gelegenheiten nennen, in denen Sie keinerlei Kompromisse eingehen sollten:

Erstens, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie dadurch Ihre Identität verlieren werden.
Zweitens, wenn Sie sich dabei unwohl und auf Dauer nicht zufrieden fühlen. Wenn Sie zum Beispiel denken, dass Sie einige Freunde aufgeben müssten, um die Beziehung zu Ihrem Partner aufrecht zu erhalten, weil er eifersüchtig ist, dann denken Sie zweimal nach!

Doch wenn wir nicht in der Lage sind, einen Kompromiss miteinander zu beschließen, ist unser Ego, unser Egoismus schuld. Wenn Sie immer „Ich, ich & mich“ an die erste Stelle setzen, können Sie nichts anderes sehen als SICH SELBST. Seien Sie achtsam. Lassen Sie sich nicht von sich blenden.

GEBEN UND NEHMEN

Ich sage meinen Freunden immer, dass sie nicht zu sehr darauf hoffen sollten, etwas zurückzubekommen, wenn sie etwas geben. Wenn Sie Ihren Partnern etwas geben und erwarten, etwas von Ihnen zurückzubekommen, so ist das ein Geschäft oder eine Art Handel, und Sie sollten dann besser einen Vertrag aufsetzen und unterschreiben.

Wenn Sie aber aus freien Stücken etwas geben, dann befreien Sie sich von jeder Art von Erwartungen oder abhängig machenden Gefühlen, die Sie immer wieder belasten könnten. Da Geben und Nehmen einander bedingen, werden Sie das, was Sie geben, auf unterschiedliche Weise, in verschiedenen Formen und vielleicht sogar von denen zurückbekommen, die gar nichts von Ihnen erhalten haben – das sogar meist völlig unerwartet.

Und was noch wichtiger ist: Wenn Sie überhaupt keine Gegenleistung erwarten, ist Ihr Geist völlig frei von den Gefühlen der Abhängigkeit. Sie sollten also niemals zulassen, dass das, was Sie nicht kontrollieren können, Ihren Gemütszustand stört, und glücklich sein, dass Sie Menschen glücklich machen, denen Sie etwas geben, dabei aber nicht meinen, dass diese Ihnen etwas schulden und es Ihnen zurückzahlen müssen!

BEZIEHUNGEN FORMEN UNS

Das Verstehen von uns selbst ist ein Prozess, der unser ganzes Leben lang dauert. Dieser Prozess wird auch durch und über unsere vielen Beziehungen reflektiert. Man lernt sich also durch Interaktionen mit anderen besser kennen.

Zum Beispiel: Die Art, wie ich jetzt spreche, wird von der Art beeinflusst, wie Sie mir zuhören. Die Art, wie ich mich selbst sehe, wird von der Art beeinflusst, wie Sie mich sehen. Immer werden wir von der Beziehung, in der wir uns befinden, beeinflusst, reflektiert und geformt.

Dabei sind zwei Aspekte wesentlich:

SELBSTERKENNTNIS

Selbsterkenntnis fördert Akzeptanz (von sich selbst und von anderen). Wenn Sie sich selbst verstehen und akzeptieren, sowohl Ihre guten als auch Ihre schlechten Seiten, die Stärken und die Schwächen, machen Sie sich weniger angreifbar und unabhängig davon, was andere von Ihnen denken oder wie sie Sie beurteilen. Sie werden sich selbstbewusster und leichter fühlen.

Nicht umsonst heißt es: „Die Wahrheit wird dich frei machen.“ Wenn Sie wahrhaftig mit sich selbst sind, sind Sie frei. Diese Art von Freiheit wird Frieden in Ihre Beziehungen bringen.

VERANTWORTLICHKEIT

Ich weiß, dass dieses Wort für viele Menschen sehr beängstigend klingt, aber Sie sollten in Ihrer Beziehung „nolens volens“ verantwortlich sein. Wenn Sie die Verantwortung für das, was Sie sagen oder tun, in Ihre Beziehungen übernehmen, schaffen Sie Vertrauen und Respekt bei Ihren Partnern und ermutigen sie, es Ihnen gleich zu tun.

Einige werden nun fragen, wieso man Verantwortung übernehmen sollte, auch wenn man vielleicht gar nichts falsch gemacht hat und woher man wissen kann, wie lange die Beziehungen halten werden?

Darauf gibt es nur eine Antwort: „Vertrauen ist ein Vertrauensvorschuss, den man mit dem Unbekannten machen kann.“

Im folgenden Video können Sie Van Nguyen Hoang erleben:

Spiegelung eines Paares in einer Wasseroberfläche.

UMGANG MIT UNTERSCHIEDEN UND KONFLIKTEN

Kommunikation spielt eine wichtige und essentielle Rolle in Beziehungen, denn sie fördert das Verständnis und ist Ausdruck Ihrer Gedanken, Ihrer Sorgen und Ihrer Gefühle füreinander. Deshalb sollten Sie immer versuchen, ein konstruktives Gespräch zu führen.

Bitte vergessen Sie nicht, dass die Essenz eines Gesprächs nicht nur darin besteht, was Sie sagen, sondern vor allem auch darin, wie Sie es sagen und wie Sie zuhören. Anstatt zum Beispiel zu äußern: „Ich kann das jetzt nicht“, könnten Sie sagen: „Wie wäre es, wenn wir das ein anderes Mal machen, mein Lieber?“ oder „Ich könnte es an Ihrer Stelle auch anders machen“, anstatt „Sie haben Unrecht“.

Ja, Worte zählen! Außerdem haben einige von uns manchmal das Problem, dass wir zwar hören, aber nicht zuhören, das heißt, wir hören nicht aufmerksam zu und verstehen am Ende nicht die wirkliche Botschaft, die unser Partner uns eigentlich senden möchte. Und das führt normalerweise zu Missverständnissen. In vielen Fällen versuchen wir, anstatt unserem Partner zuzuhören, auf ein anderes Thema abzulenken und verhalten uns somit abwehrend und urteilend.

Versuchen Sie, geduldig und neutral zu sein und nicht etwas anderes darin zu sehen als das, was unsere Partner vermitteln wollen.

SICH UND ANDEREN VERZEIHEN

Wenn es zu Differenzen und Konflikten kommt, sollten wir uns davon beeindrucken lassen. Noch wichtiger ist, dass wir uns nicht gegenseitig die Schuld für den Konflikt zuschieben. Lassen Sie allen Beteiligten die Chance, sich zu beruhigen, die Probleme zu durchdenken und sich dann zusammenzusetzen, um den anderen die Chance zu geben, ihre Bedenken und ihre Meinung zu äußern.

Hören Sie ihnen sorgfältig und aufmerksam zu. Selbst wenn sie kritisch werden, versuchen Sie, sich die Frage zu stellen, ob Sie sich an ihrer Stelle in diesem Fall verzeihen würden. Die Antwort sollte ja lauten, denn Sie könnten es, richtig?

FAZIT

Ich weiß, Beziehungen sind harte Arbeit, und viele Menschen laufen beim ersten Anzeichen von Ärger davon. Aber wenn man es durchsteht, kommt man sich näher und lernt eine Art zu lieben, die für Sie göttlich sein könnte. Die Liebe besiegt alles!

Eine lohnende Beziehung bringt das Beste in uns zum Vorschein. Und wenn wir in Bestform sind, fühlen wir uns energiegeladen, motiviert, glücklich und können deshalb Berge versetzen. Selbst wenn Sie Gefahr laufen, am Rande des Abgrunds zu stehen, versuchen Sie positiv zu sein, um einen Weg zu finden. Wenn das nicht gelingt, sollten Sie sich mit dem Gedanken trösten, dass jedes Ende zu einem neuen Anfang führen wird und es möglicherweise ein Segen in Verkleidung ist.

Das Wichtigste ist, wahrhaftig zu sein und Ihre Beziehungen richtig zu gestalten. Tatsächlich gibt es zwei Möglichkeiten, Ihre Beziehungen zu leben: Entweder Sie gehen in Resonanz oder Sie machen das Gegenteil. Im ersten Fall summiert sich das Innere zu einer unvorstellbaren Kraft, die eine Qualität von großer Nachhaltigkeit hervorbringt, nach der wir uns alles sehnen, so dass, egal ob wir zusammen oder weit voneinander entfernt sind, immer ein Lächeln auf unserem Gesicht bleibt …

Fotos: Unsplash / Nick Fewings, Jiroe, Mario Purisic, The HK Photo Company

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