Blick auf KoDorf von oben

Mehr als Wohnen – Genossenschaft verbindet

Wohnen in der Genossenschaft: KoDörfer kombinieren kleine Häuser, großzügige Gemeinschaftsflächen und inspirierendes Miteinander in einer Genossenschaft. Der Architekt Patric F.C. Meier ist einer ihrer Ermöglicher.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Genossenschaft: Wohnen mit Synergien
  • Landleben mit Gleichgesinnten
  • Grundstücke und Orte

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Bild des Autors Patric F.C. Meier

Patric F.C. Meier ist Architekt und Teilhaber bei agmm Architekten +Stadtplaner in München. Er engagiert sich als 1. Vorstand der VielLeben e.G., die gemeinschaftliches, generationenübergreifendes, selbstverwaltetes und selbstbestimmtes Wohnen fördert vielleben.de.

Viele Köche verderben den Brei? Diese Meinung teilt Patric F.C. Meier nicht. Im Gegenteil. Sein Büro agmm Architekten + Stadtplaner hat sich bewusst auf die Arbeit mit Baugemeinschaften spezialisiert.

„Mir gefällt, dass man als Architekt bei der Arbeit mit Baugruppen nicht von den Vorstellungen und Launen Einzelner abhängt“, begründet er seine Vorliebe. „Stattdessen geht es darum, wie in einem Chor möglichst schön gemeinsam zu singen, aus Vielstimmigkeit Einstimmigkeit zu machen.“

Überdies sei es kostengünstiger, mit anderen zu bauen. Dachterrassen, Werkstätten oder Wasch-Räume können zusammen genutzt werden.

Rückzugsmöglichkeiten und Schnittmengen

Rückzugsmöglichkeiten genauso wie Schnittmengen bei vielen Themen zu haben: Das findet Patric F.C. Meier bei einer gemeinschaftlichen Wohnform ideal. An seinem Wohnort München haben sich seiner Erfahrung nach die Rahmenbedingungen für entsprechende Projekte aber so verändert, dass es „einem die Luft abschneidet“, denn die Preise seien „vollkommen irre.“ Entsprechend groß war sein Wunsch, „wieder zu normalen Konditionen loslegen zu können.“

Fündig wurde er 2016 in einem überregionalen Versteigerungskatalog mit einem Grundstück zwischen Boltenhagen und Wismar nur 800 Meter vom Ostseestrand entfernt.

Akquise mit viel Überzeugungskraft

„Die Gegend sagte mir nichts. Aber zum Kaufpreis von 200.000 Euro inklusive Bebauungsrecht konnte man nicht viel falsch machen“, blickt er zurück. Dennoch habe er bei Veranstaltungen quer durch die Republik all seine Überzeugungskraft gebraucht, um Mitstreiter für das erste baugemeinschaftliche Feriendorf Deutschlands zu akquirieren. Schließlich taten sich 13 Menschen zusammen, um unter dem Projektnamen MeerLeben nachhaltige Holzhäuser nach bauökologischen Kriterien zu errichten, die sich einen Gemeinschafts-, Grill- und Spielplatz sowie eine Obstbaumwiese teilen, auf trennende Zäune verzichten und über ein eigenes Internetportal an Gäste vermieten.

Begegnung mit Folgen

Als Patric F.C. Meier Interessenten über den zweiten Bauabschnitt von MeerLeben informierte, folgte auch Frederik Fischer der Einladung: ein Berliner Journalist und Gründer, der nach neuen Möglichkeiten zum Leben und Arbeiten auf dem Land suchte. Eine Begegnung mit Folgen:
Gemeinsam mit Patric F.C. Meier und seiner Partnerin Katrin Frische entwickelte er das Konzept der KoDörfer: Ansammlungen kleiner Häuser mit großzügigen Gemeinschaftsgebäuden und -flächen, die umgeben von Natur ruhig liegen, aber durch einen Bahnhof gute Anbindung an die nächste Großstadt haben sollten, das Ganze genossenschaftlich erworben und organisiert.

Geeignete, erschwingliche Standorte

Über ihre innovative Idee erschien 2018 ein Artikel im Magazin KOMMUNAL, das sich an Bürgermeister, Kommunalpolitiker und Verwaltung richtet. Ein halbes Dutzend meldete sich bei dem Team.
Dabei kristallisierten sich zwei erste Standorte als geeignet und erschwinglich heraus: Wiesenburg/Mark südwestlich von Berlin und Erndtebrück im südlichen Westfalen – zwei strukturschwache Regionen.
Das Herzstück bildet per Zufall je ein altes Sägewerk, das als Gemeinschaftsküche, Coworking-Space oder Yoga-Raum dienen soll. Auf dem Gelände verteilen sich zudem freistehende Holzhäuser, die sich als Gruppen Innenhöfe teilen.

  • Visualisierung eines Gemeinschaftsraums in einer alten Sägemühle
  • Freistehende Häuser mit Innehof

Klein, aber geschickt gestaltet

„Sie sind mit 25, 51 oder 71 Quadratmeter klein, ihre ein bis drei Wohnräume aber geschickt gestaltet und durch Terrassen ergänzt“, erklärt Patric F.C. Meier. „Ein Konzept mit acht aufeinander abgestimmten Außenfarben zur Auswahl sorgt dafür, dass es nicht kunterbunt wird und einander zugewandte Fassaden harmonieren. Die einheitliche Gestaltung mit wohngesunder Architektur ist aus Kostengründen minimalistisch und standardisiert, bietet aber alles, was man für ein gutes Leben braucht.“
Für Synergieeffekte sorgen außerdem Selbstversorgergärten, Gästeappartements und weitere Angebote, die von allen genutzt und geteilt werden können.

Einheit in der Vielfalt

Credo der KoDörfer ist ein „wohlwollendes und inspirierendes Miteinander“ mit viel Selbstwirksamkeit in einem kostengünstigeren, grünen Umfeld, die Einheit in der Vielfalt, aber auch die Vielfalt innerhalb einer Gruppe Gleichgesinnter.
Weil das verstanden und gelebt werden will, gibt es ein „Onboarding“-Prozess. So kann sich die VielLeben e.G. als übergeordnete Genossenschaft ein Bild der Interessenten machen. Diese können sich darüber klar werden, was zum „Neuen Leben & Arbeiten auf dem Land“ gehört und wie sich das finanzieren lässt.

Modell des KoDorf Wiesenburg

Besonders geeignet für Digitalarbeiter

Mindestens 30 Prozent der Finanzierungskosten des gewünschten Haustyps, die sich voraussichtlich zwischen 135.000 und 330.000 Euro bewegen, müssen in die Genossenschaft eingebracht werden, überdies fällt monatlich Wohngeld an.
Die Resonanz auf die Projekte ist groß, in Wiesenburg sind alle Grundstücke vergeben. Die Altersspanne der KoDörfler reicht von Kleinkindern bis zu Rentnern, die Mischung der Berufe von der Musikerin bis zum IT-Manager. Besonders geeignet sind KoDörfer laut Frederik Fischer für „Digitalarbeiter“, die entweder selbstständig sind oder viel im Homeoffice arbeiten können.
„Bedarf und Interesse sind da“, freut sich Patric F.C. Meier.

Entstehung von viel Tollem

Es gibt zwar Wermutstropfen wie die langwierige „Schaffung von Baurecht“, die er in Wiesenburg „erleiden musste“, wo im Herbst der erste Spatenstich erfolgen soll. In Erndtebrück wurde das komplizierte Baurecht-Procedere an die Gemeinde delegiert. Auch steigende Zinsen, Eigenkapital-Forderungen, Material- und Handwerkerpreise erschweren derzeit das Planen.
Doch das ändert nichts an der Überzeugung von Patric F.C. Meier, dass auch in ländlichen Regionen gerade „viel Tolles entsteht“: Weitere KoDorf-Projekte sind im Gespräch, um die er sich im Team mit Frederik Fischer und Katrin Frische als „Ermöglichern“ kümmert.

Weitere sinnstiftende Aufgabe

Außerdem bringt er sich mit ihr bei einer weiteren für ihn sinnstiftenden Aufgabe ein: Borgo Batone – einem verfallenen toskanischen Dorf, das mit seinen 16 Gebäuden, Olivenhainen, Pergolen, Weinstöcken, Lorbeerhecken und Blumenbeeten aus seinem Dornröschenschlaf aufgeweckt und als pulsierender Ort der Begegnung und Inspiration wiederbelebt werden soll.
Als Devise gilt auch dort: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“

Fotos: agmm-architekten, Andreas Knoblauch, Lothar Reichel

 

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