Digitales Modell eines modernen Gebäudes aus Holz.

Roots in den Himmel

Der Berliner Architekt Tom Klingbeil baut mit Holz: Weil das ein nachwachsender Rohstoff ist, mit dem so erdverbunden wie städtetauglich immer cooler in die Höhe gebaut werden kann.

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Schwarz-Weiß-Bild von Tom Klingbeil.

Tom Klingbeil studierte an der TU Dresden, arbeitete mit Tom Kaden und betreibt seit 2015 Marek Czyborra die czyborra klingbeil architekturwerkstatt in Berlin, die auf moderne Holzbauweise spezialisiert ist.

Sein Name spricht Bände: „Roots“ (Wurzeln) heißt Deutschlands höchstes Holzgebäude, das derzeit in der Hamburger HafenCity gebaut wird. 2024 soll es unter dem Motto „nah am Himmel, aber erdverbunden“ mit 128 Eigentumswohnungen in 19 Geschossen fertig werden. Über 20 Meter mehr, nämlich 85,4 statt 65 Meter, misst momentan das höchste Holzhaus der Welt: der Mjøstårnet, der seit März 2019 im norwegischen Brumundda steht.

Vor 13 Jahren waren solche Superlative noch unvorstellbar: 2008 konnte in Berlin das erste siebengeschossige Gebäude in Holzbauweise in einem großstädtischen Zentrumsbereich Europas bezogen werden.

Holz trägt und dämmt

Mit einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss und sechs Wohnungen darüber schließt „e3“ seither 22 Meter hoch eine Baulücke in der Esmarchstraße 3 – und ist auf den ersten Blick nicht als Holzgebäude erkennbar.

„Um die architektonische Sprache aus der Gründerzeit in die Gegenwart fortzuführen, kam für uns im Kontext Stadt nur eine verputzte Fassade in Frage“, erklärt Tom Klingbeil, der e3 zusammen mit Tom Kaden entwickelt und realisiert hat.

Hinter der weißen Außenwand setzten die beiden aber auf Holz als Konstruktions- und Dämmstoff, weil sie mit ihm bereits zuvor gute Erfahrungen beim Bau von Einfamilienhäusern gemacht hatten; die skeptischen Behörden konnten sie nach vielen Stolpersteinen mit einem ausgefeilten Brandschutzkonzept überzeugen.

Leuchtturmprojekt e3

„Der Pioniergeist war einzigartig“, erinnert sich Tom Klingbeil an die wöchentlichen Besprechungen mit der privaten Baugruppe, die sie für ihr Vorhaben am Prenzlauer Berg kontaktiert und beauftragt hatte.

„Die im Dialog mit den Fachplanern entstandenen Ideen haben wir mit großem Eigen-Engagement umgesetzt. Nach zwei Jahren Planungs- und Bauzeit sind wir zwar ziemlich auf dem Zahnfleisch gegangen, aber unser Einsatz hat sich ausgezahlt.“

Denn nicht nur die Medien wurden auf das Leuchtturmprojekt e3 aufmerksam und berichteten bundesweit. Auch Auszeichnungen wie der Deutsche Holzbaupreis 2009 sowie Aufträge für Folgeprojekte kamen, die immer „ausgeklügelter und perfekter“ wurden.

  • Der Holzbau e3.
  • Auf einem Schreibtisch steht das Modell des Holzbaus e3.

Vorteile beim Holzbau in der Stadt

„Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, speichert CO2, trägt und dämmt zugleich, ermöglicht schlanke Bauteile, sorgt für eine gute Raumqualität und ist ein guter Zwischenspeicher für Feuchtigkeit, die aufgenommen und abgegeben werden kann“, zählt Tom Klingbeil die Vorteile seines Lieblingsmaterials auf.

Weil sich parallel zu seiner Beschäftigung mit ihm auch „die Industrie entwickelt hat“, kann er – anders als bei seinen Anfängen Ende der 1990er Jahre – mittlerweile auf versierte Hersteller und Fachfirmen zurückgreifen. „Ihre modernen, präzisen und digitalisierten Fertigungstechniken und der sehr hohe Grad an Vorfertigung führen zu kurzen Montagezeiten und damit zu einer geringeren Beeinträchtigung der Nachbarn. Das ist ein eindeutiger Vorteil beim Bauen in der Stadt“, zieht er seine positive Bilanz.

Mehrgeschossiger Holzhausbau nimmt zu

Insgesamt hat in Deutschland die Holzbauquote bei den genehmigten Wohngebäuden im vergangenen Jahr die 20 Prozent-Marke erstmals überschritten; auch bei den Nichtwohngebäuden liege sie nun bei 20,9 Prozent, so der „Lagebericht 2021“ auf www.bauenmitholz.de.

Er prognostiziert: „Künftig wird der mehrgeschossige Wohnungsbau in Holzbauweise zulegen, wenn die Bauordnungen für die Gebäudeklassen 4 und 5 in allen Bundesländern aktualisiert sind“ (Anm. d. Red.: Gebäude mit einer Höhe bis 21 Meter und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m² bzw. sonstige Gebäude).

Dass dieses Segment vielversprechend ist, belegt auch der Deutsche Holzbaupreis 2021: Unter 260 Projekteinreichungen war „erstmals eine nennenswerte Gruppe von Einreichungen“, die die Etablierung des mehrgeschossigen Holzhausbaus belegt. Als einer der vier Preisträger wurde das Konzept für die Ökologische Mustersiedlung im Münchner Prinz Eugen-Park ausgezeichnet: die größte zusammenhängende Holzbausiedlung Deutschlands mit 570 Wohnungen in unterschiedlichsten Gebäudetypen mit bis zu sieben Geschossen.

Digitales Modell eines modernen Baumhauses aus Holz.

Haus oder Baumstudio?

Mit seiner frühzeitigen Fokussierung auf Holzbauten hatte Tom Klingbeil also den richtigen Riecher. Den ersten Impuls dazu bekam er von dem Städtebauer, Architekten und seinem Professor Dr. Heinz Schwarzbach, der ihn dazu anregte, sich als Diplom-Thema mit nachhaltiger Architektur zu beschäftigen.

„Vorher war das in meinem Studium an der TU Dresden kein Thema,“ schaut Klingbeil, Jahrgang 1964, zurück. „Da galt noch das Motto: Wer richtig baut, baut mit Stein.“ Privat umgibt er sich zwar noch mit solchem, weil er im Berliner Stadtviertel Weißensee Mieter einer gut geschnittenen, günstigen Dachgeschoss-Altbauwohnung ist. Mit seiner Architekturwerkstatt, die er seit 2015 gemeinsam mit Marek Czyborra in der e3 betreibt, hat er sich aber erfolgreich auf moderne Holzbauweise spezialisiert.

„Offen für alles“ reicht ihr Spektrum von Ein- und Mehrfamilienhäusern über Funktionsbauten wie Feuerwehrhäuser, Sporthallen und Strandbäder bis zu einem „Baumstudio“, das zwischen einer alten Esche und einem Ahorn im österreichischen Goldegg als Filmstudio, Besprechungsraum und Gästewohnung dient. „Marek knackt gerne harte Nüsse und hat immer wieder neue kreative Ideen“, lobt Tom Klingbeil seinen neuen Partner, mit dem er „die Freude am Entwerfen“ und sein Faible für Holz als Baustoff teilt.

Ökologischen Fußabdruck verkleinern

Zuversichtlich stimmt ihn, dass das Interesse an moderne Holzarchitektur und ihre Akzeptanz hoch sind. „Das bedeutet einen Paradigmen-Wechsel“, freut er sich. Kopfzerbrechen bereitet ihm nur der steigende Holzpreis, für den seit Mitte 2020 der erhöhte Holzbedarf in den USA und China sowie Lieferschwierigkeiten sorgen. „Für alle anderen Baustoffe gibt es aber auch Engpässe“, bedauert er. „Dieser Zustand könnte noch länger dauern und den Boom der Holzgebäude bremsen.“

Für den Holzbau macht er sich weiter in der 81fünf AG, einem Netzwerk für Holzbau mit ökologischer Orientierung und nachhaltigen Planungs- und Bauausführungen, sowie im Arbeitskreis Holzbau im Bund Deutscher Architekten stark. Der möchte „das Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit regenerativen Baustoffen schärfen“. Denn: „Der ökologische Fußabdruck, der maßgeblich auch von der Baubranche auf der Erde hinterlassen wird, muss drastisch verkleinert werden“, so sein Positionspapier.

Holz sei „der“ klimaschonende Baustoff der Zukunft, um enkelgerecht zu planen und keine Sondermülldeponien zu hinterlassen.

Fotos: cka.berlin

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