Landschaft in Namibia

Arid Eden – das Paradies in der Wüste

Sonnenaufgang über einer riesigen roten Düne. In der Ferne dösen ein paar Oryx-Antilopen in der Morgenkühle. Der Blick vom Dune Camp ist atemberaubend schön. Doch in den Lodges der Wolwedans Collection werden nicht nur Abenteuer-Urlauber glücklich. Aus den Einnahmen finanziert Stephan Brückner seine Vision einer blühenden Ökonomie für die Wüste.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Das AridEden Projekt in Namibia
  • Nachhaltigkeit in der Wüste
  • Transformation im Tourismus

Text Gerd Giesler & Milena Sovric

Stephan Brückner - Wolwedans Collection

Stephan Brückner ist Pionier in Sachen Naturschutz, Nachhaltigkeit und Gemeinnützigkeit. Als Eigentümer in 2. Generation leitet er die Wolwedans Collection inmitten des privaten, staatlich anerkannten Schutzgebietes NamibRand, heute eine Stiftung.

Riesig, leer, geheimnisvoll und vielerorts weltentrückt – Namibia ist das Land der grenzenlosen Freiheit. Aber ist es das wirklich? Zwar leben auf einer Fläche von 825.000 Quadratkilometern nur knapp 2,5 Millionen Menschen. Doch kaum hat man die Hauptstadt Windhuk verlassen und die geteerten Straßen weichen Schotterpisten, stößt man links und rechts auf Zäune.

Dahinter liegt das Land der Farmer und Großgrundbesitzer. Weidezäune, so weit das Auge reicht, sollen das Vieh vor Raubtieren schützen und die Ausbreitung von Seuchen verhindern.

ARID EDEN: DIE VISION KAM BEIM SONNTAGSBRATEN

Visionen haben oft eine erstaunlich simple Entstehungsgeschichte. Albi Brückners Vision, eher einem Hobby geschuldet, nahm ihren Lauf beim Sonntagsbraten im Kreise der Familie in Windhuk. Das denkwürdige Mittagessen fand sechs Jahre vor den ersten freien Wahlen statt, die Namibia am 21. März 1990 in die Unabhängigkeit entließen. Das Land war damals im Umbruch, keiner wusste wohin die Reise gehen sollte, die Immobilienpreise sanken in den Keller.
„Das wurde kein gemütlicher Lunch“, erinnert sich Sohn Stephan. Albi, stolzer Besitzer der Namibian Engineering Company, die Industriepumpen und später als Marktführer alternative Energie-Anlagen entwickelte, hatte kurzerhand für den Preis eines Kleinwagens eine Farm gekauft. Seine Frau war außer sich, eine Ehekrise bahnte sich an. Gorassis, so hieß die Ziegen-Farm in der Namib Wüste, war unendlich groß, unendlich karg, besteht sie doch hauptsächlich aus bizarrer Dünen- und Gebirgslandschaft und ist unendlich weit weg vom bequemen Leben in der Stadt.

Wolwedans

Eco-Lodge

Dune Camp – Dinieren unter den Sternen

Dune Camp – Dinieren unter den Sternen

Boulders – das wilde und abgelegenste Camp

Boulders – das wilde und abgelegenste Camp

NamibRand – Naturreservat ohne Zäune

NamibRand – Naturreservat ohne Zäune

Dune Camp Restaurant – Treffpunkt nach einem erlebnisreichen Tag

Dune Camp Restaurant – Treffpunkt nach einem erlebnisreichen Tag

Dune Camp – Holzkonstruktion auf dem Rücken der Düne

Dune Camp – Holzkonstruktion auf dem Rücken der Düne

Absolute Stille – ein Ort zum Träumen und Meditieren

Absolute Stille – ein Ort zum Träumen und Meditieren

ALBI REISST 2500 KM WEIDEZÄUNE NIEDER

Doch Albi ging es um mehr als um Besitztum. Sahen andere die Chance, dem kargen Leben hier zu entfliehen, sah Albi die Chance in die Wüste zu investieren. Und in den Vorständen der Desert Research Foundation of Namibia (DRFN) und der Namibia Nature Foundation (NNF) in denen er federführend tätig war, diskutierte man über erste Nachhaltigkeitsideen. Aber nicht genug.

Albi kaufte noch eine angrenzende Farm und noch eine. Und dann riss er die Grenzen nieder.

Mehr als 2.500 Kilometer Zäune fielen im Lauf der nächsten Jahre und es entstand mit dem Namib Rand Naturreservat eines der größten, für Mensch und Tier frei betretbaren privaten Landschaftsschutzgebiete Afrikas. Das brachte Albi allerdings an seine monetären Grenzen. Eine ökologisch sinnvolle Einnahmequelle musste her, um das Projekt weiter voranzutreiben und so machte er sich 1995 mit seinem jüngsten Sohn Stephan auf, fünf Luxus-Zelte für Touristen auf einem Dünenkamm mit grandiosem Panoramablick zu erstellen: die Wolwedans Eco-Collection war geboren.

Diese Zelte gibt es heute nicht mehr. Die Sammlung spektakulärer Camps und Lodges besteht mittlerweile aus der Desert Lodge, der Mountain View Suite, dem Plains Camp, dem Dune Camp und dem Boulders Safari Camp. Letztlich sind alle Unterkünfte nur für wenige Gäste gebaut. Sie fügen sich behutsam und nachhaltig in die sensible, atemberaubende Landschaft ein. Erbaut aus vorwiegend natürlichen Rohstoffen, wie Holz und Zeltplanen anstelle von Mauern, sowie reetgedeckten Dächern.

EX-PUMA-CEO JOCHEN ZEITZ UNTERSTÜTZT WOLWEDANS

Ein Freund der Familie, der für ein europäisches Bankenkonsortium und später im Vorstand der Münchner Reuschel Bank arbeitete, vermittelte einen Kredit und die Kundenbeziehung zu Donner & Reuschel. Albi Brückner konnte somit seine Vorstellung von der Erhaltung empfindlicher Ökosysteme durch nachhaltigen Tourismus ausbauen und auf ein sich selbst finanzierendes Modell umstellen. Namib Rand wurde zu einem Vorzeigeprojekt und getreu Albis Devise: „Das letzte Hemd hat keine Taschen“ fand die frisch ins Leben gerufene Wolwedans Stiftung in North Face-Gründer Douglas Tompkins oder Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz philanthropische Unterstützer.

Das Ende einer schönen Geschichte? Keineswegs. Und die Weichen dafür stellte das Schicksal in Berlin auf ziemlich radikale Weise.
Stephan Brückner genoss 1996 das Studentenleben in Berlin, nahe daran, den Abschluss sausen zu lassen für einen attraktiven Job in Hongkong. Da kam überraschend ein Anruf vom Vater der alles änderte: „Entweder du kommst Wolwedans aufbauen, oder jemand anderes übernimmt den Job“.
Stephan kam für 18 Monate. Und blieb.

Nach dem Tod des Vaters, im Dezember 2016, übernahm er sogar die Verantwortung für die Collection und den Park. 2019 wurde es dann stiller und durch die Corona Pandemie verschwand Wolwedans von der touristischen Bühne. Was war geschehen?

Leben

im Naturreservat

Solaranlage in der Wüste

Sonnenenergie – abgespeichert in Akkus versorgt sie die Camps

Abfüllanlage – Sprudel und stilles Wasser eigenes in Glasflaschen gefüllt

Abfüllanlage – Sprudel und stilles Wasser, eigens in Glasflaschen gefüllt

Plastik in der Wüste – Stephan vor einer Arbeit von Diego Ferrari

Plastik in der Wüste – Stephan vor einer Arbeit von Diego Ferrari

Waschsalon – Gemeinschaftsprojekt schafft Arbeitsplätze

Waschsalon – Gemeinschaftsprojekt schafft Arbeitsplätze

Mini-Kreislaufwirtschaft – alles wird wiederverwertet

Mini-Kreislaufwirtschaft – alles wird wiederverwertet

Wüstenplantage – mit gefiltertem Brauchwasser versorgt

Wüstenplantage – mit gefiltertem Brauchwasser versorgt

STREBEN NACH GLÜCK ALS UNTERNEHMENSZIEL

Um das herauszufinden fuhren wir hin. Per Mail hatte uns Stephan neugierig gemacht:
„Ich habe das Gefühl, dass das PURPOSE Magazin und Wolwedans auf einer sehr ähnlichen Frequenz liegen. Die Themen Glück und Zufriedenheit kann man ja einerseits für sich persönlich erforschen, oder man macht sie eben zum Unternehmenszweck. Seit März 2020, also noch vor Covid, ist unser Unternehmensziel das Streben nach Glück. Wolwedans soll diesen neuen Weg beschreiten.“

Und weiter: „Wenn du dein Business auf dieser Grundlage betreibst, dann triffst du ganz andere Entscheidungen.“
Kaum angekommen in der Wolwedans Desert Lodge erwartet uns Guide Jaggie. Er zeigt uns, dass die Wüste lebt. Zu Fuß stiefeln wir die Dünen auf und ab und lernen Tierspuren im Sand zu deuten, die vom Oryx und der Sidewind Schlange, aber auch feinste Linien, so wie sie die „tanzende weiße Dame“, eine Spinnenart hinterlässt.

NICHT VON DIESER WELT – DAS BOULDERS CAMP

Mittags packt uns Stephan in seinen offenen Jeep und schon geht es los auf tiefsandigen Pisten zu seinem Lieblingsprojekt Bolders. Die zwei Fahrstunden entfernte Lodge besteht nur aus fünf Zeltbungalows, die sich auf einer hölzernen Plattform an einen Berg schmiegt, der aussieht, als habe Goliath hier ein Säckchen Riesenmurmeln vergessen.
Davor färbt sich im Licht der untergehenden Sonne die Mondlandschaft in immer irrwitzigere Farben. „Versteht ihr jetzt Wolwedans?“, fragt Stephan und springt – ohne die Antwort abzuwarten – hinüber zu einer Gruppe Handwerker. Überall wird gehämmert, gebohrt und gesägt. Aus seinen Augen strahlt ungeheure Willenskraft gepaart mit ansteckendem Optimismus: „In vier Wochen machen wir Boulders frisch renoviert wieder auf!“

Für das Privileg hier sein zu dürfen, zahlen die Gäste neben der Unterkunft mit Vollpension auch eine Nachhaltigkeitsabgabe für Park und Stiftung, eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle. Später auf der Heart and Home Village Tour durch das Wolwedans Angestellten-Dorf erklärt uns Stephan sein „Arid Eden“-Konzept, seinen Plan 2030 für eine wüstenbasierte, blühende Ökonomie.

DIE WOLWEDANS DESERT ACADEMY

Zunächst denkt man, der Mann hat alle Powerpoint-Präsentationen dieser Welt, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben, während der Covid-Zwangspause zu einem großen Plot verschmolzen, bis man plötzlich merkt, dass Stephan das nicht nur lebt, sondern schrittweise umsetzt.

In den modernen Schulungsräumen der Desert Academy werden junge Leute aus ganz Namibia in Hotellerie geschult. In den Handwerksbetrieben der Lodges können eigene Ideen umgesetzt und profitabel gemacht werden, wofür es Boni gibt. Der Müll wird organisch kompostiert oder recycelt, wie beispielsweise zerstoßenes Altglas als Füllmaterial in Baustoffen. Eine eigene Abfüllanlage liefert Tafelwasser in die Lodges. Energie erzeugen die Solarpannels aus der eigenen Fertigung in Windhuk.
Und in Maltahöhe, der nächsten Stadt mit großen sozialen Problemen, schafft die Wolwedans Wäscherei neue Arbeitsplätze. Das Wasser kommt dafür aus einer eigenen Pumpanlage und wird nach Gebrauch gefiltert und bewässert so die Anbauflächen der neuen Gärtnerei. Die Einwohner können gegen ein geringes Entgelt auf eigenen Parzellen Gemüse anpflanzen und auf dem Markt an die Lodges verkaufen.

Diese Art von sich selbstfinanzierenden Geschäftsideen liebt Stephan Brückner. Und er weiß auch, dass bei aller Gemeinnützigkeit, der kommerzielle Gedanke ein wichtiger Motor ist und Tourismus die Maschine.

NEUE ARBEITSPLÄTZE FÜR EINHEIMISCHE

„In Maltahöhe haben wir mit den jungen Leuten das gleiche Problem wie in Windhuk: Arbeitslosigkeit, Alkohol, Drogen. Auf Wolwedans kommen sie dann in eine heile Welt. Hier durchlaufen sie drei Jahre intensiver Ausbildung, fangen vielleicht noch hier zu arbeiten an und sind fünf Jahre dem Wolwedans Way ausgesetzt. Sie lernen die Werte Achtsamkeit, Arbeitsethik, Gemeinschaft, Kultur und Umweltschutz zu leben.“

Und dann geschieht etwas Ungewöhnliches. Stephan zieht für sein arides Paradies, das er mit seinem Team und den Sponsoren erschaffen will, den Vergleich mit dem Stein, der ins Wasser fällt.

„Man wirft nur einen Stein und es bilden sich im Wasser viele Kreise. Ich hoffe, dass unsere ausgebildeten jungen Leute gefestigt hinausgehen und diesen Lebensquell weitertragen. Letztlich geht es um ganzheitliche Menschenbildung.“

Was nimmt man von Wolwedans mit außer roten Sand in den Schuhen und hunderte Fotos magischer Momente?
Es ist die Tatsache, selbst etwas für sich gelernt zu haben, dieser Stolz dabei gewesen zu sein, diese entwaffnende Ehrlichkeit und Direktheit von Stephan Brückner erlebt zu haben, die im gehobenen Tourismus längst noch nicht eingezogen ist, aber etwas von den Transformationen erahnen lässt, denen sich die gesamte Branche noch unterziehen muss.

Der Gast verlässt die Rolle des Konsumierenden. Er nimmt und gibt als Teil des Ganzen. Was ist dagegen zu sagen, wenn beim stimmungsvollen Candlelight-Dinner – der Vollmond steigt gerade wie trunken über den Loosberg – die Begleit-Brötchen halbiert auf den Tellern der Gäste liegen? Jemand von der jungen Crew in der Küche hat offensichtlich nicht genügend Brötchen besorgt und das Problem kreativ gelöst. Das strahlend unschuldige Lächeln entschädigt allemal.

Arid Eden ist nicht nur ein geniales, nachhaltiges Projekt. Es hinterlässt auch beim Gast nachhaltigen Eindruck und ein neues Bewusstsein.

Albi Brückner, der auf Wolwedans neben seiner Frau begraben wurde, wäre stolz auf die Fortführung und Krönung seines Lebenswerks.

Mehr Informationen:

WOLWEDANS: wolwedans.com
THE ARID EDEN PROJECT: arideden.org

Fotos: Gerd Giesler, Milena Sovric

 

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