Wassertropfen in Nahaufnahme.

„FINDE DEINEN BUDDHA-GEIST“

Die Aufforderung zur Achtsamkeit stammt von dem vietnamesischen Mönch und Weisheitslehrer Thich Nhat Hanh, der diese Welt kürzlich verlassen hat. Sie möge uns helfen, die Dinge der Welt achtsam und gelassen zu sehen.

Text Van Nguyen Hoang

Schwarz-Weiß-Bild von Van Nguyen Hoang.

Van Nguyen Hoang wurde in Vietnam geboren. Dort und in London studierte sie Jura, bevor sie Dozentin für Inter­nationales Recht an der Hanoi National University und Gast­forscherin am Max-Planck-Institut in München wurde. Ihre buddhistischen Gedanken zeigen sich in ihren Arbeiten.

„Finde deinen Buddha-Geist“ – so lautet eine von Thich Nhat Hanhs zehn goldenen Regeln für das Leben. Dieser Zen-Meister, der 120 Büchern verfasste und im Januar 2022 im Alter von 96 Jahren in Vietnam friedlich verstorben ist, versuchte Zeit seines Lebens den Menschen die Lehren des Buddhas zu vermitteln, damit sie weniger zu leiden hätten. Sein Wissen hat auch das Thema „Achtsamkeit“ in die westliche Kultur gebracht.

Wie wichtig diese Lehren sind, hatte schon Albert Einstein erkannt, als er sagte: „Wenn es eine Religion gibt, die mit der modernen Wissenschaft zurechtkommt, dann ist es der Buddhismus. Der Buddhismus braucht sich nicht mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Laufenden zu halten. Der Buddhismus muss seine Sichtweise nicht der Wissenschaft überlassen, denn er umfasst die Wissenschaft und geht über sie hinaus.“

DIE HARMONIE VON KÖRPER UND GEIST

Thich Nhat Hanhs wirft in seinen Werken immer wieder folgende Fragen auf:

Wie funktioniert der Geist?

Wie können wir mit ihm arbeiten, um mehr Freiheit und Verständnis zu kultivieren?

Wie können wir uns darin üben, mit der Realität in engeren Kontakt zu treten und die Voraussetzungen für unser eigenes Glück effektiver zu gestalten?

Er betont dabei auch die Bedeutung von Imagination, Visualisierung und Meditation und bietet konkrete Übungen an, um die geistige Klarheit zu verbessern und die Harmonie zwischen Körper und Geist wiederherzustellen.

Wie das gelingen kann, ist in der Geschichte des Mönches Arittha festgehalten, der mit anderen Mönchen über das Dharma, (das universelle Gesetz) diskutierte.
Da Arritha von seinen fehlerhaften Ansichten, die auf einem Missverständnis beruhten, nicht ablassen wollte, wurde der Buddha um Schlichtung gebeten. Dieser erzählte den Mönchen folgende Geschichten:

1) Ein Mann machte sich auf die Suche nach einer Wasserschlange, doch als er sie gefunden hatte, fasste er sie völlig falsch an, so dass sie ihn mit ihrem giftigen Biss schwer verletzen konnte.

2) Ein Mann kam während einer Reise an einen breiten Fluss. Als er am Ufer stand, erkannte er, dass überall Gefahren lauerten. Doch, um seine Reise fortzusetzen, musste er den Fluss überqueren. Er suchte also nach einem Boot oder einer Brücke, doch fand beides nicht. Mit großer Mühe sammelte er nun Gras, Zweige und Äste und formte aus allem ein einfaches Floß. Mit diesem erreichte er das sichere andere Ufer und konnte seine Reise auf trockenem Boden fortsetzen. Doch was würde er nun mit seinem Floß machen? Würde er es mit sich schleppen oder zurücklassen?

  • Mensch hinter Nebelwolke.
  • Himmel voller Wolken

WAS GESCHIEHT OHNE ACHTSAMKEIT?

Diese beiden Geschichten spiegeln wider, wie Achtsamkeit zu verstehen, zu praktizieren und zu nutzen ist. In der ersten sucht ein Mann eine Wasserschlange und findet sie auch. Aber er fasst die Schlange nicht richtig an, so dass sie ihm mit ihrem giftigen Biss schweren Schaden zufügt.

Was bedeutet das? Jemand, der sich dem Studium eines beliebigen Gegenstandes widmet, kann nur dann erfolgreich sein, wenn er zu jeder Sekunde aufmerksam ist.

Zur zweiten Geschichte sagt Buddha selbst: „Der Zweck eines Floßes ist die Überfahrt, nicht das Festhalten an ihm.“ Wenn man das Boot mit sich schleppt, wird man nur sehr langsam vorankommen. Wenn etwas getan ist, sollte man von ihm lassen.“ Das Ziel des Buddhismus ist das Ende des Leidens. Und der beste (nicht der einzige) Weg dazu besteht in der Aufmerksamkeit.

Thich Nhat Hanh zufolge haben wir alle den Buddha in uns und können in seine Fußstapfen treten: „Buddha ist ein erleuchteter, liebender und verzeihender Mensch. Es gibt Zeiten, in denen du dich genauso fühlst. Dann genieße es, ein Buddha zu sein.“ Und dann können wir alle so leben, als ob jeder Augenblick ein Wunder wäre.

Mann bei Sonnenuntergang am Steg

Achtsamkeit bedeutet letztlich die Fähigkeit, etwas im Auge zu behalten.

Im Buddhismus funktioniert diese auf dreierlei Weise: wenn man sich daran erinnert, aufmerksam zu bleiben, was man im gegenwärtigen Moment tut; wenn man die Qualitäten erkennt, die im Geist auftauchen; und wenn man sich darüber im Klaren ist, wie man effektiv die Fähigkeit entwickelt, den Weg der Konzentration unterstützen.

EIN RUHIGER UND KLARER GEIST FÜHRT ZU EINEM GLÜCKLICHEN LEBEN

In (aber auch außerhalb) der Meditation bedeutet Achtsamsein, dem gegenwärtigen Moment seine volle Aufmerksamkeit zu widmen, um klar zu erkennen, was in uns und um uns herum vor sich geht, so dass wir unsere Arbeit auf die effektivste Weise erledigen können. Wer achtsam lebt, beobachtet stets seinen Geist und dessen Reaktion auf äußere Einflüsse. So wird unser Geist allmählich ruhiger und klarer.

Zusätzlich ist es hilfreich, ein tiefes Gefühl der Verbundenheit mit den Pflanzen und Tieren zu entwickeln, denn dadurch lernen wir, uns selbst immer besser zu verstehen und die Gewohnheit zu entwickeln, die Funktionsweise unserer Ideen und Gedanken in jedem Moment zu kontrollieren, wenn wir den Phänomenen der Welt durch unsere Sinne ausgesetzt sind.

Ein achtsames Leben in jedem Augenblick ist das glücklichste und sinnvollste Leben.

Fotos: Unsplash / Elcarito, Ante Hamersmit, Elias Kauerhof, Josh Marshall

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