Frau in grünem Kleid hält sich eine große Blume vor das Gesicht.

SO WIRD KLEIDUNG RECYCLEBAR

Das Berliner Start-up circular.fashion hat die Vision einer zirkulären Zukunft der Mode. Dafür sucht und findet es Lösungen, die der Umwelt gut tun und nachhaltige Veränderungen der Textilbranche bewirken sollen.

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Schwarz-Weiß-Bild von Ina Budde und Mario Malzacher.

Ina Budde hat Modedesign studiert und im Master „Nachhaltigkeit in der Mode“ Konzepte für zirkuläres Design und eine vernetzende Plattform entwickelt. Mit Mario Malzacher gründete sie danach circular.fashion.

Bei der Produktion eines T-Shirts werden rund 2.700 Liter Wasser verbraucht, bei einer Jeans 8.000; das Färben und Veredeln von Textilien verursachen geschätzt ein Fünftel der weltweiten Wasserverschmutzung.

Insgesamt ist die Modebranche laut eines Berichts des Europäischen Parlaments über die Umweltauswirkungen von Textilproduktion und -abfällen für zehn Prozent der CO2-Emissionen rund um den Globus verantwortlich – mehr als die der internationalen Luft- und Seeschifffahrt zusammen.

Ein Treiber dieser Negativ-Bilanz ist die Fast Fashion: Modefirmen bringen pro Jahr bis zu zwölf Kollektion in den Handel, viele Teile davon zu Schnäppchenpreisen. Die Folge: Jeder Europäer kauft jährlich rund 26 kg Textilien und entsorgt 11 kg. Doch weltweit wird nur weniger als ein Prozent der abgelegten Kleidung recycelt und zur Herstellung von neuer verwendet.

NACHHALTIGE MODE

Um das zu ändern, müssen alle EU-Mitgliedstaaten ab 2025 Textilabfälle getrennt sammeln. Außerdem hat die Europäische Union eine Strategie zur Förderung von kreislauforientierten Materialien und Herstellungsverfahren sowie zur Unterstützung der Verbraucher bei der Wahl nachhaltiger Textilien beschlossen.

Exakt dieser Aufgabe widmet sich das Berliner Start-up circular.fashion seit 2017. „Wir wollen es der Modebranche erleichtern, kreislauffähig zu sein“, erklärt Maria Schmidt, die seit April 2020 als Project Managerin & Executive Assistant Teil des jungen, interdisziplinären Teams ist.

Sie hat zuvor Mode- und Designmanagement studiert und schon währenddessen aus Überzeugung „für nachhaltige Brands“ gearbeitet. „Damit aus Produkten von heute die Ressourcen von morgen werden können, haben wir ein ganzheitliches Business-Konzept entwickelt. Dessen drei Säulen ergänzen sich gegenseitig.“

  • Zwei weiße T-Shirts, mit Accessoires präsentiert.
  • Laborgläschen mit Stoffstücken.

SOFTWARE FÜR ZIRKULÄRES DESIGN

Die erste Säule sind Workshops, die circular.fashion für Unternehmen organisiert, die mit textiler Kreislaufwirtschaft arbeiten wollen. Zugeschnitten auf spezifische Bedürfnisse vermitteln Experten mehrere Stunden oder Tage lang Knowhow zu ebenso langlebigen wie nachhaltigen Materialien, Designprozessen sowie Produktionsmethoden, die allesamt einen zirkulären, ressourcenschonenden Ansatz haben. Vor der Corona-Krise passierte das bei Vor-Ort-Terminen, in den Lockdowns wurden interaktive Online-Trainings als virtuelle Angebote entwickelt.

Mehrere Funktionen vereint als zweite Säule die Circular Design Software: In einer fortlaufend aktualisierten Datenbank finden sich Hunderte von Stoffen, Garnen und Leder(-Alternativen), die ebenso innovativ wie nachhaltig und von circular.fashion recyclingfähig sind. Als Inspiration und Information dienen beispielhafte Anleitungen für zirkuläres Design, die ebenfalls Teil der Software sind. Außerdem können mit Hilfe eines Circular Product Checks Produkte auf ihr Recycling-Potenzial hin analysiert werden.

Um sie zu identifizieren, einzuordnen und weiter zu verwerten, wurde als dritte Säule die circularity.ID® entwickelt: Als QR-Code auf Etiketten, NFC-Tag in Knöpfen oder integriert in Geweben lassen sich Informationen in einem standardisierten Format über Material, Verarbeitung und Recyclingsoptionen von Verbrauchern, Sortierern oder Wiederverwertern einscannen und auslesen, sodass jeder Akteur entlang des gesamten Lebenszyklusses eines Produktes zirkuläre und nachhaltige Entscheidungen treffen kann.

Illustration der circularity.ID

DESIGN MEETS BUSINESS

Dieses breitgefächerte Angebot hat sich im Laufe der letzten Jahre vier Jahre durch die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden circular.fashion-Gründer Ina Budde und Mario Malzacher herauskristallisiert: Sie ist studierte Mode-Designerin mit einem Master in Nachhaltigkeit in der Mode. Er hat einen Bachelor in Business Administration mit Schwerpunkt IT-Management und Software-Engineering sowie einen Master in Business Innovation und schrieb seine Abschlussarbeit über die „Geschäftsmodellgenerierung für Start-ups in der Kreislaufwirtschaft“.

„Ihr gemeinsames Ziel war es, für die Umsetzung zirkulärer Mode praktikable und relevante Informationen transparent zugänglich zu machen“, erklärt Maria Schmidt. Als Schnittstelle habe circular.fashion auch eine Vermittler-Funktion zwischen verschiedensten Akteuren entlang der Wertschöpfungskette.

Eine wertvolle Basis sei das „große Netzwerk“ von Ina Budde, das kontinuierlich weiterwächst. Mario Malzacher habe viel Expertise in Kreislaufwirtschaft, IT Prozessmanagement und Supply-Chain-Logistik. Hinzu kommen fortlaufende Recherchen und Erfahrungen des Teams durch diverse Projekte mit Partnern und Kunden – egal ob zu den aktuellsten Recycling-Technologien oder interessanten Materialien, die neu auf den Markt kommen.

Mit einem Smartphone wird das Label eines Pullis fotografiert.

AGILE MISCHUNG

Seine Besonderheit ist nicht nur eine bunte Mischung aus rund einem Dutzend „Machern, Denkern, Tech- und Textil-Enthusiasten“, sondern auch ihre „sehr agile Arbeitsweise“, so Maria Schmidt. Nach dem Prinzip der Holacracy haben sie keine festen Bereiche, sondern veränderbare Rollen in einem sich selbst organisierenden System. Alle zusammen haben „die Vision einer zirkulären Zukunft der Mode und die Mission, Lösungen zu finden und bekannt zu machen, welche die Entwicklung dorthin beschleunigen“.

Von Kunden von Armedangels über Ganni über H & M und Monki bis zu Silfir, The Slow Label und Zalando, bekommt das circular.fashion-Konzept großen Zuspruch. Auch Auszeichnungen wie der Global Change Award 2019 oder der StartGreen Award 2019 honorieren, dass circular.fashion einen zukunftsweisenden Weg gewählt hat.

Er zeigt, „dass zirkuläre Mode keine Einschränkung bedeutet, sondern ein Beschleuniger für Innovation und Kreativität ist,“ so das Selbstverständnis von circular.fashion.

  • Schwarz-Weiß-Bild von Maria Schmidt.
    Maria Schmidt arbeitet als Project Managerin & Executive Assistant bei circular.fashion.
  • Laptop mit Screenshot des Circular Fashion-Konzepts.

DIE NEUEN KOLLEKTIONEN

Diese Erfolge sind für Maria Schmidt ein Grund, stolz auf ihre Arbeit bei circular.fashion zu sein. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Start-ups ist sie zuversichtlich. „Noch ist zirkuläre Mode ein Nischenthema“, stellt sie fest. „Aber es wird immer präsenter und das Interesse steigt.“

Beweis ist seit Juni 2021 ein „Closed Loop Pilot“ in Kooperation mit FairWertung eV. und den Modemarken ARMEDANGELS, Besonnen, OTTO, The Slow Label und Vretena, die jeweils eine komplett recycelbare Kollektion produzieren und sie mit circularity.ID® ausstatten. Um diese auslesen und ausgediente Kleidungsstücke Recycling-Kanälen zuführen zu können, werden bei Textilsammlern wie Aktion Hoffnung Augsburg, Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart, Brockensammlung Bethel, Deutsche Kleiderstiftung, Diakonia München und Sammelzentrale Laupheim „intelligente“ Sortier-Stationen installiert.

Beginnend beim Design bis zur Rückführung und Wiederverwertung des Materials kann so der komplette Material-Kreislauf geschlossen werden – eine Trendwende hin zu einer notwendigen Veränderung statt Verschwendung.

Fotos: circular.fashion, iStock

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