Heißluftballon mit Hut steigt aus einem weißen Hemd mit Hosenträgern

ECKSTEINE DES LEBENS: DER WERT DES VERGESSENS

Loslassen ist oft schwerer als behalten, vergessen will gelernt sein, meint unser ältester Autor. Damit Platz ist für die wertvollsten Erinnerungen, aber vor allem für die Gegenwart und eine gute Zukunft.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Die Kunst zu vergessen
  • Festhalten und vergessen
  • Vergessen als gute Überlebensstrategie

 

Text Wolfgang Eckstein

Schwarz-weiß-Porträt von Wolfgang Eckstein

Wolfgang Eckstein ist 98 Jahre jung. Der Jurist war u.a. Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Bekleidungsindustrie, gründete den Verband deut­scher Mo­de­desig­ner, den Mo­de­kreis München und eine Stif­tung für die Modeindustrie. Für PURPOSE schreibt er exklusiv.

„Glücklich ist wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist“, heißt es in einem Lied der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss. Das klingt leicht und beschwingt, wie ein einschmeichelnder Wind, der glückliche Gefühle weckt.

Aber die Hektik des Lebens macht es nicht einfach, bewusst und bedacht zu vergessen, was nicht notwendig ist.

Oft wird das Vergessen als ein negatives Moment angesehen, weil man glaubt, dass es der Erweiterung des Wissens entgegenwirkt.

Der Überfluss von verschiedensten Informationen macht es schwer, das Vergessen der richtigen Priorität zuzuordnen. Man spricht deshalb in diesem Zusammenhang von einer Kunst des Vergessens. Wer diese beherrscht, für den ist es eine heilsame Praxis, die zu einem ausgewogenen, harmonischen Leben führt.

Im Nachfolgenden soll untersucht werden, was das Vergessen wirklich bedeutet und wie man es im Leben erfolgreich umsetzt.
Es bedarf einer gewissen Fähigkeit, um es zu kultivieren.

  • Zwei runde Wassergläser mit Goldfischen
  • Zwei runde Wassergläser mit Goldfischen

DIE NOTWENDIGKEIT DES VERGESSENS

Die Frage ist, welche Bedeutung das Vergessen im Leben hat und welche körperlichen Vorgänge dabei ablaufen. Das menschliche Gehirn hat kein statisches Programm, das jedes Ereignis mit all seinen Details, ganz gleich in welcher Form sie auftreten, unverändert aufnimmt. Jede Information wird nach Wichtigkeit bewertet und erst dann langfristig gespeichert. Diese unglaubliche Fähigkeit der Anpassung an die Gegebenheiten der Zeitverhältnisse entwickelte sich über lange Zeiträume. Wäre das nicht der Fall, würden wir von einer Flut von Eindrücken überfordert und ein gefiltertes Vergessen wäre unmöglich.

Die Wissenschaft ist überzeugt, dass diese aktive Funktion des Gehirns es überhaupt erst möglich macht, im Gedächtnis Raum zu haben für neue Eindrücke, Erlebnisse und Wahrnehmungen. Hätten wir diese Möglichkeit nicht, würden wir hilflos in einer Flut von Erinnerungen ersticken. Wir wären nicht in der Lage, im Moment zu leben und uns auf das Heute zu konzentrieren.

Nur durch das Vergessen haben wir einen Freiraum, der notwendig ist, uns an das zu erinnern, was wirklich wert ist, im Gedächtnis zu behalten. Schöne Erinnerungen kann man nicht noch einmal erleben. Sie sind große Geschenke im Leben.

Mann lehnt an Wand auf ihm kleben viele Post-its

DIE BEFREIENDE MACHT DES VERGESSENS

Verluste, Enttäuschungen, Sorgen und unerfreuliches Anderes sind aus dem Leben nicht wegzudenken. Wenn diese negativen Erfahrungen uns ständig begleiten, können sie zu einem erheblichen psychischen Druck führen.

Die Macht zu vergessen, schließt zugleich die Macht in sich, unerfreuliche und schädliche Gedanken zu vertreiben und nützliche an ihre Stelle zu rufen.

Die Möglichkeit des Vergessens erlaubt uns, loszulassen und in Harmonie mit der Vergangenheit zu leben. Damit sollen nicht negative Erinnerungen verdrängt werden, sondern man soll sich nicht ständig von diesen belastet fühlen.

VERGEBEN UND VERGESSEN

Vergebung und Vergessen sind eng miteinander verbunden. Bei der Vergebung kann man sich durch eine bewusste Handlung von seinen negativen Emotionen gegenüber anderen Menschen befreien. Beim Vergessen kann man sich von der Last der Erinnerung entlasten. Der französische Dichter und Philosoph Paul Valéry hat das treffend zusammengefasst: „Man muss vergessen, um sich zu erinnern.“ Nur ein bewusstes Vergessen schafft Platz für neue Freude, Zuversicht und Hoffnung und öffnet die Seele.

 

Aus einer Gliederkette vor rot-gelbem Himmel werden fliegende Vögel

DIE WELT DER INFORMATIONSFLUT

In der digitalen Welt heute werden wir ständig mit Mengen von Informationen überflutet. Dieses Wissen wird uns aufgedrängt, obwohl wir es nicht unbedingt brauchen. Oft ist es schwer das Wesentliche zu erkennen und das Unwichtige auszuschließen. Hier ist die Kunst des Vergessens hilfreich, aber etwas vergessen lernen, ist ebenso wichtig wie das Behalten von etwas zu lernen.

Wir müssen üben, um unterscheiden zu können, was wertvolle Information oder überflüssiger Fake ist.

Bewusstes Vergessen ist eine Überlebensstrategie, um seine geistige Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit zu behalten.

Ein kategorischer Weg dieses Ziel zu erreichen ist, sich aus der digitalen Welt zurückzuziehen und bewusst Auszeiten vom Bildschirm bzw. Display zu nehmen. Durch dieses „Entleeren“ findet man wieder Klarheit und damit auch die Möglichkeit, sich Erinnerungen zu schaffen, die das Herz erfreuen.
Jeder Tag ist dann wie ein neuer Beginn und bietet Momente, welche die Erinnerungen von Morgen sein können. Es gibt im Leben ein Meer von Erinnerungen, aber nur einen See, in dem die Seele baden kann.

Die Erinnerungen sind so individuell und vielseitig, dass an dieser Stelle nur einige Beispiele grundsätzlicher Art angeführt werden können. Solche sind: das Glück der Begegnungen mit wertvollen Menschen, Reisen, die einem den Atem rauben, überwältigende Naturerlebnisse, Zufälle, die das Leben verändern, unerwartete Erfolge, Wiedersehen, an die man nicht mehr geglaubt hatte.

Hauswand aus roten Ziegelsteinen mit blauer Markise, gelber Holzbank und vielen beschrifteten Zetteln

DAS BAND ZWISCHEN ERINNERUNG UND VERGESSEN

Man muss erkennen, dass Erinnerung und Vergessen kein Widerspruch sind, sondern sich ergänzen. Gutes Gedächtnis bedeutet nicht, alles im Kopf zu haben, sondern nur das Wichtige zu speichern und das Überflüssige loszulassen.

Ein Gedächtnis, das überlastet ist, kann genauso blockierend wirken wie eines, das zu schnell vergisst. Die Kunst besteht darin, den richtigen Moment des Loslassens zu erkennen, um dann zu entscheiden, was man vergessen kann.

Der Dichter Jean Paul (1763 – 1825) sagte: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.“

Bei allem Vergessen soll das Wertvollste erhalten bleiben und eine Bereicherung für das Leben sein. Es ist ein aktives Tun, um das Wesentliche zu bewahren. Achtsamkeit ist dafür ein Schlüssel. Wenn wir achtsam mit unseren Gedanken und Erinnerungen umgehen, können wir bewusster entscheiden, welche Erinnerungen uns aus der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft positiv begleiten sollen.

LOSLASSEN UND FESTHALTEN

Die Kunst des Vergessens ist eine notwendige Fähigkeit in einer Welt, die uns ständig fordert, zu erinnern, zu wissen und zu behalten.

Das erfordert Mut, Geduld und die Erkenntnis, dass Loslassen oft schwerer ist als Festhalten. Das aber ist auch die Weisheit, dass nicht alles, was uns begegnet, uns auf Dauer begleiten muss. Wenn man Vergangenes nicht hinter sich lässt, ist kein Platz für die Gegenwart und die Zukunft.

Wer das Vergessen kultiviert, lernt freier, gelassener und unbeschwerter zu leben. Denn Vergessen ist nicht das Gegenteil von Erinnern, sondern das Tor zu einem harmonischen Leben.

In der Kunst des Vergessens finden wir den Weg zu mehr innerer Klarheit und emotionaler Freiheit – eine Kunst, die wir in der heutigen Welt mehr denn je beherrschen sollten.

Der Autor hat Erinnerungen, die es wert waren, nicht vergessen zu werden, in schriftlicher Form für immer festgehalten und wenn möglich mit Fotos, Filmen, Briefen und Reiseberichten abgerundet.

Gerade in späteren Jahren sind sie für ihn wie das wiederholte Anschauen eines interessanten, abwechslungsreichen Lebensfilms mit erfreulichen, beglückenden, überraschenden Szenen, in denen er die Hauptrolle spielt und dafür mit vielen lebensbereichernden Stunden bezahlt wurde.

Er vertritt die Meinung: Was auch immer dir in der Vergangenheit Negatives passiert ist, gehört der Vergangenheit. Lass nicht zu, dass es deine Zukunft bestimmt.

Fotos: iStock, Unsplash / Bundo Kim, Luis Villasmil

Donner & Reuschel

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