
WIE VIEL EINFÜHLUNGSVERMÖGEN IST ANGEBRACHT?
Menschen sind Gefühlswesen, sie fühlen Freude und Leid. Wie gehen wir damit um? Können wir gar Schlechtes in Glück verwandeln? Antworten aus dem Buch „Weit weg – Nah dran.“
Hier erfahren Sie mehr über
- Selbsterfahrung
- Menschliche Bedürfnisse
- Lebendigkeit und Tiefe
Text MoonHee Fischer

Dr. Moon Hee Fischer, Philosophin und Kolumnistin, verbindet philosophisches Denken und spirituell gelebtes Gewahrsein u.a. in ihrem Buch „Wir erleben mehr, als wir begreifen“. Seit vielen Jahren begleitet sie Menschen in Lebensfragen und -themen in ihrer philosophisch-spirituellen Praxis in München.
„Begrenzt ist das Leben, doch unerschöpflich die Liebe.“ (Ihara Saikaku)
Es liegt im Wesen des Guten, dass es von ihm nie ein Übermaß geben kann. Ein Zuviel des Guten schadet nicht. Hingegen ist schon die kleinste Dosis vom Schlechten falsch.

VOM ICH ZUM DU ZUM WIR
Unabhängig von den persönlichen Fähigkeiten sind ein gutes Einfühlungsvermögen oder Empathie in jedem Lebensbereich und für jeden Menschen wichtig. Ohne das Vermögen, sich in andere Menschen und Situationen einfühlen zu können, ist jede Art von Beziehung früher oder später zum Scheitern verurteilt – auch die zu sich selbst.
Das Maß, in welchem wir uns in uns selbst einfühlen und uns selbst (er)fühlen können, ist das gleiche, in dem wir andere (er)fühlen können. Denn jede Beziehung fängt bei einem selbst (Ich) an, geht dann zum anderen (Du) und kehrt als WIR zu einem zurück. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
Einfühlungsvermögen ist kein Deal. Nicht: „Ich fühle dich, dann musst du mich doch auch fühlen und sehen, was meine Bedürfnisse sind“, sondern: „Ich fühle dich, weil du ein Teil von mir bist.“

WIE KANN ICH SCHMERZHAFTES IN ETWAS GUTES VERWANDELN?
Alle Wesen sind mit ihrer Umwelt verflochten. Je weiter oder offener der Bewusstseinshorizont, desto sozialer und gemeinschaftsfähiger sind wir. Wir sind keine Maschinen, die mechanisch aufeinander reagieren – wir sind menschliche Wesen, die lebendig miteinander interagieren.
Menschen sind Gefühlswesen. Das bringt Freude und Leid mit sich.
Sosehr wir uns eine leidfreie Welt wünschen, bedeutet Leid aber auch Lebendigkeit und Tiefe. Ein Universum bestehend aus reinem Glück und Freude, wäre bloß ein trunkener Rausch, in dem alle Verschiedenheit aufgehoben wäre. Nichts hätte einen Eigenwert, alles wäre ein einziger Brei. Die Welt wäre nicht rund, sie wäre flach.
Leid gehört wie der Atem zum Leben. Auf dem Weg des tiefen Fühlens und des Miteinanders geht es nicht darum, Leid zu bekämpfen, es ist das Wissen über die rechte Einstellung zum Leiden, das uns frei macht. Leid existiert. Die Frage ist nicht: Wie kann ich mich vor Leid schützen? Die Frage ist: Wie gehe ich mit Leid richtig um? Und was kann ICH tun, um es in etwas Gutes zu wandeln?
Das PURPOSE-Magazin bedankt sich für diese Leseprobe. Weitere Fragen und MoonHee Fischers Antworten darauf werden folgen.
Fotos: iStock