Diverse Geldscheine in unterschiedlicher Währung.

GELDSCHEIN VS. „SCHEINGELD“

Vom antiken Tauschhandel bis zu Kryptowährungen: die Zahlungsmittel haben sich immer wieder verändert. Wie sich heutige durchsetzen werden, ist völlig unklar. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Text Julian Rautenberg

Schwarz-Weiß-Bild von Julian Rautenberg.

Julian Rautenberg ist Leiter Private Banking bei der Privat­bank DONNER & REUSCHEL. Er hat Betriebs­wirtschaft, Politik und Philosophie an der LMU München studiert. Für Purpose schreibt er regelmäßig über wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Veränderungen.

Die Menschheit hat sich Jahrtausende lang durch Ackerbau und Viehzucht ernährt, bis durch Tauschgeschäfte die ersten Märkte entstanden. Im Verhältnis ging es von da an relativ schnell, bis der direkte Tauschhandel durch den Einsatz von Zahlungsmitteln ersetzt wurde.

EINE SEHR KURZE GESCHICHTE DES GELDES

Im 7. Jahrhundert vor Christus wurden an der türkischen Westküste kleine Edelmetallbrocken mit einem Stempel geprägt, womit die Idee der Münze geboren war. Der König als Münzherr garantierte Gewicht und Metallgehalt. Diese Garantie war zunächst so viel wert wie das Vertrauen in den König.

Gleichzeitig überprüften Kaufleute das Gewicht der Münzen mit einer Feinwaage. In der Hacksilberwirtschaft des hohen Mittelalters glaubte niemand an königliche Garantien, dafür konnte jede Art von Silber als Zahlungsmittel verwendet werden, für die passende Stückelung wurden Schmuck, Barren und Münzen einfach zurechtgehackt, sodass sich Silber, Gold, Edelmetalle als Tauschmittel durchsetzten.

Papiergeld entstand als Quittung für eingelieferte Metallbarren, ausgestellt zum Beispiel durch Banken. Da sie viel leichter zu handhaben waren als die Barren, waren sie bei Händlern beliebt.

Da jedoch auch niemand genau kontrollieren konnte, ob die Zahl der ausgegebenen Quittungen dem tatsächlich vorhandenen Metallbestand entsprach, eröffneten sich erste Möglichkeiten zur Ausweitung der Geldmenge ohne reale Unterlegung in Form eines limitierten Wertes.

Heute wissen wir, dass der Einsatz von Papiergeld grundsätzlich funktioniert, solange alle Marktteilnehmer an den Wert des Geldes glauben.

Geld ist somit vor allem eine Fiktion, ein Versprechen, dass man sich damit eine Woche später etwas zum Essen kaufen kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ausschlaggebend hierfür ist das Vertrauen in die Institutionen, die das Geld bereitstellen und kontrollieren.

Oft genug ist dieses Vertrauen völlig verloren gegangen, wenn man z.B. an die Weimarer Republik oder an Argentinien in den Jahren 2001 und 2002 denkt.

VON BRETTON-WOODS ÜBER LEHMAN BROTHERS ZU BITCOIN

Die Entkopplung der Geldmenge von einem „realen“ Wert ist gar nicht so lange her. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das so genannte Bretton-Woods-System eingeführt, dass für eine Vielzahl von Währungen feste Wechselkursbeziehungen zum US-Dollar definierte und für den US-Dollar eine Goldeinlösepflicht festlegte. Besonders lang hielt die Gold-Bindung jedoch nicht.

Bereits in den 1960er Jahren hätte nur etwa die Hälfte der umlaufenden US-Dollar in Gold eingetauscht werden können.

Am 15. August 1971 stoppte US-Präsident Nixon die nominale Gold-Bindung des Dollar („Nixon-Schock“), bis dann 1973 das gesamte Bretton-Woods-System aufgelöst wurde, die Wechselkurse freigegeben wurden und eine Ära der weltweiten Geldmengenausweitung begann, die ohne eine „realen“ Unterlegung der jeweiligen Währung bei den nationalen Notenbanken auskam.

STOCKENDER FINANZFLUSS UND NEUE KONZEPTE

In Kombination mit etlichen Deregulierungsmaßnahmen der Finanzmärkte – maßgeblich in Großbritannien unter Margarete Thatcher und in den USA unter Ronald Reagan – begann eine bis dahin unvorstellbare Ausweitung der Geldmengen ohne reale Unterlegung.

Durch den deutlich leichteren Zugang zu Kapital wurden einerseits hohe Wohlstandsgewinne ermöglicht, andererseits stieg die Geldmenge und die Verschuldungsgrade unaufhörlich weiter, was in der US-Sub-Prime-Krise im Jahr 2007 und dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 sowie der Nahtoderfahrung des weltweiten Finanzsystems in dessen Folge kumulierte.

Der Lehman-Crash hat gezeigt, wie entscheidend Vertrauen in diesem Finanzsystem ist. Wenn keine Bank mehr der anderen traut, leiht kein Institut mehr dem anderen Geld – und sei es nur über eine Nacht. Der Finanzfluss im gesamten System kam zum Erliegen, der Blutkreislauf der Weltwirtschaft stand unmittelbar vor dem Herzinfarkt.

Die Folge waren einerseits weitere Geldinfusionen der Staaten und Notenbanken, um die Finanzströme wieder zum Leben zu erwecken. Andererseits kam es zu ersten „systemischen“ Gegenantworten. Im Oktober 2008 – ein Monat nach Lehman – wurde das Bitcoin-Konzept bekannt, als das entsprechende White-Paper unter dem Autoren-Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentlicht wurde. Und das ist kein Zufall.

  • Ein Geldautomat von ATM
    1965 kam John Shepherd-Barron die Idee, dass es Geld an Automaten geben sollte, als er vor verschlossenen Banktüren stand. Heute gibt es selbst in der Antarktis "ATM"s.
  • Das Bild zeigt Hochhäuser im Frankfurter Bankenviertel.

WAS SIND BITCOIN UND BLOCKCHAIN?

Eine gute Definition liefert das Gabler Banklexikon: „Bitcoin ist eine digitale Währung auf Basis der Blockchain-Technologie. Bitcoins entstehen ohne Beteiligung von Zentralbanken durch die Berechnung von Blöcken, welche Transaktionen enthalten und durch kryptographische Berechnungen im Zuge des sogenannten Mining entstehen.

Diejenigen Rechner, welche innerhalb eines definierten Zeitraums die Verschlüsselungsberechnungen am schnellsten ausführen, erhalten die Kompensation dafür in der Bitcoin-Währung und betreiben darüber Geldschöpfung. Mittels der elektronischen Währung lassen sich Zahlungen anonym und ohne klassische Banken in geringer Zeit (fast Echtzeit) weltweit abwickeln.“

Eine Blockchain ist – in sehr wenigen Worten – Folgendes: „Eine dezentrale, chronologisch aktualisierte Datenbank mit einem aus dem Netzwerk hergestellten Konsensmechanismus zur dauerhaften digitalen Verbriefung von Eigentumsrechten.“

Ein weiteres bedeutendes Element der meisten Kryptowährungen ist eine „technisch-natürliche“ Limitierung, im Falle von Bitcoin auf 21 Millionen Einheiten. Durch diese Limitierung entsteht eine ähnliche Begrenztheit wie zum Beispiel bei Gold-Reserven, die früher an die Geldmenge gekoppelt wurden.

Durch diese Begrenztheit sehen Krypto-Anhänger einen entscheidenden Vorteil: die „Geldmenge“ einer Kryptowährung kann eben nicht beliebig erhöht werden, so wie bei bisherigen Währungen.

Dadurch seien Kryptowährungen automatisch vor Inflation geschützt, was für andere Währungen nicht gelte. Hinzukommen – aus der Perspektive der Kryptofans – weitere Vorteile wie z.B. die dezentrale „Schürfung“ durch private Erzeuger. Und hier beginnt der Systemkampf.

DAS ZENTRALBANK- UND STAATSFINANZIERUNGSSYSTEM

In den großen Volkswirtschaften der Welt wird die jeweilige Währung durch die Notenbanken emittiert und deren Geldmenge durch sehr viele verschiedene Instrumente gesteuert. Je nach jeweiliger Institutionenordnung können die Notenbanken mehr oder weniger unabhängig agieren.

Formell bzw. idealtypisch sollten sie vor allem der Geldwertstabilität verpflichtet sein, so wollen es zum Beispiel die Statuten der Europäischen Zentralbank, auch wenn diese ihr Aufgabenspektrum in den letzten Jahren immer breiter definiert hat.

Die US-Notenbank Federal Reserve hat daneben auch einen klaren Auftrag zur Förderung der wirtschaftlichen Prosperität und steht unter größeren politischen Einfluss; das gleiche gilt z.B. für die Chinesische Zentralbank.

Die Zentralbanken legen nicht nur die Geldpolitik fest, sondern sie regulieren und beaufsichtigen auch die Geschäftsbanken und organisieren de facto die Finanzierung der jeweiligen Staatshaushalte (in Europa zusätzlich über die nationalen Notenbanken wie die Deutsche Bundesbank).

Somit haben sich Geld- und Fiskalpolitik in den letzten Jahren immer stärker gegenseitig ergänzt. Beginnend mit dem Lehman-Crash, über die Griechenland-Krise in Europa bis hin zur Finanzierung und Abschwächung der Corona-Krise.

Durch die Regulierung der Geschäftsbanken sind diese bis zu einem gewissen Grad bereit, überschüssige Liquidität in Staatsanleihen zu investieren. Kredit an Staaten und staatliche Institutionen – und nichts anderes sind Staatsanleihen – sind die einzigen Kredite, für die Banken kein Eigenkapital unterlegen müssen.

Die ausufernde Geld- und Fiskalpolitik seit dem Jahr 2008 hat sukzessive zu einem gewissen Vertrauensverlust und zu Inflationsängsten geführt. Privat und dezentral erzeugte Währungen, die zudem technisch-systemisch in der Anzahl ihrer Einheiten begrenzt sind, scheinen angesichts dieser Entwicklung eine immer interessantere Option für Investoren zu werden.

Es ist eine neue Form der „Flucht in Sachwerte“ wie Aktien und Immobilien, deren Preissteigerungen in den letzten 12 Jahren nichts anderes als eine so genannte Inflation der Vermögenswerte abbilden.

ES GEHT UM VERTRAUEN

Viele Kritiker führen an, dass Kryptowährungen unreif und unseriös seien und Schattenmärkte entstehen lassen, die Anonymität und damit Geldwäsche und Kriminalität ermöglichen und im Allgemeinen sehr schwankungsanfällig sind.

Bei all dieser berechtigten Kritik zeigt die Entwicklung der letzten Jahre jedoch einen stetigen Zufluss professionell investierter Vermögen in Kryptowährungen und dies hat – analog zu Aktien und Immobilien -viel mit einem schwindenden Vertrauen, Negativzinsen und Inflationsängsten in klassischen Währungen zu tun.

Noch sind die Verhältnisse für die Staaten- und Notenbanken nicht bedrohlich, weitere Vertrauensverluste könnten dies jedoch ändern. Wie eingangs erläutert fußt das gesamte Konzept einer Währung auf dem Vertrauen der Marktteilnehmer in die Institutionen, die sie organisiert bzw. bereitstellt.

Dabei ist die Geldwertstabilität zentral vertrauensbildend. Bei hoher Inflation weichen Investoren auf alternative Zahlungsmittel aus, die auch morgen noch etwas wert sind. Hierfür gibt es unzählige Beispiele in der Geschichte.

Neben dem Vertrauen aller Akteure beruht Zentralbankgeld juristisch vor allem auf einem staatlichen Monopol zur Gelderzeugung, das gleichzeitig die Basis für die Staatsfinanzierung und letztlich für das gesamte Kreditwesen in seiner heutigen Form legt. Staaten und Notenbanken haben ein natürliches Interesse an einem Erhalt des aktuellen Systems und entwickeln daher eigene Kryptowährungen (u.a. E-Euro, etc.).

Da die E-Coins der Notenbanken jedoch ebenfalls an den Wert der jeweiligen Währung gekoppelt sind, erfüllen diese das zentrale Investorenkriterium für Kryptowährungen – nämlich Systemunabhängigkeit – nicht. Die Staaten und Notenbanken tun dennoch gut daran, sich intensiv mit der Blockchain-Technologie zu befassen.

zwei zusammen geführte Hände, in denen viele Münzen liegen.

DIE BLOCKCHAIN-TECHNOLOGIE IST EIN GAMECHANGER – AUSGANG UNGEWISS

Die Blockchain-Technologie wird an vielen Stellen unser Leben und das Wirtschaftssystem verändern. In einigen Jahren werden Wertpapiere nicht mehr über Banken und Börsen gehandelt werden, sondern über Blockchains den Besitzer wechseln. Wenn die Staaten es zulassen, können etliche Funktionen künftig überall dort entfallen, wo es um die Absicherung von Transaktionen geht, z.B. Notar-Dienstleistungen.

Auch in der öffentlichen Verwaltung könnten durch Blockchains erheblich Effizienzen gehoben werden. Das Stadium der Blockchain-Technologie heute ist vergleichbar mit dem des Internets Anfang/Mitte der 1990er Jahre: ein Großteil der Nutzungsmöglichkeiten, der Unternehmen und Geschäftsmodelle, die durch Blockchains entstehen werden, existieren heute noch nicht.

Genauso wird die Blockchain-Technologie das Finanzsystem radikal verändern und viele Bankdienstleistungen überflüssig machen. Technisch können auf Blockchain-Basis komplette Währungssysteme entstehen.

Abseits der technischen Machbarkeit wird die spannendere Frage jedoch sein, ob ein System von Krypto-Währungen das bisherige Währungssystem komplett ablösen wird oder ob verschiedene Systeme dauerhaft ko-existieren können. Dies ist vor allem eine politische und gesellschaftliche Frage.

DIE ZUKUNFT? LIEGT IN DEN HÄNDEN DER GELD- UND FISKALPOLITIKER

Aus heutiger Sicht haben weder Staaten noch Notenbanken ein Interesse daran, die Kontrolle über das Währungssystem zu verlieren. Durch die Verquickung von Geld- und Fiskalpolitik, Staatsfinanzierung und Bankenregulierung ist es auch schwer vorstellbar, wie eine dezentrale, privat organisierte Technologie ein echter Ersatz sein kann.

Hierfür wäre ein gewaltiger Umbruch notwendig, ausschließen sollte man ein solches Szenario in einigen Jahren oder Jahrzehnten jedoch nicht.

Geldwertstabilität liegt grundsätzlich im gesellschaftlichen Interesse. Wenn die dafür zuständigen Institutionen diese jedoch dauerhaft nicht mehr gewährleisten (können), wird der Druck sukzessive zunehmen.

Sollte das Vertrauen in die staatlichen Währungen weiter erodieren, stünde zumindest eine radikale Alternative bereit. Dass es so weit nicht kommt, liegt in den Händen der Geld- und Fiskalpolitiker. Ein Ende der Negativzinspolitik und die Eindämmung inflationärer Entwicklungen wären hierfür die ersten Voraussetzungen.

Fotos: iStock, Unsplash / Jake Allen, Charlotte Venema

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