Fotografie mit Fokus auf Nachhaltigkeit

Mit der Kraft der Fotografie Facetten des Menschlichen zeigen, für nachhaltige Themen sensibilisieren und zum Handeln inspirieren, ist das Ziel des „Prix Pictet“. Jetzt werden die „Bilder zum Innehalten“ in München ausgestellt.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Den Preis für Fotografie
  • Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne
  • Erweiterte Horizonte

 

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Isabelle von Ribbentrop

Isabelle von Ribbentrop hat Geschichte und Politik studiert und arbeitete im Consulting. Heute ist sie bei der Pictet Group Global Head of Branding, Advertising & Sponsoring sowie Executive Director des “Prix Pictet”.

Federico Ríos Escobar begleitete südamerikanische Familien, die das gefährliche Dschungelgebiet an der Grenze zwischen Kolumbien und Panama als Migranten mühsam zu Fuß durchqueren.

Gauri Gill besuchte immer wieder Randgruppen, die in indischen Wüstenregionen Rajasthans tapfer Monsunregen, Staubstürmen und Dürren trotzen.

Michał Łuczak dokumentierte die unauslöschbaren Spuren, die die Bergbauindustrie in Oberschlesien hinterließ.

Gera Artemovas führte ein visuelles Tagebuch, das mit dem russischen Angriff auf ihre Heimatstadt Kiew beginnt.

Yael Martínez reagiert mit perforierten Bildern auf das Verschwinden von Familienmitgliedern, die in Mexiko Opfer von Gewalt wurden.

Die Britin Siân Davey lud verschiedenste Menschen in ihren liebevoll angelegten, üppig blühenden Garten ein, um sie inmitten von Grün zu porträtieren.

Gauri Gill
Die indische Fotografin Gauri Gill gewann den Hauptpreis

FACETTEN DER MENSCHLICHKEIT

Von Dokumentar- über Landschafts- bis Porträtfotografie, aufgenommen an Orten rund um den Globus, oft sozialkritisch-besorgt, aber auch zuversichtlich: Sehr unterschiedliche Serien wurden mit dem jüngsten „Prix Pictet“ ausgezeichnet. Insgesamt schafften es Arbeiten zwölf internationaler Fotografinnen und Fotografen auf seine Short List und in die aktuelle Ausstellung.

Den mit 100.000 Schweizer Franken dotierten Hauptpreis bekam Gauri Gill, den erstmalig vergebenen People’s Choice Award über 10.000 Schweizer Franken Federico Ríos Escobar.

Alessandro Cinque

Allesandro Cinque

Den People’s Choice Award erhielt Federico Ríos Escobar

Gera Artemova

Ragnar Axelsson

Siân Davey

Yael Martínez

Gemeinsame Klammer bei aller Vielfalt war das Thema, zu dem alle Bilder im zehnten Zyklus des „Prix Pictet“ passen sollten: Human.
Ziel ist es, mit erzählerischer Kraft, Originalität und künstlerischer Qualität Facetten des Menschlichen zu zeigen – von den negativen Auswirkungen, die Triumphe in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Technologie oft mit sich bringen, bis hin zu Beispielen für Einfallsreichtum, Intelligenz und Resilienz, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen.

Hoda-Afshar
Foto: Hoda Afshar

WEIT GEFASSTE BEGRIFFLICHKEIT

Gleiches galt für alle vorhergehenden Motti des „Prix Pictet“: Das erste war 2008 Wasser, dann folgten alle zwei Jahre Erde, Wachstum, Kraft, Konsum, Unordnung, Raum, Hoffnung und Feuer.

„Die Auswahl für jeden Zyklus erfolgt in einem sorgfältigen, durchdachten Prozess. Die jeweilige Begrifflichkeit ist dabei immer relativ weit gefasst“, erklärt Isabelle von Ribbentrop, die Executive Director des „Prix Pictet“ ist.

„Mit jeder geht es darum, die dringendsten Nachhaltigkeitsprobleme unserer Zeit und ihre Relevanz für die Gesellschaft zu berücksichtigen. Unser Anliegen ist es, ein breites Publikum mit der Kraft der Fotografie für Umweltthemen zu sensibilisieren, Verständnis und Empathie zu wecken, das Bewusstsein zu schärfen und zum Handeln zu inspirieren.“

Fotografie besitze die einzigartige Fähigkeit, die Gegenwart anschaulich einzufangen, Geschichten zu erzählen, Emotionen hervorzurufen und Botschaften auf eine Weise zu kommunizieren, die Sprachbarrieren überwindet und Menschen auf einer tiefen, persönlichen Ebene berührt.

Michał-Łuczak
Foto: Michal Luczak

ENGAGEMENT IM BEREICH PHILANTHROPIE

Initialzündung für den „Prix Pictet“ war der Wunsch der Pictet Group, die als Schweizer Investmenthaus in den Bereichen Wealth Management, Asset Management und Asset Services tätig ist, sich noch stärker und sichtbarer im Bereich Philanthropie zu engagieren.

Es gab bereits eine unternehmenseigene Stiftung, die sich für einen besseren Zugang zu Wasser und Ernährung und mehr Gerechtigkeit in diesen beiden Bereichen einsetzt. Sie geht Partnerschaften mit Organisationen ein, die einen innovativen und unternehmerischen Ansatz zur Verbesserung der globalen Gesundheit und zum Aufbau nachhaltiger Resilienz verfolgen“, blickt Isabelle von Ribbentrop zurück.

Darüber hinaus wollten wir auch selbst etwas tun. Resultat war ein Fotografie-Preis mit dem speziellen Fokus auf Nachhaltigkeit“, der aus zwei Gründen „ganz klein angefangen hat“: Erstens hatte 2008 „das Thema Nachhaltigkeit noch niemand auf der Landkarte“. Zweites musste die Infrastruktur für eine Preisverleihung Schritt für Schritt aufgebaut werden.

Vanessa-Winship
Foto: Vanessa Winship

NETZWERK AUS FÜHRENDEN PERSÖNLICHKEITEN

Isabelle von Ribbentrop, die über ihre berühmte Großmutter und Society-Fotografin Marianne (Manni) Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn schon als Kind ein Faible für Fotografie vermittelt bekam, knüpfte im Lauf der Jahre ein Netzwerk aus über 300 führenden Persönlichkeiten der weltweiten Fotografie- und Kunstszene.

Sie schlagen Kandidaten vor, von denen sie glauben, dass sie herausragende Arbeiten zum jeweiligen Thema des Zyklus geschaffen haben. In den Anfangszeiten kamen 200 Portfolios zusammen, mittlerweile sind es 600 bis 800.“

Aus diesen filtert eine unabhängige Jury aus Expertinnen und Experten für Kunst, Fotografie und Nachhaltigkeit zwölf Kandidaten inklusive eines Gewinners heraus, deren Arbeiten das Thema am besten repräsentieren und die strengen Kriterien des Preises erfüllen.

Alle werden „gleichberechtigt“ in einer Ausstellung gezeigt, die zwei Jahre durch internationale Museen tourt. Um jeden zu erreichen, ist der Eintritt meist gratis. Mehr Fotos aus den eingereichten Serien zeigt ein begleitender Bildband, der laut Isabelle von Ribbentrop explizit kein gefälliges „Coffee Table Book“ sein soll.

Vasantha Yogananthan
Foto: Vasantha Yogananthan

WHO IS WHO DER FOTOGRAFIE

„Dass sich der ‚Prix Pictet‘ so entwickeln würde, hätte ich nie gedacht“, freut sich Isabelle von Ribbentrop, die ihr Büro in London hat und für ihre „ebenso tolle wie erfüllende Aufgabe“ weltweit unterwegs ist.

„Diesen Preis kennt man“, bestätigt Franziska Kunze, Sammlungsleiterin für Fotografie und Zeitbasierte Medien an der Pinakothek der Moderne in München.

„Er hat einen hohen Stellenwert in der Fotografie-Szene, zu seinem Netzwerk gehört deren Who is Who. Seine Spezialität ist die Konzentration auf das Thema Nachhaltigkeit, das jeweilige Schlagwort gibt ihm einen speziellen Twist. Dass nur Serien gezeigt werden, sorgt immer für ein anderes Narrativ, jede ist ein Kosmos für sich.“

Entsprechend groß war ihre Bereitschaft, die Ausstellung zum „Prix Pictet Human“ vom 6. bis 24. November 2024 in der Pinakothek der Moderne gastieren zu lassen.

„Das Schöne an dem Preis ist, dass es für Einreichungen keine Altersbeschränkung gibt und spannende Newcomer, die noch nie in Museen zu sehen waren, genauso eine Chance haben wie etabliertere Fotografinnen und Fotografen.“

HORIZONTERWEITERUNG ALS TEIL DES NETZWERKS

Die Sorge, dass das Publikum durch die allgegenwärtige Bilderflut in digitalen Medien übersättigt von Fotografie sein und das Interesse an Foto-Ausstellungen verlieren könnte, teilt sie nicht. „Was auf künstlerisch-professioneller Ebene gezeigt wird, hebt sich sehr schnell von beliebigen Amateurbildern auf Instagram & Co. ab und lässt einen innehalten.“

Im Hinblick auf den nächsten „Prix Pictet“ erwartet Franziska Kunze eine besondere „Horizonterweiterung“: Erstmals ist sie Teil des hochkarätigen Netzwerks, das Portfolio-Vorschläge zum Oberthema „Sturm“ machen darf, dass im Sommer 2024 bei den Rencontres de la Photographie d‘Arles und in der Financial Times bekannt gegeben wurde.

„Ich mache mir viele Gedanken, was dazu passen könnte. Das kann eine ganz dokumentarische Serie sein, die mit den verheerenden Folgen eines Hurrikans die Auswirkungen des Klimawandels zeigt“, verrät sie. „Genauso gut kann es um innere Stürme gehen, wenn jemand mit sich selbst ringt. Fotografie hat alle Freiheiten der Welt.“

Und sie kann viel bewegen. Ein ebenso ambitioniertes wie erfolgreiches Beispiel ist der „Prix Pictet“.

Fotos: Hoda Afshar,Magnus Arrevad for Pictet Group, Gera Artemova, Ragnar Axelsson,  Alessandro Cinque, Siân Davey, Federico Ríos Escobar, Gauri Gill, Michał Łuczak, Yael Martínez, Vanessa Winship, Vasantha Yogananthan

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