Orangefarbene Boxhandschuhe hängen an einer Wand von der an einigen Stellen der Putz abgegangen ist

Friedvolle Schlagfertigkeit

Auf Augenhöhe ist „Schlagfertigkeit“ eine freundliche Haltung gegenüber dem Leben. Über den friedvollen Umgang mit Gefühlen und eine wohltuende Balance zwischen Ich, Du und Wir.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Überbordende Emotionen
  • Miteinander statt Gegeneinander
  • Agieren statt reagieren

Text Irmela Neu

Schwarz-Weiß-Bild von Prof. Dr. Irmela Neu.

Prof. Dr. Irmela Neu lehrt Interkulturelle Kommu­nikation in Spanien und Lateinamerika an der Hochschule München für angewandte Wissenschaften (HM), gibt Seminare zu empathischer Kommu­nikation, ist Autorin und studierte Politologin. www.irmela-neu.de

Die Zusammensetzung „Friedvolle Schlagfertigkeit“ mag erstaunen – und ja, das soll sie auch! Die Stilfigur des „Oxymoron“ kombiniert zwei gegensätzliche Wörter, die für sich allein eine andere Bedeutung haben.

„Schlagfertigkeit“ bezieht sich auf Gesprächssituationen, bei denen eine Person oder auch eine Gruppe von Personen einer oder mehreren Personen sprachlich zunächst etwas hinwirft, das als beleidigend, kränkend, provozierend oder auch als „Anmache“ verstanden werden kann beim Gegenüber. Ein schnelles, überraschendes Kontern des „Angriffs“ nicht nur zur Verteidigung, sondern zur Wiederherstellung der Augenhöhe von „Täter“ und „Opfer“ ist das Ziel einer schlagkräftigen Antwort.

Von Erniedrigung über Ohnmacht bis Wut: Die überbordenden Emotionen

Ob es so beabsichtigt und gemeint ist oder einfach nur ein unglücklicher Versuch des „Aggressors“ ist sich mitzuteilen, sei dahingestellt. Jedenfalls spielen bei ihm überbordende Emotionen eine Rolle, die beim Gegenüber ebenfalls oft überbordende Emotionen auslösen – beim „Opfer“ ein Gefühl der Erniedrigung, Respektlosigkeit, Missachtung etc., das nur allzu oft zu entsetzter Sprachlosigkeit im Moment des „Angriffs“ führt.

Dies endet dann gerne damit, dass die gekränkte Person noch lange über mögliche, schlagfertige Antworten zur Rettung des eigenen Unwohlseins und zur Retourkutsche grübelt.

Auf der einen Seite steht die Sehnsucht nach dem Gefühl „der/dem habe ich es aber gezeigt“, auf der anderen Seite die Sprachlosigkeit im Moment des Ausgeliefertseins.

Und bei verbalen Attacken wirkt die in sich gekehrte, ohnmächtige Hilflosigkeit (oder auch Wut) beim „Opfer“ noch lange nach.

 

Rotes Stoppschild vor blauem Himmel in trockener Wüstenlandschaft

„Schlagfertigkeit“ vermittelt das Gefühl, nicht einem Angriff ausgeliefert zu sein, sondern ordentlich pariert zu haben. Trainings in dieser Hinsicht fanden gegen Ende des vorigen Jahrhunderts großen Anklang. Im Zuge der Feminismusbewegung kamen Bücher auf den Markt, deren Titel allein schon die kämpferische Ausrichtung erkennen lassen: „Du kannst mich einfach nicht verstehen“ (Deborah Tannen, 1991) oder „Machiavelli für Frauen – Strategie und Taktik im Kampf der Geschlechter“ (Harriet Rubin, 1997).

Schlagfertigkeit wurde dann oftmals als ein Gegenschlag verstanden, um die patriarchalisch geprägte Männerwelt im Zaume zu halten.

Ein Beispiel hierzu, das in Abwandlung einem der Ratgeber für Frauen aus dieser Zeit entnommen ist:

Der Fall:

Auf einer Betriebsfeier kommt es zu einem Gespräch zwischen den langjährigen Kollegen A und Kollegin B; A hat schon länger ein Auge auf B geworfen und geht nun – vielleicht etwas angeheitert – aufs Ganze:

A: „Dein Kleid würde sich hervorragend auf meinem Schlafzimmerteppich machen.“

Die Trainerin empfiehlt als schlagfertige Antwort auf diese Anmache in etwa Folgendes:

Kollegin B: „Mein Aperol Spritz würde sich sehr gut in deinem Gesicht machen.“

Dies ist natürlich eine Kampfansage pur! Was löst das in Ihnen aus, wenn Sie das lesen, geneigte Leser? Schadenfreude nach dem Motto: „Dem hat sie es aber ordentlich gegeben“? Oder …?

Die Abgrenzung ist zwar gelungen, doch bleibt ein zumindest fader Nachgeschmack; schließlich begegnen sich beide später nach wie vor in der Firma. Es könnte ja sein, dass A auf Rache sinnt, und dann beginnt eine ungute Dynamik, die viel Energie kostet.
Nun, wie könnte eine friedvolle Antwort klingen, die Kollegin B nicht mit dem Gefühl zurücklässt, gekränkt worden zu sein und die gleichzeitig eine Abgrenzung markiert?
Bevor im Konkreten wie im Allgemeinen einige mögliche Antworten bei „Angriffen“ in den Fokus kommen, eine grundsätzliche Überlegung zum Umgang mit Gefühlen.

Gefühle sind wertvolle Indikatoren!

Gefühle haben einerseits die Eigenschaft, dass sie uns gerne mitreißen und zu Vorgehensweisen verleiten, die dann wiederum allerlei Reaktionen hervorrufen. Unangenehm ist dies besonders bei Anmache wie in obigem Fall, jedoch im Allgemeinen bei Wutausbrüchen, Bekundungen von Ärger, Nichterfüllung von Erwartungen etc., ebenso bei Sticheleien, die ihre Ursache in verschiedenen Befindlichkeiten wie Eifersucht, Neid, Minderwertigkeitsgefühle u.Ä. haben. Darauf mit emotional aufgeladener gleicher Münze heimzuzahlen, ist fatal.

Andererseits sind Gefühle wertvolle Indikatoren dafür, was in mir selbst und in meinem Gesprächspartner vorgeht. Worüber rege ich mich auf, wovon fühle ich mich beeinträchtigt, ja beleidigt? Dies hängt vom jeweiligen Kommunikationstyp und Wahrnehmungsmuster ab, ja sogar von kulturellen Gewohnheiten. Im lateinamerikanischen Kontext gibt es z.B. die Gattung der „piropos“, um Frauen Komplimente zu machen, die in anderen Kulturen eher als Beleidigung empfunden würden. Auch das in anderen Ländern bisweilen noch praktizierte Nachpfeifen von Männern, wenn schöne Frauen ihren Weg kreuzen, würde hierzulande eher auf Missbilligung stoßen …

  • Mann und Frauen beim Boxtraining mit Handschuhen in sportlicher Pose
  • Schwarz-weiss Bild: Mann im Sporthemd und Frau im geblümten Kleid stehen sich gegenüber und füttern sich gegenseitig

Vom gekonnten Umgang mit Gefühlen

Gefühle geben uns die Gelegenheit, genau in uns hineinzuspähen und in einer ruhigen Minute zu analysieren, welche Anliegen, Wünsche und Bedürfnisse vorhanden sind und wie sie zum Ausdruck kommen. Dies hat etwas mit mir selbst zu tun; die andere Person ist lediglich ein Auslöser, ja sogar eine willkommene Chance, durch „Angriffe“ aufgestaute Energien loszuwerden. Wie ich darauf reagiere, ist wiederum meine Angelegenheit. Was den Kommunikationsstil angeht, ist die Schlussfolgerung hieraus: „Nimm nichts persönlich.“ Zur Klärung: wir bewegen uns im Themenkomplex der „friedvollen Schlagfertigkeit“, nicht im Bereich einer Liebesbeziehung …

Gehen wir noch einen Schritt weiter: Ich nehme nichts persönlich, weil ich dem anderen grundsätzlich keine bösen Absichten unterstelle. Natürlich gibt es Konflikte, die in die Boshaftigkeit hinein eskalieren können. Dies wäre dann ein Fall für „Konfliktmediation“, nicht vordringlich von „friedvoller Schlagfertigkeit“. Was beide Themenbereiche miteinander verbindet: unsere Emotionen zu erkunden und in ihrem Ausdruck zu modellieren.

Mit diesem Ansatz verlassen wir das Terrain des Kampfes im Gegeneinander. Es braucht kein Machtspiel von „Opfer und Täter“. Stattdessen erkunden wir eine Ebene, die aus der konkreten Situation herausführt und den Gesprächspartnern eine freundliche Ebene des Miteinander bietet. Dies gelingt dann, wenn wir uns nicht auf die Energieschiene des Angriffs einlassen; das brauchen wir auch gar nicht, denn es gibt die Möglichkeit, sich dem zu entziehen oder … nachfolgend mehr dazu.

Lächelnde Frau im Gespräch, die freudig eine Geste macht

Grenzen setzen!

In welcher Form ich meinen Emotionen Ausdruck verleihe, liegt grundsätzlich an meinem Gestaltungswillen. Im Einzelnen hängt dieser von der jeweiligen Situation und den gegebenen Umständen ab, natürlich auch vom Gesprächspartner. Insofern setze ich meinen Emotionen Grenzen – nicht als Einengung, sondern im Gegenteil – erst dadurch ist die kreative Weitung möglich. Zwischen meinen Emotionen und der Antwort sollte ich einen Moment der inneren Stille wahrnehmen. Dies erlaubt mir, in den Modus der Beobachtung einzutreten. Dann reagiere ich nicht einfach. Ich agiere aus mir heraus.

Das bedeutet: die Vorgabe der anderen Person verleitet mich nicht dazu, in ein Fahrwasser zu geraten, das eine Eigendynamik entwickelt und Gefahr läuft, „außer Rand und Band“ zu geraten. So wie ich mir selbst Grenzen setze, kann ich dies auch nach außen tun.

Wenn mich eine Person wütend anschreit, zur Rechenschaft ziehen will, anklagt etc., kann es angezeigt sein, zunächst einmal nichts zu sagen, sondern genau zuzuhören. „Beredtes Schweigen!“ Dann könnte ein Vorschlag z.B. lauten, das Gespräch zu vertagen. Die Grenzziehung erfolgt dadurch, dass ich aus dem wütend Gesagten das herausfiltere, was auf der Sachebene übrigbleibt. Dies kann dann zu einem anderen Zeitpunkt zu einer Bestandsaufnahme veranlassen – ich für mich, wir gemeinsam.

Abstraktes digitales Muster in Blau-Orange mit wellenartigen Formen

Friedvolles Kontern

Es gibt natürlich auch Menschen, die sich selbst erhöhen wollen, indem sie andere klein machen oder einfach etwas von sich geben, was sie als witzig ansehen. Eine Bemerkung von Person A wie „typisch Frau“ dürfte heutzutage seltener geworden sein, doch wer weiß, es gibt ja auch Varianten dessen …eine passende Antwort hierauf durch Person B könnte sein:

„Du kennst dich ja scheinbar in diesem Thema sehr gut aus.“

Bei dieser Art des Konterns bietet B eine Schlussfolgerung aus dem von A Gesagten an. Sollte die Bemerkung von A herabwürdigend gemeint sein, was wahrscheinlich ist, besteht die Schlagfertigkeit von B in der Umdeutung, daraus eine „Anerkennung“ abzuleiten. Damit kein sarkastischer Unterton mitschwingt, sollte diese Art des Konterns nur mit einem inneren Lächeln im Herzen erfolgen.

Ach, und übrigens könnte aus dieser Perspektive die Antwort auf den eingangs erwähnten Fall von „Anbaggern“ lauten:
„Sie sind ja ein Ästhet, wie er im Bilderbuch steht!“

Vielleicht haben Sie jedoch einen anderen Vorschlag parat?

Bisweilen kommt es auch vor, dass Mitmenschen ungebetene Kommentare, Meinungen und Urteile von sich geben. Bloß keine Rechtfertigungen, Erklärungen, Kommentare! Da genügt – je nach Gesprächspartner – ein Zweisilber wie „ach ja, so was“ etc., auch „interessant“. Wie so ein Gespräch zu beenden ist? Ganz direkt, durch einen freundlichen Abschied wie etwa das in Mode gekommene „alles gut“.

Langzeitbelichtung von Pfeilen mit weißer Befiederung, die in einer braunen Holzwand stecken

Authentisch bei sich bleiben

Heißt „friedvolle Schlagfertigkeit“, dass ich mich selbst um des lieben Friedens willen verbiegen soll? Nein, ganz und gar nicht! Es kommt die grundlegende Haltung zum Tragen, dass ein harmonisches Miteinander das Leben schöner macht. Dann finde ich auch kreative Antworten und Wege, dies im Konkreten herzustellen. Die innere Klarheit erlaubt es mir, die in diesem Sinn passenden Worte zu finden. Oder auch einfach zu schweigen, denn nicht jede Frage verlangt nach einer Antwort oder einem Kommentar.

Großartig ist es, Humor zu kultivieren; er entsteht aus einem Abstand zu den eigenen Emotionen, zur Situation, kurzum, aus der inneren Gelassenheit, mehr noch: ein inneres Lächeln ist eine hervorragende Basis für eine humorvolle Bemerkung.

Hierzu eine selbst erlebte Begebenheit:

Der Fall:

Im Restaurant wartete mein Nachbar auf seinen bestellten Wein, das Essen stand schon vor ihm auf dem Tisch. Die Kellnerin (K) kam vorbei, schaute in seine Richtung, und dann sagte er:

„Kann es sein, dass ich einen besonders guten Wein bekomme, der noch im Keller reift?“

Das ist friedvolle Schlagfertigkeit!

Die Reaktion von K kam prompt:

„Oh, Ihren Wein habe ich ja vollkommen vergessen!“…. und brachte ihn sofort.

Die Frage „kann es sein, dass…“ eignet sich auch sehr gut in Gesprächen aller Art für „Paraphrasierungen“. Damit gemeint ist eine Wiedergabe des Vernommenen mit eigenen Worten. Sollte ich etwas anders verstanden haben als das, was mir mein Gegenüber mitteilen wollte, wird er es korrigieren. Mit dieser Raumöffnung entsteht eine gemeinsame Plattform der Übereinkunft. Die Gesprächspartner bleiben authentisch bei sich, was Zufriedenheit auslöst.

Die „friedvolle Schlagfertigkeit“ hat mit Gelassenheit und Vertrauen zu tun. Mir fällt sicher der passende Kommentar ein, und der andere wird es wohlwollend aufnehmen. Die Fähigkeit zur Gestaltung meiner Emotionen versetzt mich in eine innere Ruhe, die sich auch nach außen mitteilt.

Mit dieser Grundeinstellung bewege ich mich, bewegen Sie sich, geneigte Leser, im offenen Feld von kreativen Möglichkeiten. Es wirkt sich bereichernd aus, in diesem Feld mit Spielfreude, Neugier und Leichtigkeit zu agieren. Einfach selbst ausprobieren! Viel Freude dabei!

Fotos: iStock, Unsplash / A-C, Cristina Gottardi, Krisjanis Kazaks, Behnam Mohsenzadeh, Possessed Photography, Nationaal Archief

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