Frumat - Apfeltrester als nachhaltiger Rohstoff

Apfeltrester als nachhaltiger Rohstoff

Die Südtiroler Firma „Frumat“ nutzt Apfeltrester als lokale Ressource. Auf seiner Basis hat Hannes Parth patentierte Upcycling-Ideen wie „Cartamela“ und „Appleskin“ entwickelt.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Südtiroler Äpfel
  • Apfelpapier
  • Appleskin als Lederersatz

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Hannes Parth - Frumat

Der Südtiroler Hannes Parth studierte Jura und arbeitete in der Juwelier-Branche. Seit 2008 beschäftigt er sich mit der Verwendung von Apfel-Trester; von ihm entwickelte Produkte vermarktet er mit seiner Firma „Frumat.“

Die markanten Dolomiten als UNESCO-Welterbe, historisch gewachsene Orte wie Bozen, Brixen, Sterzing oder Meran mit einem Mix aus alpinem und mediterranem Flair, Gletscher-, Berg- oder Badeseen: Das sind Besonderheiten, die Südtirol zu einem beliebten Urlaubsziel machen.

In zwei Jahreszeiten kann es mit zusätzlichen Attraktionen punkten: Im Frühling überziehen Abermillionen Blüten in Weiß und Zartrosa die Apfelbäume, die rund um Bauernhöfe genauso wachsen wie auf ausgedehnten Apfelwiesen. Im Herbst reifen in der Region, die – im Norden durch die Alpen geschützt und nach Süden hin geöffnet – ideale Anbaubedingungen bietet, Sorten von Ambrosia über Envy, Golden Delicious und Morgenduft bis Rubens.
Rund 7.000 Betriebe ernten insgesamt 1,2 Millionen Tonnen Äpfel und damit zehn Prozent der europäischen Apfelernte.

VERWENDUNG VON INDUSTRIELLEN BIOABFÄLLEN

Der Hauptanteil dieser typischen Südtiroler Obstsorten wird im In- und Ausland in Form ganzer, süß-säuerlicher Früchte verkauft, in denen 30 Vitamine und Spurenelemente stecken. Aber auch jene, die als zu klein oder nicht makellos genug durchs Qualitäts-Raster fallen, werden weiterverarbeitet – zu Apfelmus, -gelee und vor allem -saft.
Übrig bleibt als Abfallprodukt der sogenannte Trester: eine Masse aus Apfelschalen und Kerngehäuse, die in der Regel auf eine Deponie wandert oder verbrannt wird. Genau sie überzeugte Hannes Parth, als er 2008 Reststoffe aus industriellem Bioabfall für eine eventuelle Verwendung analysierte.

  • Nachhaltige Handtasche Appleskin
  • Nachhaltige Sneaker Appleskin

DEN KOMPLETTEN KREISLAUF SCHLIESSEN

„Die Überlegung war, diese Ressourcen nachhaltig zu nutzen und somit den kompletten Kreislauf zu schließen“, blickt der gebürtige Bozener zurück. „Dafür haben wir alles Mögliche getestet – Orangen, Trauben und Äpfel. Auf letztere haben wir uns schließlich konzentriert, weil sie ein lokaler Rohstoff sind, der sich wegen ihres hohen Zellulose-Gehalts gut verarbeiten lässt.“

Mit der Hilfe von Experten entwickelte er in seiner Firma „Frumat“ ein Verfahren, um den Trester zu trocken und zu einem feinen Pulver zu mahlen. Daraus entstand 2010 in einem ersten Schritt „Cartamela“ – zu deutsch Apfelpapier.
Mit einem leicht cremigen Farbton, fein strukturiert und haptisch angenehm, eignet es sich als Rohstoff für viele Einsatzmöglichkeiten – egal ob Kartonage, Buchdruck oder Küchentücher.

APPLESKIN FÜR VERSCHIEDENSTE ANWENDUNGSBEREICHE

Fünf Jahre später wurde ein weiterer Prototyp von „Frumat“ marktreif: „Appleskin“. Auch dieses Material besteht aus dem natürlichen Rohstoff Apfeltrester.
Um „Appleskin“ ebenso halt- wie dehnbar und wasserfest zu machen, „muss mit rund 50 Prozent Polyurethan (PU) noch ein Kunststoff zugesetzt werden“, erklärt Hannes Parth. „Die Mischung wird auf verschiedene textile Träger aufgetragen und ausgebacken. Das Resultat kann mit natürlichen Pigmenten sowohl beliebig eingefärbt als auch geprägt und in verschiedenen Stärken und Dichten für die verschiedensten Anwendungsbereiche und technischen Anforderungen hergestellt werden.“
Sein Produktionsverfahren hat „Frumat“ patentieren lassen und vergibt mittlerweile Lizenzen.

VON STIFTEMÄPPCHEN BIS ZU SNEAKERN

Um mit Kunden in Kontakt zu kommen, präsentiert Hannes Parth sein dickes Musterbuch regelmäßig auf Fachmessen. Abnehmer für viele Varianten von „Appleskin“, die in der Nähe von Florenz hergestellt werden, gibt es quer durch Nordeuropa und -Amerika; die Einsatzmöglichkeiten reichen vom Bucheinband über Mode, Möbel und Taschen bis hin zur Automotive-Industrie. Das norddeutsche Fair Fashion-Brand „nuuwaï“ fertigt zum Beispiel Rucksäcke, Stiftemäppchen oder Geldbörsen aus „Appleskin“, das bayerische Fashion Label „Noani“ verwendet es für Sneaker und Ballerinas.

Eiszapfen an einer Apfelblüte

TÜFTELN BIS ZUR INDUSTRIELLEN ANWENDBARKEIT

„Am Anfang war kein Mensch daran interessiert und ein umweltfreundliches Produkt konnte nicht schön und qualitativ gut sein. Jetzt wird Nachhaltigkeit ein immer wichtigeres Thema für Verbraucher, auf diesem Markt tut sich viel. Denn die junge Generation will wissen, woraus Dinge hergestellt werden“, so Hannes Parth. „Nicht nur Veganer möchten Lederprodukte durch andere aus einem ähnlichen Material ersetzen. An diesem Bedürfnis müssen sich Hersteller orientieren.“
Den Entwicklungsprozess für seine „Upcycling“-Ideen aus Apfeltrester, der von Tests und Tüfteln bis hin zur industriellen Anwendbarkeit reicht, ist für Hannes Parth ein fortlaufendes „learning by doing“ und „unheimlich spannend“, seine Begeisterung beschreibt er als „riesengroß“.

ERFAHRUNG, KONTAKTE UND MARKTKENNTNIS

So lange ihm seine Aufgabe Spaß macht, möchte der heute 50-Jährige rund um nachhaltige Materialien forschen und weitere bis zur Produktreife entwickeln; als Vater von vier kleinen Kindern ist es ihm wichtig, die Zukunft aktiv mitzugestalten.
„Am Anfang habe ich einfach ausprobiert. Mittlerweile habe ich deutlich mehr Erfahrung, Kontakte und Marktkenntnis“, sagt er über seine Vorgehensweise.
Mit „Frumat“ konnte er in den letzten Jahren verschiedene Preise gewinnen wie den „Premio non sprecare“ (zu Deutsch „nicht verschwenden“) von der Universität LUISS in Rom oder den Preis für Technologie und Innovation bei den Green Carpet Fashion Awards an der Mailänder Scala.
Zuletzt wurde „Frumat“ vom Observatorium für italienische Exzellenz als Beitrag zur sozioökonomischen Entwicklung Italiens anerkannt und ausgezeichnet.

UMSATTELN AUF EIN NEUES GESCHÄFTSFELD

Hannes Parths Ideen sind ebenso unkonventionell wie sein Lebenslauf. Denn zunächst studierte er Jura und arbeitete dann wie sein Vater in der Juwelier-Branche. Danach sattelte er mit „Cartamela“ und „Appleskin“ auf ein neues Geschäftsfeld um. Bozen als Standort findet er ideal. „Das ist keine Stadt, sondern ein großes Dorf mit einem einzigartigem Kultur-Mix, wo man sich kennt und trifft,“ charakterisiert er seinen Wohnort. Das Leben dort hat für ihn etwas Südländisches, das Wetter sei genauso gut wie das Essen und der Wein.
Außerdem liebt er die Umgebung, in der ihn oft das Markenzeichen Südtirols begleitet: Äpfel – für Hannes Parth eine Frucht mit ungeahnten Möglichkeiten.

Fotos: ASK, Frumat, Südtirol

 

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