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Führen Frauen besser?

Frauen wuppen dank ihrer Soft Skills in Familie und Chefetage ihr Ding. Dennoch bleibt gleiche Teilhabe ein Wunsch. „Wir sind bei der Frauenpower das Schlusslicht Europas“, sagt Ute Clement in ihrem Buch „Frauen führen besser“.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Weibliche Führungskompetenz
  • Familienunfreundliche Statussymbole
  • Zu viel Bescheidenheit

Interview Gerd Giesler

Schwarz-Weiß-Bild von Ute Clement.

Ute Clement war Führungskraft im HR Team der Daimler AG. Seit über 25 Jahren berät sie frei internationale Unternehmen und coacht Fachpersonal. Als Kennerin beider Seiten gibt sie ihr Wissen als Buchautorin und in Seminaren weiter.

Frau Clement, glauben Sie wirklich, dass Frauen besser führen als Männer?
„Ich habe nicht gesagt, dass Frauen besser als Männer führen. (Mit einem Augenzwinkern) Männer führen manchmal auch ganz gut. Der Titel meines Buches lautet „Frauen führen besser“ und ich habe dies bewusst so gewählt. Es ist fast eine Art Rorschach-Test und spannend, was Leute assoziativ damit verbinden. Man könnte ja auch sagen: Frauen führen besser als sie es von sich selbst glauben.“

„Das lässt sich laut einer Auswertung tausender sogenannter 360-Grad-Beurteilungen von Mitarbeitern, Vorgesetzten, Kollegen und Kunden – gesammelt vom amerikanischen Beratungsunternehmen Zenger Folkman, erschienen in der Harvard Business Review – eindeutig beweisen“, schreibt auch Melanie Loos in der Handelszeitung.

„In 17 von 19 Leadership-Kompetenzen schneiden Frauen demnach besser ab als ihre männlichen Kollegen, insbesondere in puncto Eigeninitiative, Belastbarkeit, Selbstentwicklung, Erlebnisorientierung sowie Integrität und Ehrlichkeit. Männer dagegen“, so Loos weiter, „nur bei der Entwicklung einer strategischen Perspektive und bei der fachlichen oder beruflichen Kompetenz“.

GLEICHE TEILHABE GLEICHE CHANCEN

Frau Clement, worum geht es Ihnen in Ihrem Buch konkret?
„Mehr Gerechtigkeit in dieses Tabu-Thema zu bringen, das nach wie vor extrem polarisiert. Als externe Personalberaterin bin ich immer wieder auf die gleichen Karrieremuster und stereotype Wahrnehmungsprobleme besonders bei männlichen Entscheidern gestoßen, und andererseits auf die gleichen, typischen Frauenfallen bei Bewerberinnen.

Ich möchte also Wahrnehmungshilfen für Männer, aber auch für Frauen in der Berufswelt geben. Mir geht es vor allem darum, eine gleiche Teilhabe der Geschlechter voranzubringen.“

Haben Frauen heutzutage die gleichen Aufstiegschancen wie Männer?
„Zunächst mal gibt es eben diese Lücke, wenn Frauen Kinder bekommen, was Frauen immer noch als karriereschädlich angelastet wird – übrigens auch Männern, die sich einen langen Erziehungsurlaub nehmen, weil es in den Unternehmen immer noch keine Politik gibt, die gegen ein solches Wahrnehmungsproblem vorgeht. Und das obwohl wir alle einmal geboren wurden.

Das Wahrnehmungsproblem beginnt nicht erst auf der Vorstandsebene, sondern viel früher in der breiten Gesellschaft, indem wir einfach Frauen und Männern verschiedene Eigenschaften zuschreiben.“

WEIBLICHE FÜHRUNGSKOMPETENZ

Frauen werden demnach Eigenschaften wie Wärme und Fürsorge zugeschrieben und dass sie keine harten Verhandlungen führen können oder für manche Branchen absolut ungeeignet sind. Dabei gab es schon in den 80er-Jahren Werbung, um eine Lanze für Frauen in Männerberufen zu brechen. Frauen können doch wohl auch an einem Motor herumschrauben. Das wollen vielleicht nicht alle Frauen, aber es wollen ja auch nicht alle Männer.

Wieso hält sich dieses Vorurteil so hartnäckig? Sehen Sie im Zeitalter der Transformation nicht einen Silberstreif am Horizont?
„In Firmen, die sich aktiv damit auseinandersetzen, gibt es durchaus einen positiven Trend. Ehrlich gesagt, kann man es sich auch kaum mehr leisten in diesen alten Strukturen zu verharren, ohne öffentlich anzuecken.

Denken Sie nur an das Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sich die Elite männlicher Entscheider trifft. Nur jeder vierte Delegierte ist eine Frau und das ist schon eine Verbesserung zu den Vorjahren. Pressefotos von 25 Männern an einem Tisch lösen dann schon mal einen richtigen Shitstorm in den sozialen Medien aus, weil das nicht mehr dem Zeitgeist entspricht.

Aber auch Firmen werden verstärkt nach ihrer Corporate Responsibility und Social Governance-Kriterien beurteilt. Wer das nicht auf dem Schirm hat, der wird abgestraft.“

  • Illustration: Frau packt Mann am Kragen.
  • Illustration: einzige Frau unter Männern

DAS HEPEATER-PHÄNOMEN

Außerhalb der öffentlichen Meinung tun sich Frauen auf der Karriereleiter aber doch noch immer schwer. Welche Muster halten sich hier hartnäckig?
„Frauenfallen kennt jede:r Personaler:in. Man bietet einer Frau einen Job an, und erntet folgende Reaktion: Ich weiß nicht, ob ich das wirklich schaffe. Ein junger Mann, der geradewegs von der Uni kommt, sagt dagegen smart: ‚klar, mach ich, kein Problem.’ Das sind Sätze, die man als Personal:in oder Vorgesetzte:r dechiffrieren muss, um eventuell in einem zweiten Gespräch zu überprüfen, inwieweit sich so eine Aussage stabilisiert.

Frauen sind viel selbstkritischer und geben das leider sehr oft spontan zu. Manche Männer machen sich das unverfroren zunutze. Eine Frau äußert eine Idee, die allgemein ignoriert wird, bis dann ein Mann das Gleiche wiederholt und sich Gehör damit verschafft. Im Englischen wurde dafür der Begriff „hepeat“ anstelle von „repeat“ geschaffen, um dieses Phänomen männlicher Konversationsdominanz auf Kosten der Frau zu entlarven.

Frauen denken oft viel zu bescheiden Qualität setze sich schlussendlich durch, oder sie warten bei dem Wunsch einer Gehaltserhöhung auf einen Nimmerleinstag, anstelle sie aktiv einzufordern.

In meiner Arbeit als externe Beraterin habe ich viele Frauen unterstützt, nicht in solche Fallen zu tappen, aber auch mit vielen männlichen Führungskräften über Wahrnehmungsprobleme gesprochen und Vorständinnen auf ihrem Weg begleitet.

Weltweit werden auf Ministerposten kaum mehr als 20 Prozent von Frauen beansprucht und nur 60 der 1.000 umsatzstärksten US-Konzerne lenken Frauen. Die CEOs junger Start-ups sind hierzulande häufiger männlich als weiblich, 50 Prozent aller Hochschulabgänger in Deutschland sind Frauen. Aber wir haben immer noch ein Gender Payment Gap von 20 Prozent zu Lasten der Weiblichkeit. Die Schweiz dagegen ist bei 7 Prozent, was immer noch viel ist.

Es darf nicht sein, dass wir in Europa so ein Schlusslicht bilden und dass wir als eine der wirtschaftlich stärksten Industrienationen Europas auf dieses Potential an Frauenpower verzichten.“

FRAUENQUOTE ALS ZUKUNFTSFAKTOR

Warum funktioniert Gleichberechtigung in Schweden oder Finnland besser?
„Die nordischen Länder haben einfach ein anderes gesellschaftliches Set-up. Selbst die Männer dort haben einen viel emotionaleren Familienbezug und auch andere Arbeits- und Auszeiten. Da wird nicht toleriert oder darüber hinweggesehen, dass jemand täglich 16 Stunden arbeitet.

Es gibt bei uns immer noch Unternehmen, wo es fast als Status-Symbol gilt, den Urlaub abbrechen zu müssen, weil man offensichtlich im Betrieb unabkömmlich ist. Aber auch das Checken von Geschäfts-Mails bis weit nach Mitternacht gilt als sicheres Indiz dafür, dass man super wichtig ist.“

Was muss passieren um das Ziel der gleichen Teilhabe zu erreichen?
„Wir brauchen einfach noch mehr Zuspruch von den Firmen, Vorständen, Gremien und den Gewerkschaften, wie wichtig eine diverse Unternehmerschaft für unsere Wirtschaft ist. Und wir brauchen mehr frische Vorbilder, wie beispielsweise unsere Außenministerin Annalena Baerbock. Und auch in der freien Wirtschaft Gesichter, wie beispielsweise Saori Dubourg oder Melanie Maas-Brunnner im Vorstand von BASF. Dann fühlen sich auch Frauen auf breiter Front bestätigt und gewertschätzt.“

Fotos: susanne-lencinas fotografie.de, iStock

 

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