
ECKSTEINE DES LEBENS: GEIZ IST NICHT GEIL
Was unterscheidet Sparsamkeit von Geiz? Und warum ist Geiz geradezu gefährlich, sowohl für andere wie den Geizigen selbst? Zu den Hintergründen und Auswirkungen eines Lasters – und den Vorteilen maßvoller Großzügigkeit.
Hier erfahren Sie mehr über
- Geiz und Habgier
- Den unglücklichen Geizhals
- Zweckgemeinschaft und vertrauensvolle Gemeinschaft
Text Wolfgang Eckstein

Wolfgang Eckstein ist 98 Jahre jung. Der Jurist war u.a. Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Bekleidungsindustrie, gründete den Verband deutscher Modedesigner, den Modekreis München und eine Stiftung für die Modeindustrie. Für PURPOSE schreibt er exklusiv.
Sparsamkeit ist eine Einstellung im Leben, die nur positiv zu bewerten ist. Sie beinhaltet eine gewisse Verantwortung für das eigene Leben, für das soziale Umfeld, in dem man lebt, aber auch für die gesamte menschliche Gesellschaft.
Geiz hingegen ist uneingeschränkt als negativ einzustufen, weil er nicht nur für den Geizigen selbst, sondern auch für alle menschlichen Beziehungen ruinös sein kann.
In der klassischen christlichen Theologie ist Geiz auch als eine der sieben Hauptlaster, oder auch Todsünden, bekannt und ist eng mit Gier und Habgier verbunden.

GEIZ – EINE MENTALE EIGENSCHAFT
Bei der Behandlung des Themas stellt sich die Frage, was den, der geizig ist, ausmacht. Es sind dies: Der Wille alles was man hat, allein für sich zu behalten; die Angst, einen Verlust zu erleiden; es sogar als Bedrohung anzusehen, wenn man etwas weggibt; Furcht vor Verarmung, obwohl man reichlich von allem hat; hart erarbeitetes Geld nicht teilen wollen; sich bewusst abwenden von einer Gemeinschaft, weil man grundsätzlich Misstrauen gegen Andere hat; vielleicht aber auch purer Egoismus.
Ganz gleich, welche Beweggründe ein Geiziger für sein Verhalten hat, es gibt nicht den geringsten Grund für ein solch nachteilige Handlungsweise, und auch keinerlei Entschuldigung dafür.
AUSWIRKUNGEN AUF DAS SOZIALE UMFELD
Schon immer ist es ein Urbedürfnis der Menschen, in Gemeinschaften zu leben, sich darin sicher zu fühlen, einander zu unterstützen und Erfahrungen, über alles, was das Leben verlangt, auszutauschen. Auch bei Tieren findet man das Bedürfnis, im Rudel, der Herde oder dem Schwarm gemeinsam zu sein.
Menschliche Gemeinschaften können aber nur funktionieren, wenn Solidarität, Mitgefühl und gegenseitiges Vertrauen die Grundlage derselben bilden. Sind diese notwendigen Voraussetzungen vorhanden, kommt es zu wertvollen menschlichen Beziehungen, die jeder braucht und ohne die er in die Verlorenheit einer dunklen Einsamkeit abstürzt.
Auf dieses unentbehrliche Gebäude einer menschlichen Gesellschaft wirkt Geiz in all seinen vielseitigen Facetten zerstörerisch, weil er eine harmonische, vertrauensvolle Gemeinsamkeit verhindert.

DER GEIZIGE SCHÄDIGT SICH SELBST
Ein Geizhals wird im allgemeinen als unbeliebter Zeitgenosse angesehen. Zwangsläufig lebt er dadurch in einer von der Gesellschaft abgegrenzten Welt, ohne es bewusst wahrzunehmen. Für ihn gilt, wie für alle Menschen, das alte Sprichwort „Man kann nichts mitnehmen“, aber das trifft bei ihm auf taube Ohren und Unverständnis.
Durch den Unwert seines Geizes verschließt er sich der Offenheit eines erfüllten Lebens mit all seinen vielseitigen Möglichkeiten, glücklich und zufrieden zu sein, um mit der Welt auf Du und Du zu kommunizieren.
Oft fängt der Geiz sogar schon bei eigenen, oft banalen Wünschen im Alltag an: Keine Restaurantbesuche, Freunde werden nicht nach Haus eingeladen, weil beides zu teuer ist. Man gönnt sich auch sonst nichts, was Freude machen könnte.
Mit dieser völlig falschen Denkweise ist eine lebensleere, freudlose Einsiedelei, hinter verschlossenen Türen, vorprogrammiert.
Durch ein offenes, ehrliches Geben von materiellen und immateriellen Geschenken könnte der Geizige, bei sich und anderen positive Gefühle auslösen und vertrauensvolle Freundschaften fördern und letzten Endes sein Selbstwertgefühl stärken, um eine wesentlich höhere Lebensqualität zu erreichen und mehr Wertschätzung bei seinen Mitmenschen zu ernten.
Besonders verwerflich aber ist das Gegenteil, nämlich wenn gut situierte Menschen für die Erfüllung aller denkbaren Wünsche verschwenderisch viel Geld ausgeben und in der Hoffnung auf Anerkennung damit auch noch öffentlich prahlen.
Sie haben die überzogene Meinung „was kostet die Welt, ich will sie kaufen“ wie es in einem Song des Rappers Eko Fresh heißt. Für diese Menschen gibt es keinen anderen Bewertungsmaßstab als den eigenen, egoistischen.

FOLGEN FÜR DIE GESELLSCHAFT
Die negativen Folgen von Geiz können aber auch weit über den persönlichen Bereich hinausgehen.
Ein Unternehmen, das glaubt, durch ungebremste Kosteneinsparungen zu Lasten der Mitarbeiter Gewinne zu erzielen, blockiert die für jeden Betrieb notwendige Mitarbeitermotivation, Kreativität, Innovationskraft und zwangsläufig die Gesamtleistung der Belegschaft. Damit geht der erforderliche Anschluss an die ständigen Veränderungen des Marktgeschehens verloren, der geplante Umsatz und der prognostizierte Gewinn können nicht erreicht werden.
Schließlich entsteht auch noch ein negativer Unternehmensruf.

VERSCHWENDUNG UND GROSSZÜGIGKEIT
Gedankenlose, blinde Verschwendung von ganz gleich welchen Ressourcen ist uneingeschränkt verwerflich. Eine maßvolle Großzügigkeit dagegen schafft Gemeinschaftssinn, menschliche Nähe, spendet Freude und Zufriedenheit. Für eine Bereitschaft zu geben, ganz gleich, worum es dabei geht, eröffnen sich täglich unbegrenzte Möglichkeiten.
Das gilt nicht nur für Freunde, Familie und Mitarbeiter, sondern auch für die freundliche Bedienung im Lokal, die Verkäuferin im Laden, den Taxifahrer und viele andere, denen man begegnet. Beim Geld ist es nicht die Höhe des Betrages, sondern die Geste der Anerkennung für den Dienst am Menschen, den diese Person leistet.
Mit offenen Augen und weiter Seele kann man vielseitig geben und damit Dankbarkeit und oft auch ein Lächeln auslösen. Schenken ist kein einseitiger Akt, sondern der Beschenkte wie auch der Schenkende durchleben positive Glücksgefühle.
In dieser Hinsicht neue Wege zu öffnen zu seiner Umwelt, statt Zäune zu errichten,
sollte das Ziel sein für alle, die keine gebende Hand kennen, oder sie (bislang) immer geschlossen halten.
GEIZ ZERSTÖRT ECHTE FREUNDSCHAFTEN
Echte Freundschaft fordert (und fördert) gegenseitiges Vertrauen, umfassende Großzügigkeit und die Gewissheit, füreinander da zu sein. Sie besteht darin, dass man sich gegenseitig gibt und darin die Balance wahrt. Es geht dabei nicht um materielle Dinge, auch die Aufmerksamkeit dem anderen gegenüber gehört dazu.
Für Geiz im emotionalen Verhalten gilt: „Wer sich keine Zeit für Freunde nimmt, dem nimmt die Zeit die Freunde.“
So lautet ein Zitat, das es in verschiedenen Variationen gibt. Der Geizige zerstört durch sein Verhalten wertvolle Freundschaften. Vermutlich sagt sein Inneres „Du bist mir nicht so wichtig, um dir meine Zeit zu schenken“!
Wer in einer Freundschaft nur eine Zweckgemeinschaft sieht, die auf Einseitigkeit beruht, hat den tieferen Sinn einer wertvollen Beziehung nicht annähernd begriffen.

ACHTUNG, ALLTÄGLICHE GEIZEPISODEN UND -FALLEN!
Der Autor möchte nur einige wenige Beispiele von Geiz aus seinen vielseitigen Lebenserfahrungen anführen:
Ein vermögender „Freund“ hatte sich eine besondere Art von „Geld sparen“ zu eigen gemacht. Jedes Mal, wenn es in der gemeinsamen Runde ans Bezahlen ging, verschwand er ungewöhnlich lange in der Toilette. Das wollte man ihm abgewöhnen. Am Ende eines gemütlichen Abends haben wir den Ober gebeten, die allgemein beliebte Spezialität des Hauses zu servieren. Die kam auch prompt, auf einem silbernen Tablett, aber in Form einer saftigen Rechnung.
Da war es für unseren Geizhals zu spät für eine Flucht zur rettenden Toilette. Diesmal musste er das Papier nicht abrollen, sondern seine eigene Geldbörse davon entlasten. Er zahlte mit entsetztem Gesicht, als ob er gerade ein armer Mann geworden wäre. Beim Trinkgeld war er dann wahrscheinlich besonders kleinlich.
Ein langjähriger Bekannter hatte Eheprobleme, die er mit jemanden teilen wollte. Als sein Opfer lud er mich zum Essen in ein exklusives Lokal ein. Am Ende brachte der Ober eine nicht gerade niedrige Gesamtrechnung, Der „Einladende“ ließ sich von mir das Essen bezahlen und wollte auch noch die Kosten für beide mit der Rechnung steuerlich absetzen. Wir wurden deshalb nie Freunde und blieben auch keine Bekannte.
Eine Freundin erzählte mir folgende Geizepisode. Jedes Mal, wenn sie mit ihrer Bekannten in ein Restaurant zum Essen geht, hat diese „zufällig“ ihr Portemonnaie zu Hause vergessen. Die Haltung dahinter besagt: Dein Geld ist mir recht, meines behalte ich lieber selbst.
An einer Tankstelle bin ich erstaunt über einen Mann mit einem dicken Mercedes, der nur 20 Liter tankt. In meiner grenzenlosen, kindlichen Neugier frage ich ihn nebenbei, warum er so wenig Sprit zapft. Seine eindeutige Antwort ist: Er möchte nicht so viel Geld für Benzin auf einmal ausgeben. Eine „geizreiche“ Überlegung, um zu sparen.
Viele Leserinnen und Leser werden sicher schon ähnliche Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, die in ihrem grenzenlosen, gefühllosen Egoismus niemals begreifen werden, wie wichtig Geben im Leben ist und weshalb sich diese Worte wohl so harmonisch reimen.
Nur wer eine gewisse, vielseitige Großzügigkeit verinnerlicht, kann mit sich und der Welt im Einklang sein und ein erfülltes, glückliches Leben in Selbstzufriedenheit führen. Denn nicht „Geiz ist geil“, sondern „Geist ist geil!“
Fotos: iStock, Unsplash / Getty Images, Elaine Casap, Kateryna Hliznitsova