Häuser im modularen Bau

Das Gesetz der Serie

Die Erfahrungen des Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton: Mit Holzmodulen kann man schnell, planungssicher, nachhaltig, kostengünstig und wiederverwendbar bauen – egal, ob Wohnraum oder Büros.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Microapartments aus Fichtenholz
  • Holzmodulbauweise
  • Zukunftsaussichten für die Architektur

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Jürgen Bartenschlag

Jürgen Bartenschlag erwarb sein Architekturdiplom an der Technischen Universität Berlin. Seit 2000 arbeitet er bei „Sauerbruch Hutton“, 2005 wurde er Associate und Mitglied der Geschäftsleitung, und 2020 Partner.

Anspruchsvolles Design für hochwertige Gebäude, dem nachhaltigen Bauen verpflichtet, kontextuell eingebunden in Städtebau und Umgebung, den Nutzern und sozialen Belangen verpflichtet: Das charakterisiert laut Jürgen Bartenschlag „die Handschrift“ des Berliner Architekturbüros „Sauerbruch Hutton“, für das er seit dem Jahr 2000 arbeitet.

„Wir sind ein ‚Autoren‘-Büro, das sehr viel Wert auf Qualität und Widererkennbarkeit legt“, fasst er zusammen. Trotz dieses etablierten Markenzeichens sei es wichtig, „über den Tellerrand zu schauen“, „offen für Veränderungen zu sein“ und „sich weiterzuentwickeln“.

Auch aus diesem Grund hat „Sauerbruch Hutton“ bei einem Teil seiner Projekte damit begonnen, Unverwechselbarkeit und serielle Wiederholung zu verbinden: Holz-Modulbauweise.

GLEICHE GRÖSSE, IDENTISCHE EINBAUTEN

„Woodie“ – mit diesem liebevollen Namen wird in Hamburg-Wilhelmsburg ein Wohnhaus für Studierende bezeichnet. Fünf bis sechs Etagen hoch stapeln sich 371 Microapartments in einem kammförmigen Komplex, der auf einer Art Betontisch ruht. Jedes von ihnen ist circa 20 Quadratmetern groß. Es gibt zwei Typen von Modulen: das Standardmodul und das etwas längere barrierefrei ausgebildete Sondermodul.

Die komplette Möblierung ist vorkonfektioniert und integraler Teil des Moduls.
Sie wurde wie das Modul selbst aus Fichten-Brettsperrholz in einem Werk von Kaufmann Bausysteme vorgefertigt und weiß lasiert. Je zwei fertig möblierte Module wurden auf einem Schwertransporter nach Hamburg gebracht. Dort fügte ein großer Kran die Kuben wie XXL-Bauklötzchen zu einem Ensemble zusammen, das im Erdgeschoss eine vollverglaste Cafeteria und Coworking-Spaces als Gemeinschaftsnutzung für alle Bewohner ergänzen. Das Ganze umgibt eine elementierte Vorhangfassade aus mit Vergrauungslasur behandelter Lärche.

HOLZ-MODULBAUWEISE: NACHHALTIG, EINFACH, INKLUSIV

„Bei diesem Pilotprojekt, das nach den Grundsätzen des Universal Designs nachhaltig, einfach und inklusiv ist, haben wir viele Erfahrungen gesammelt. Dazu gehörte als Besonderheit die sensationelle Bauzeit von nur elf Monaten“, resümiert Jürgen Bartenschlag. Das war nicht der einzige Vorteil für „Sauerbruch Hutton“. Auch in der Außenwirkung zahlte sich Woodie – zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung 2017 das weltweit größte Wohnbauprojekt in Holz-Modulbauweise – mit mehreren Auszeichnungen aus, darunter der iF Design Award 2018 und der Deutsche Holzbaupreis 2019. Entsprechend groß war und ist das Interesse der Architektur- und Baubranche. Durch Kompetenz und Erfahrung mit dem modularen Bauen, die sich „Sauerbruch Hutton“ erworben hat, ergaben sich weitere ähnliche Folgeaufträge.

  • Baustelle mit Modularem Bau
  • Ein Element wird an sein Platz gebracht

FUNKTIONALITÄT UND ÄSTHEKTIK

Für das Berliner Regierungsviertel wurde in 15 Monaten der Luisenblock geplant und umgesetzt: ein Bau aus 470 Massivholz-Modulen, in dem Büros und Konferenzräume für den Deutschen Bundestag auf einem H-Grundriss angeordnet sind. Nach anfänglicher Skepsis bekommt der bunt verkleidete Komplex von Mitgliedern der Anfang 2022 eingezogenen Fraktionen Lob für seine Funktionalität und Ästhetik.
Vis à vis des Kanzleramts entsteht ein mehrgeschossiges Gebäude für die Zwischenunterbringung des Bundespräsidialamtes für die Zeit, in der Schloss Bellevue umgebaut wird.

„Vorgesehen sind Büros und Besprechungsräume aus Standard- und diversen Sonder-Holzraummodulen. Darüber liegt ein Dachgeschoss, das als elementierter Holzingenieurbau konzipiert ist“, so Jürgen Bartenschlag. „Bei diesem spannenden repräsentativen Projekt bringen wir verschiedene Herstellungs- und Bauweisen zusammen.“

WANDEL BEIM BAUMATERIAL

Insgesamt ist bei „Sauerbruch Hutton“ Holz als konstruktiver nachwachsender Baustoff, der CO2 bindet, immer mehr in den Fokus gerückt. „Unser erstes Holzgebäude war 2009 die Immanuelkirche in Köln“, so Jürgen Bartenschlag. „War es noch vor wenigen Jahren ein Ziel, 30 Prozent unserer Projekte mit hohen konstruktiven Holzanteilen zu planen, sind es mittlerweile bereits circa 70 Prozent – ein beachtlicher Wandel“.

Nicht für jedes Gebäude kommt Holz-Modulbauweise in Frage, weil „dabei insbesondere der räumlichen Gestaltung Grenzen gesetzt sind“ und „Sauerbruch Hutton“ viel Wert darauflegt, „das Gebäude in Form und äußerer Gestaltung in Interaktion mit dem Ort individuell zu entwickeln“ statt auf serielle Standards zu setzen.

Häuse aus Holzelementen

HOCHPRÄZISES BAUKASTENPRINZIP

Holzmodule werden inzwischen von verschiedensten Herstellern angeboten – vom Vollholzmodul bis zu unterschiedlichsten hybriden Ständerbauweisen. Zum Einsatz können sie überall dort kommen, wo möglichst schnell, planungssicher und klimafreundlich gebaut werden soll.

Zunächst werden die Module beliebig reproduzierbar auf industriellen Fertigungsstraßen hochpräzise konfektioniert und zusammengesetzt. Sobald die in der Regel vor allem aus Brandschutzgründen erforderlichen konventionellen Bauteile wie Gründung, Unter- und Erdgeschosse, aber auch Treppenräume hergestellt sind, können die Module am Bestimmungsort nach dem Baukastenprinzip aufeinandergestapelt und die notwendigen technischen Anschlussleitungen angebunden werden. Dank dieser Eigenschaften sind sie prädestiniert für Mehrgeschossbauten in urbanen Ballungsräumen, wo bezahlbarer Wohnraum knapp ist.

Auch bei Schulen, Hotels, Verwaltungsgebäude und Krankenhäuser werden sie von mehr und mehr Architekten bewusst verwendet – entweder auf Dauer oder temporär, wenn der Raumbedarf nur vorübergehend erhöht ist. „Holzmodulbauten können problemlos nachgenutzt oder downgecycelt wiederverwendet werden – beispielsweise als Gartenhaus oder Kindergarten“, erklärt Jürgen Bartenschlag.

Beispiel für modularen Holzbau

ZUKÜNFTIGE ETABLIERUNG

Für die Zukunft ist er sich sicher, dass sich die Holzmodul-Bauweise in der Bau- und Architekturbranche und auch bei „Sauerbruch Hutton“ weiter etablieren wird – mit Einschränkungen:

„In der Begeisterung für das Modul sollte nicht vergessen werden, dass ökonomische Faktoren zu simpler Reproduktion und zu uninspirierten Gebäuden und Stadteilen führen könnten. ‚Plattenbauten‘ unserer Zeit und eine neue Unwirtlichkeit unserer Städte könnten die Folge sein“, gibt Jürgen Bartenschlag zu bedenken.

„Insofern werden wir bei ‚Sauerbruch Hutton‘ beim Planen mit Modulen auch künftig sehr großen Wert auf die Verbindung des modularen Aspekts in der Herstellung und Bauweise mit dem prototypischen Auftritt und der detaillierten Ausgestaltung der Gebäude legen. Meines Erachtens finden Nachhaltigkeit und klimafreundliches Planen nur dann ihre Bestimmung, wenn die Gebäude in ihrer Planungssubstanz nachhaltig und wertig sind, sprich wenn man die modularen Gebäude auch in 50 Jahren noch sehen mag. Dies dürfte auch für die jüngeren Generationen von Architekten eine wesentliche Aufgabe ihres Schaffens in der Zukunft sein.

POTENZIAL MIT ZUKUNFT

Für modulare Holzbauweise wirbt auch der Rat für Formgebung. Anlässlich seiner Ausstellung wegweisender Produkte und innovativer Projekte, die 2022 mit dem German Design Award ausgezeichnet wurden, fand im Frankfurter Museum Angewandte Kunst eine Talkrunde statt.

Ihr Titel: „Think smart, build modular!“.
Ihr Tenor: Mit modularen, vorgefertigten Elementen zu bauen, bedeutet kostengünstige und schnelle Planung, hohe Flexibilität und nachhaltige Lösungen.
Ihr Fazit: „Hierin steckt ein großes Potenzial für die Architektur, das längst nicht ausgeschöpft wird.“

Fotos: Sauerbruch Hutton / Jan Bitter, Urban Zintel, Götz Wrage

 

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