Junge Frau auf einem grünen Acker.

Multifunktionale Landwirtschaft als Lösung mit „Gut&Bösel“

Auf seinem Hof in Brandenburg arbeitet Benedikt Bösel mit seinem Team an einem grundlegenden Paradigmenwechsel. Sein Ziel: den Boden verbessern und zukunftsfähige Ökosysteme aufbauen.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Regenerative Landwirtschaft
  • Syntropische Agroforstsysteme
  • „Farm Rebellion“ auf Disney+

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Schwarz-Weiß-Foto von Benedikt Bösel.

Benedikt Bösel übernahm 2016 den elterlichen Hof. Für seine innovativen Ideen bekam er als „Landwirt des Jahres 2022“ den CeresAward. Er ist im Vorstand des Vereins für regenerative Landwirtschaft „Soil Alliance“ aktiv und gehört zum „Think Tank 30 Deutschland“.

Landwirte, Förster, Baumschulleiter und Allrounder arbeiten bei „Gut&Bösel“, aber auch ein Head of Science and Data, ein Mikroorganismen- und Nährstoffkreislauf-Manager und eine Brand Managerin. Schon die Aufgabenbereiche seiner Team-Mitglieder machen klar, dass der brandenburgische Betrieb eine außergewöhnliche Ausrichtung hat.

Eine Stunde östlich von Berlin hat er sich in Alt Madlitz einem Credo namens „Beyond Farming“ verschrieben: Mit multifunktionaler Landwirtschaft sollen widerstandsfähige Ökosysteme aufgebaut werden. Denn diese sind gemeinsam mit gesundem Boden und gesunder, nährstoffreicher Nahrung nach Ansicht von Gründer und Geschäftsführer Benedikt Bösel „die Grundlage unserer Zukunft“.

ERFAHRUNGEN IN DER FERNE

2016 übernahm Benedikt Bösel die Leitung des Land- und Forstwirtschaftsbetriebs, der bis zu DDR-Zeiten im Besitz seiner Familie war, dann als LPG-Betrieb zwangskollektiviert, nach der Wende von den Benedikt Bösels Eltern bewirtschaftet und 2002 durch sie auf Ökolandbau umgestellt wurde.

„Ich wusste, dass ich mal die Verantwortung für den Hof übernehmen würde“, erklärt der 37-Jährige. „Aber davor musste ich erst mal weg.“

Er machte sein Abitur in einem englischen Internat, studierte Business Finance in Großbritannien sowie Agrarökonomik in Berlin und arbeitete in der Finanzwelt, unter anderem als Berater zu Investitionen in Agrar-Start-ups. Erste Zweifel kamen ihm nach der Finanzkrise 2008, als „sicher geglaubte Konstrukte zusammenbrachen“. Danach merkte er immer mehr, dass er eigentlich für andere Themen brannte, und kehrte in seine alte Heimat zurück.

Benedikt Bösel bei seinen Rindern

SUCHE NACH EINEM ALTERNATIVEN ANSATZ

„Das war vermeintlich ein gemachtes Nest, weil meine Eltern ja die schwere Aufbauarbeit übernommen hatten“, erinnert sich der Quereinsteiger. „Verantwortlich für den nächsten Schritt, schwebte mir ein technologielastiger, digitalisierter 4.0. Betrieb vor.“

Aber dann brachten ihn zwei Dinge zum Umdenken: einerseits die Einsicht, sich mit den dafür notwendigen Investitionen hoch zu verschulden, und dauerhaft „Gefangener eines Systems“ zu bleiben. Andererseits die Konfrontation mit den lokalen Bedingungen, die nach mehreren Dürresommern in Folge in Kombination mit per se sandigen, nährstoffarmen Böden und geringen Niederschlägen auf lange Sicht die Fortführung einer wirtschaftlichen Land- und Forstwirtschaft fraglich machten. Mit dem Bewusstsein „Das kann es nicht sein!“ suchte er nach einem alternativen ökonomischen und ökologischen Ansatz.

RECHERCHEN RUND UM DEN GLOBUS

Bei Recherchen rund um den Globus stieß Benedikt Bösel auf Konzepte für regenerative Landwirtschaft, die sowohl Boden und Erträge mit einem ausgeklügelten Anbausystem verbessern können. Mit diesem war es unter anderem seinem Vorbild Ernst Gösch in Brasilien gelungen, trockenes Weideland in eine fruchtbare Mischgesellschaft von Pflanzen zu verwandeln.

Parallel versuchte Benedikt Bösel, mit „Abertausenden von Mails“ gleichgesinnte Mitstreiter auf seinen Hof zu holen. Eine weitere Hürde war für ihn die Finanzierung seiner ambitionierten Pläne, weil anfangs „ohne technologische Innovationen alle Anträge abgelehnt wurden.“ Mit dem Erlös aus dem Verkauf seines alten Audi, ein „paar schlechter Aktien“ und einem Darlehen der ökologisch orientierten Suchmaschine Ecosia gelang Benedikt Bösel dennoch die Gründung eines eigenen kleinen Betriebs.

Zwei Hände halten verschiedene Eier.

VERÄNDERUNG MIT MEHREREN SÄULEN

Schritt für Schritt macht sich dieser seither für einen „Paradigmenwechsel“ stark. Eine seiner Säule ist die Anlage von syntropischen Agroforstsystemen: die durchdachte Kombination von Gehölz- und Baumstreifen mit Ackerflächen, weil letztere so dem Wind weniger ausgesetzt sind, die Feuchtigkeit im Boden besser gehalten, Humus aufgebaut und die Biodiversität erhöht wird.

Ihre Basis ist eine eigene Baumschule, die unterschiedlichste, standortangepasste Jung-Pflanzen heranzieht und auf ihren Einsatz vorbereitet. Gedüngt werden sie wie das Saatgut für die Äcker mit Kompost, den bei „Gut&Bösel“ ein Experte sorgsam aus Abfallprodukten des Hofs zusammenstellt, hegt und pflegt.

Ziel ist, dem Boden zu mehr Leben, mehr Vielfalt und mehr Humus zu verhelfen.

WANDEL DURCH WALDUMBAU

Zur Regeneration von 1.000 Hektar Ackerfläche, wo Getreide wie Roggen, Dinkel oder Weizen in einer sechs- bis achtgliedriger Fruchtfolge mit Untersaaten und Zwischenfrüchte wachsen, trägt auch eine Salers- und Angusherde bei. Ganzjährig im Freien, wandert sie mit mobilen Zäunen von Parzelle zu Parzelle, frisst nur so viel ab, dass das Pflanzen- und Wurzelwachstum angeregt wird, trampelt Blattmasse um, die den Boden als Mulch vor Sonne und Feuchtigkeitsverlust schützt, und hinterlässt Kuhfladen, die als natürlicher Dünger dienen.

Engagierte Ideen sollen auch auf 2.000 Hektar Forst eine Transformation bewirken: Ein Waldumbauprojekt will Kiefern-Monokulturen, die anfällig sind für Dürren, Stürme, Insekten und Brände, in gesunde Nordmischwälder verwandeln.

  • Junger Mann im Wald zwischen gefällten Bäumen.
  • Junge Frau lacht mit Pflanze in der Hand.

FORSCHUNG IN EINEM REALLABOR

„Man braucht eine starke Grundüberzeugung, muss geduldig sein und hart arbeiten“, bilanziert Benedikt Bösel, den mittlerweile ein 30-köpfiges Mitarbeiter- und Praktikanten-Team unterstützt. „Am Anfang hielten viele meinen Weg für eine Schnapsidee.“ Doch weil ihn außer Biss und einem expandierenden Netzwerk auch „wahnsinniges Glück“ begleitete, haben sich „viele Türen geöffnet“.
Zusätzliches Interesse hat ihm die Gründung der Finck Stiftung beschert, die den Namen von Benedikt Bösels Stief-Großvater trägt: Sie fokussiert sich mit „Gut&Bösel“ als Reallabor und wissenschaftlicher Begleitung auf die Entwicklung und Bewertung von resilienten Landnutzungsmodellen; Forschungsergebnisse sollen mit Daten und Erfahrungen als „open source“-Quelle anderen Landwirt:innen zur Verfügung stehen; als Partner sind u.a. die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde oder das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft mit im Boot.

Blick auf ein gemähtes Feld im Herbst.

REBELLION UND RETTUNG

Noch sind die Erträge von „Gut&Bösel“ laut Benedikt Bösel „durchwachsen“ – was auch daran liegt, dass die neuen „Systeme“ auf lange Zeit angelegt sind und Frucht- und Nussbäume mindestens sechs bis acht Jahre brauchen, bis sie Früchte tragen. Um die Kosten zu decken, ist er auf Subventionen und Unterstützer angewiesen. Trotzdem lässt er sich mit dem Blick nach vorn nicht von der „Riesen-Herausforderung“ abschrecken. „Wir haben eine unglaubliche Chance, Dinge zu verändern“, so seine Überzeugung. „Für mich sind der Boden und die Landnutzung der Hebel, um die großen Probleme unserer Zeit zu lösen.“

Um junge Menschen für Landwirtschaft zu begeistern, ist er im Frühsommer 2023, wenn er zu zweiten Mal Vater wird, doppelt in den Medien präsent: „Farm Rebellion“ heißt eine Dokumentarserie von Disney+, die auf „Gut&Bösel“ gedreht wurde, aber auch andere Visionäre weltweit vorstellt.
Außerdem erscheint Benedikt Bösels Buch „Rebellen der Erde“. Sein Untertitel: „Wie wir den Boden retten – und damit uns selbst!“

Fotos: Gut & Bösel, Finck Photography

 

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