Screenshot der Greentable-Website.

Die machen grünen Tisch

Greentable will als bundesweite Plattform mit angegliederten Projekten im Außer-Haus-Markt für mehr Klarheit und einen zukunftsfähigen Lebensstil sorgen: mit transparenter, grüner Heimatküche.

Text Antoinette Schmelter-Kaiser

Matthias Tritsch ist gelernter Grafiker und Hobbykoch mit einem Faible für regionale Produkte. 2014 gründete der Lüneburger mit Marcus Ramster, Inhaber eines Hotels und Restaurants, Greentable. Mit Greentable möchte er die deutsche Gastronomie­branche zukunftsfähig machen.

Gänseleber und Hummer kommen im Berliner Sterne-Restaurant Nobelhart & Schmutzig nicht auf den Tisch. Stattdessen wird passend zum Küchen-Credo „Brutal lokal“ eine zehngängige „Mahlzeit“ mit bodenständigen Erzeugnissen aus dem Berliner Umland serviert – von Blumenkohl, Erbsen und Kartoffeln über Schmorgurken bis Roggensauerteigbrot.

Ehrlich zubereitete, kreativ modernisierte Heimatküche mit Top-Produkten aus der Region steht auch im Restaurant Großer Kiepenkerl in Münster auf der Karte. Sein Fleisch für Medaillons vom Strohschwein, Sauerbraten oder Rouladen vom Sauerländer Weiderind ist aus artgerechter Haltung, die Auslauf und mehr Zeit zum Wachsen garantiert.

Ebenfalls das Biorestaurant Flux in Hann.Münden setzt auf Zutaten aus biologisch-kontrolliertem Anbau ohne chemische Zusatzstoffe oder Gentechnik. Egal ob für seine Karotten-Apfelsuppe oder die Polenta mit Mangoldgratin; im angeschlossenen Hotel gibt es zum Frühstück fair gehandelten Kaffee und selbstgekochte Fruchtaufstriche.

WERTSCHÄTZUNG FÜR LEBENSMITTEL

Nur ein Blick auf die Speisekarten von drei Mitgliedern der bundesweiten Plattform Greentable macht klar: Diese Betriebe wertschätzen gute, gesunde Lebensmittel. Wer wie sie Mitglied werden und das Siegel „Nachhaltige Gastronomie“ bekommen möchte, muss den Greentable-Kodex anerkennen und mindestens sechs von zwölf Kriterien erfüllen.

Sie reichen von der Verwendung regionaler, saisonaler, ökologisch erzeugter Produkte über Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung und den Bezug von 100 Prozent Ökostrom bis zu umwelt- und klimaschonenden Praktiken wie Plastikverzicht oder E-Ladestation.

Auch Lieferanten und Erzeuger werden aufgenommen, wenn sie nachhaltige Lösungen als Alternativen zum Herkömmlichen anbieten. Zum Beispiel Mehrwegbehälter für Takeaway-Essen von reCIRCLE und Relevo oder Berufsbekleidung aus Bio-Baumwolle und recyceltem Plastik-Meeresmüll, die das Kölner Unternehmen Kaya&Kato herstellt.

  • Schale mit Gericht aus Pfifferlingen und Sauerklee.
  • Koch beim Anrichten der Gerichte.

INFORMIEREN, SENSIBILISIEREN, MOTIVIEREN

Grundgedanke hinter Greentable ist der Wunsch, die Gastronomielandschaft „grüner“ und transparenter zu machen, zu informieren, zu sensibilisieren und zu motivieren. „Beim Einkaufen im Supermarkt findet man mittlerweile auf jeder Lebensmittel-Packung alle Inhaltsstoffe und deren Herkunft“, so Greentable-Gründer und Vorstand Matthias Tritsch. „Im Restaurant hingegen weiß man oft nicht, was man auf den Teller hat.“

Um entlang der Wertschöpfungskette im „Außer-Haus-Markt“ für mehr Klarheit und einen „zukunftsfähigen Lebensstil“ zu sorgen, gründete der gelernte Grafiker und begeisterte Hobbykoch gemeinsam mit Marcus Ramster, Inhaber eines gleichnamigen Hotel-Restaurants in Schneverdingen, 2014 den gemeinnützigen Verein Greentable. Mitglieder bekommen sein Siegel und werden auf der Homepage von Greentable http://www.greentable.org vorgestellt sowie verlinkt.

Außerdem erhalten sie ein Marketing-Paket, um ihre Philosophie kommunizieren zu können. „Wer Gutes tut, sollte auch darüber sprechen“, betont Tritsch.

MIT GUTEM GEWISSEN GENIESSEN

2020 stieg das Interesse an einer Greentable-Mitgliedschaft deutlich. „Im Lockdown hatten Gastronomen Zeit, sich Gedanken über ihre Ausrichtung und Außenwirkung zu machen“, so Tritsch. „2021 ist das bei vielen nicht mehr möglich, weil sie wegen des Personalmangels und der Finanzlage extrem eingespannt sind.“

Hinsichtlich eines weiteren Wachstums der Initiative mit ihren mittlerweile rund 200 Mitgliedern, derer Spektrum von Betriebskantinen über Cafés und Catering-Anbieter bis zu Dreisterne-Adressen reicht, ist er trotzdem zuversichtlich. „In der Gastronomie-Fachpresse ist das Thema Nachhaltigkeit omnipräsent. Immer mehr Gäste wollen mit gutem Gewissen ökologisch, fair und regional genießen. Restaurants, die sich entsprechend auf- oder umgestellt haben, sind mit ihrer Entscheidung glücklich und zufrieden. Es gibt keinen Grund, davor Angst zu haben.“

RESTE-BOX UND KLIMATELLER

Parallel zur Mitglieder-Akquise und -Betreuung treibt Tritsch das Thema Nachhaltigkeit in der Gastronomie mit ambitionierten Projekten voran. Seit 2015 animiert er Gastronomen, aktiv eine Beste-Reste-Box aus kompostierbarem Karton als Lebensmittelretter anzubieten, statt durchschnittlich pro Gast und Jahr 23,6 Kilogramm wegzuwerfen.

Mit der KlimaTeller App, die 2018/2019 als Kooperation der Vereine NAHhaft und Greentable mit Eaternity aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wurde, lassen sich CO2-Emissionen von Speisen berechnen; Gerichte mit mindestens 50 Prozent weniger CO2 als der Durchschnitt können als „Klimateller“ ausgezeichnet werden.

Aktuell engagiert sich Greentable als Lizenzpartner im deutschsprachigen Raum für die globale Zero Foodprint-Initiative: Angeschlossene Restaurants geben ein Prozent jeder Rechnung an den ZFP-Bodenfond weiter, der das Umsetzen regenerativer Methoden in der Landwirtschaft unterstützt. Dazu gehören Agroforste, die auf Grünstreifen neben Äckern die Biodiversität erhöhen, CO2 speichern und Humus aufbauen können.

Die Beste-Reste-Box aus kompostierbarem Karton.

KULINARISCHE KLIMAKAMPAGNE

Nach einer Pilotphase mit fünf Greentable-Mitgliedern fiel der offizielle Startschuss für Zero Foodprint http://www.zerofoodprint.de während der Berlin Food Week Ende September. Deutschlandweit nahmen rund 60 Restaurants an einer „kulinarischen Klimakampagne“ teil, weitere vielversprechende Partner sind interessiert an einer Teilnahme.

„Ich rechne damit, dass es stetig weiter geht“, hofft Tritsch. „Ich bin jetzt 55. 12 Jahre bleiben mir bis zur Rente, in denen ich mit Greentable und unseren Projekten möglichst viel erreichen möchte.“ Idealerweise sollte als Tritschs „Traum“ eine Online-Akademie für nachhaltige Gastronomie dazu gehören. „Bisher spielt das Thema in der Ausbildung keine Rolle“, bedauert er. „Mit ergänzenden Kursen könnten wir die Young Professionals erreichen, die ihr Wissen in Betriebe tragen.“

KARMA-PUNKTE FÜR DIE ZUKUNFT

Einen Großteil seiner Arbeit leistet er ehrenamtlich. Leben könnte Tritsch von dem geringen Gehalt, das ihm der Verein zahlt, sowie Honoraren aus den zusätzlichen Projekten, nicht. Mit seinem Einkommen als freiberuflicher Grafiker reicht es aber. Unterstützung für sein Engagement bekommt er auch von seiner Frau, die Ärztin ist.

„Sie sagt immer, dass ich mit meinem Einsatz Karma-Punkte für die Familie sammele“, erzählt der Vater eines 14-jährigen Sohnes. Mit dessen Geburt habe er ein anderes Bewusstsein für die Verantwortung bekommen, „was wir unseren Kindern hinterlassen.“ Auch aus diesem Grund mache es ihm „großen Spaß“, die „Gastronomie der Zukunft“ mitgestalten zu können.

TRENDWENDE: GRÜNER MICHELIN-STERN

Bei Greentable-Mitbegründer Marcus Ramster waren ebenfalls familiäre Gründe die Initialzündung. Wegen der Nahrungsmittelunverträglichkeit seiner Tochter begann er, das Einkaufsverhalten für sein Restaurant zu hinterfragen. Durch diesen „Augenöffner“ stellte er Schritt für Schritt auf regionale Lebensmittel um, statt sie weltweit einzukaufen. Beim Fleisch orientiert er sich an der ganzheitlichen „Nose to Tail“-Maxime, statt nur Filetstücke zu verwenden.

Mittlerweile erzeugt er auch Ökostrom, betreibt eine Fotovoltaikanlage, nutzt nachhaltige Baustoffe. Für diese Maßnahmen bekam er 2021 genauso wie das Greentable-Mitglied Nobelhart & Schmutzig einen Grünen Michelin-Stern: die neu eingeführte Auszeichnung für gastronomische Vorbilder, die „eine Philosophie der Nachhaltigkeit“ verfolgen. Auch im Gourmet-Sektor fasst eine ökologische Trendwende Fuß.

Fotos: Greentable, Marko Seifert, ZeroFoodprint

Sie möchten nichts mehr verpassen? Hier erhalten Sie spannende Nachrichten zu Finanzen und vielen weiteren Themen.