Mann hält sich den Kopf

KEINE PANIK!

Unser Leben wird oft von bewussten oder unbewussten Ängsten bestimmt. Dabei bietet ein angstfreies Leben so viele Möglichkeiten. Versuchen Sie, Ängste mit Vernunft zu betrachten! Über den Umgang mit Angst.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Lebensnotwendige Angst
  • Panische Angst
  • German Angst

Text Daniela Otto

Schwarz-Weiß-Portrait von Dr. Daniela Otto.

Dr. Daniela Otto ist Literaturwissenschaftlerin, Expertin für Digital Detox und Buchautorin zum Thema. Als Vorstand der Florian Holsboer Foundation setzt sie sich für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ein. Mehr über mentale Gesundheit im Podcast „Alles nur im Kopf“.

In der Bibel stehen viele Weisheiten. Zum Beispiel der berühmte Satz aus dem Lukasevangelium: „Fürchtet euch nicht.“ Tatsächlich scheint sich die Welt mehr denn je nach dem Verkünden einer großen Freude, ja der Erlösung von Sorgen und Ängsten zu sehnen.

Fakt ist aber: Es schaut derzeit nicht danach aus, im Gegenteil. Die große Angst geht seit Jahren um: die Angst vor der Corona-Pandemie, die Angst vor dem Klimawandel, die Angst vor zu hohen Lebenskosten, die Angst vor Krieg. Angst ist ein mediales Dauerthema – wann aber macht uns diese Angst krank? Woher kommt Angst überhaupt? Und wie finden wir einen guten Umgang mit der Angst?

ANGST ALS GEFÜHL

Fangen wir von vorne an: Angst ist ein Gefühl, das alle Menschen und Tiere haben, es ist eine Grundemotion, die überlebensnotwendig ist.

Eine Spezies, Mensch oder Tier, die keine Angst hat, erkennt Gefahren nicht, wird nicht überleben und geht unter.

Die Gene unserer Erbsubstanz, der DNA, und unsere Lebenserfahrungen verbinden sich bei einer gefährlichen Situation, um mit Angst zu reagieren. Dies gilt in besonderem Maße für Situationen, die wir nicht kontrollieren können.

Aktuell sind wieder einmal die Bären los. Stellen Sie sich also vor, Sie spazieren in der Abenddämmerung durch den Park und ein Bär kommt auf Sie zu. Natürlich ist Ihre Furcht vor einem Angriff groß und berechtigt. Wenn Sie dem gleichen Bären im Tierpark begegnen, ist diese Furcht nicht vorhanden, weil die Gefährdung durch die Gitter zwischen Ihnen und dem Bären gleich Null ist. Umgekehrt wird sich eine Maus, wenn sie nur eine Katze riecht, in der hintersten Nische verstecken, aus Furcht, gefressen zu werden.

Wir können festhalten: Beim Menschen spielt der Kontext eine viel größere Rolle als bei Tieren.

SOS Notknopf

ANGSTERKRANKUNGEN

Angst ist ein lebensnotwendiger Begleiter bei Mensch und Tier – trotzdem überschreiten wir Menschen oft die Grenze zur Angststörung. So haben wir nicht nur in realen Gefahrensituationen, sondern auch manchmal, wenn keine Bedrohung besteht, extreme Angst. Das kann die panische Angst vor einer Spinne sein, die Angst im Wartezimmer eines Arztes, die Angst im Aufzug, vor Höhe usw. Gleichzeitig kann Angst auch zu Spitzenleistungen antreiben. Die Grenze von der „guten“ zur krankhaften Angst ist fließend, und Angsterkrankungen haben viele Facetten.

Panikstörung

Da ist zum Beispiel die Panikstörung, deren Leitsymptom die Panikattacke ist: Ein stark pochendes Herz, ein Engegefühl in der Brust, das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Panikstörungen können durch frühkindliche Traumata und erbliche Vorbelastung begünstigt werden und sind für die Betroffenen eine starke Belastung.

Generalisierte Angsstörung

Nennenswert ist außerdem die generalisierte Angststörung, die oft nicht als Krankheit erkannt wird. Im Gegensatz zur Panikattacke, die den Patienten anfallartig überwältigt, steht hierbei eine „frei flottierende Angst“ im Vordergrund: Der Patient ist jemand, der sich dauernd über alles Mögliche Sorgen macht und Angst hat, es würde fortwährend irgendetwas schiefgehen. Das Angstgefühl lässt sich nicht korrigieren und die körperlichen Symptome, z.B. Herzklopfen oder Schweißausbrüche, sind sehr belastend.

Gezeichnete Schaufensterpuppe mit einem Käfig als Kopf

Soziale Phobie

Eine weitere häufige Angststörung ist die soziale Phobie, die sich deutlich von den beiden oben genannten Krankheitsbildern unterscheidet. Während der Patient mit generalisierter Angststörung in übertriebener Weise ängstlich besorgt ist, leidet der Sozialphobiker an einer übermächtigen Schüchternheit, an allgegenwärtiger Angst, von anderen nicht geschätzt zu werden, ja sogar für unattraktiv, geistig beschränkt und unbeholfen gehalten zu werden. Ein öffentlicher Auftritt ist dem Sozialphobiker eine Tortur, die mündliche Prüfung ebenso, obwohl er in der schriftlichen Prüfung oft ganz ausgezeichnete Leistungen bringt. Körperliche Symptome, wie sie bei den schon genannten Angststörungen vorkommen, also Herzklopfen, Schwitzen und Erröten, gibt es auch hier – und es kann ebenfalls zu einer Panikattacke kommen.

Umgang mit Angst und ANGSTTHERAPIE

Was hilft nun gegen diese Angsterkrankungen? Was erleichtert den Umgang mit Angst? Die beiden Therapiewege, die eingeschlagen werden können, sind die Psychotherapie mittels Gesprächen und die Behandlung mit Medikamenten, vor allem mit Antidepressiva – oftmals ist die Kombination die vielversprechendste Methode.

Storch in den verschiedenen Flugphasen

GERMAN ANGST

Es gibt jedoch noch eine weitere Angst, die besonders hierzulande auftritt: die sogenannte „German Angst“. Dieser Begriff, der in der angelsächsischen Presse fest verankert ist, unterstellt den Deutschen gewissermaßen eine kollektive generalisierte Angststörung. Wir Deutschen seien überbesorgt, gegen alle Widrigkeiten des Lebens versichert und reagierten schon bei kleinen Bedrohungen übertrieben ängstlich. Stimmt’s oder stimmt’s nicht?

Immerhin, um nur ein Beispiel zu nennen, hat sich Deutschland während der Nuklearkatastrophe im weit entfernten Fukushima nicht nur massenhaft mit Jod-Tabletten eingedeckt, sondern, im Gegensatz zum betroffenen Japan, gleich den ganzen Atomausstieg beschlossen.

Suchen wir nach Gründen für diese spezifisch deutsche Ängstlichkeit, so kann die Epigenetik Aufschluss geben: Erfahrungen können vererbt werden, natürlich auch die schlechten, also Traumata. Deutschland hat zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts drei fürchterliche Kriege geführt – dies hat Spuren auf unserer DNA hinterlassen, die sich in übersteigerter Ängstlichkeit äußert.

Das vielleicht aktuellste Beispiel für die German Angst ist unsere Panik vor dem vermeintlich drohenden Weltuntergang. Im internationalen Alleingang will Deutschland Vorbild für die Klimarettung sein – wie sinnvoll die ergriffenen Öko-Maßnahmen vom Kohlestrom über das Verbrenner-Aus bis hin zu Wärmepumpen wirklich sind, sei dahingestellt.

„I want you to panic“, sagte die damals 16-jährige Greta Thunberg 2019 in Davos. Ein Ratschlag, der toxischer nicht sein könnte. Denn: Angst stört beim Denken. Und gegen diese spezifische Kollektivangst hilft eines am besten: Vernunft. Kurz: Sapere aude! Fürchten Sie sich nicht. Schon gar nicht davor, sich Ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

 

ALLES NUR IM KOPF

lautet der Titel der Podcast-Reihe der Florian Holsboer Foundation zum Thema Mental Health. Hier geht’s zu den ersten Folgen:

„Woher kommt die ‚German Angst‘?
https://open.spotify.com/episode/6b3kDXECW5N7AA9C5EunDy?si=lFwtD1XySOOPN9oHy8A2FQ&nd=1

„Wann wird Angst zur Krankheit?“
https://open.spotify.com/episode/5GSTTKfiafJcAHJ15fiCwQ?si=eCl83-xRRlmjwYvK8JGGTQ&nd=1

Fotos: Shutterstock, Unsplash / Marcel Eberle

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