KLIMAKOMMUNIKATION – ZWISCHEN ABWEHR UND ANERKENNUNG
Oft wird bei der Kommunikation von Fakten und Meinungen mit psychischer oder sozialer Abwehr reagiert. Wie kommt sie zustande und wir wirkt sie? Über ein Buch zur notwendigen Anerkennung, um Kommunikationskonflikte zu lösen.
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- Über das neue Buch der Autorin
- Die Klimadebatte & der Klimawandel
- Wirkungsvolle Kommunikation
Text Barbara Strohschein
Dr. Barbara Strohschein ist Philosophin und Expertin für Wertefragen. Sie ist in Forschung und Beratung tätig. Warum wir Anerkennung brauchen und wie wir mit Kränkungen umgehen können – das sind ihre Hauptthemen.
Warum geschieht so wenig?
War der Klimawandel bisher nicht immer nur ein Thema der Politik, der Umweltexperten und Klimawissenschaftler? Das ist tatsächlich weitgehend der Fall.
Die Klimaforscher, mit denen ich als Philosophin und Psychologin seit Jahren über das Thema Klimawandel diskutiere, fragen schon lange ziemlich frustriert: Warum geschieht trotz aller Anstrengungen so wenig in Sachen Klima und Umwelt? Müssen die Aktivisten aus der Letzten Generation sich auf den Straßen festkleben und große Kunstwerke mit Kartoffelbrei bewerfen, damit alle aufwachen?
Woran hapert es, obgleich die Folgen des Klimawandels nicht bestreitbar sind? Warum die Widerstände, die zähen Verhandlungen?
Warum werden keine durchgreifenden Konsequenzen gezogen? Und wie wären diese so zu kommunizieren, dass sie akzeptiert werden? Diese Fragen stellen sich nicht nur Klimaaktivisten, sondern auch viele sich verantwortlich fühlende Menschen aus der Bevölkerung.
Warum ist Kommunikation gerade beim Klimawandel entscheidend?
Kommunikation bedeutet Leben, in Kontakt sein, in Beziehung sein und im Austausch.
Das alles scheint in der Klimafrage nicht so zu funktionieren, dass die Probleme auch langfristig wirklich gelöst werden – nicht nur durch die Politik, nicht nur aufgrund der wissenschaftlichen Forschung, und trotz umweltorientierter Bemühungen von Unternehmen, sowie vorhandener Einsichten der Bevölkerung und Fridays for Future.
Da ich in meiner Forschung und Beratung der Meinung bin, dass der Blick in die soziale Wirklichkeit entscheidend für das Erklären und Verstehen von Konflikten ist, habe ich mich der Herausforderung gestellt, die Dynamik der Kommunikation über den Klimawandel zu untersuchen.
Der Blick in die Wirklichkeit
Wie denken, reden und handeln Menschen in der Klimakrise? Ein erster Schritt, um diese Frage zu beantworten, war eine qualitative Untersuchung, die ich zusammen mit einem Kommunikationswissenschaftler zum Thema: „Argumentationsmuster in der Klimadebatte“ im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt durchgeführt habe. Wir haben Interviewpartner in langen persönlichen Gesprächen nach ihrem Faktenwissen, ihren persönlichen Wahrheiten und ihren Meinungen bezogen auf die Klimathematik befragt, aber auch über ihre Werte, ihre Gefühle, Zukunftsvorstellungen und -wünsche. Nicht nur die befragten Wissenschaftler, Politiker und Unternehmer waren skeptisch, ob und wie der Klimawandel bewältigt werden kann, sondern auch junge und ältere Personen aus allen möglichen Berufen.
Wie wird auf den Klimawandel reagiert?
Durch die vertrauensorientierten Interviews kam viel zutage: Ängste, Ohnmachtsgefühle, Schuld und Scham, Wut und Ärger über die Art, wie über das Thema öffentlich diskutiert wird, Skepsis den Medien und der Politik gegenüber, Skepsis, dass die Probleme überhaupt auch lösbar wären. Nicht nur die erklärten Klimaskeptiker erwiesen sich als skeptisch, sondern aus unterschiedlichen Gründen alle Befragten.
Es wurde aber auch fast durchweg die dramatische Lage anerkannt und nicht geleugnet. Und weit mehr als erwartet, war von Verantwortungsbewusstsein und Werten die Rede, um die es geht und gehen sollte. Viele Interviewte gaben zu, letztlich keinen wirklichen Durchblick aufgrund der viel zu vielen widersprüchlichen und emotionsaufgeladenen Informationen zu haben.
Die Klimakommunikation ist offensichtlich konfliktträchtig und mühsam. Sie führt nicht nur in politischen Verhandlungen zu keinen wirklichen Lösungen. Auch in der Bevölkerung ist man sich keineswegs einig, was wirklich Tatsachen sind und wie ohne allzu viele Einbußen für alle gehandelt werden sollte.
Warum sind die Geistes- und Sozialwissenschaften auch in der Frage des Klimawandels relevant?
In meinen psychologischen und philosophischen Arbeiten sehe ich den Sinn darin, mit den zur Verfügung stehenden Methoden aktuelle Probleme ins Visier zu nehmen, sie zu analysieren und daraus zu entwickeln. Es handelt sich hier um die Analyse eines Grundmusters:
Abwehr schafft Probleme, Anerkennung ermöglicht Lösungen.
Diese Aussage betrifft nicht nur die Klimakommunikation, sondern bezeichnet eine Grunddynamik.
Die psychische, soziale und politische Abwehr in der Kommunikation über das Klima führt zu Widerständen, die wiederum Konflikte auf verschiedenen Ebenen und Kontexten erzeugen. Ich erkläre deshalb, wie und warum psychische, soziale und politische Abwehr entsteht, und wie man damit konstruktiv umgehen kann. Die wenigen Untersuchungen zum Thema Abwehr aus den USA und Großbritannien habe ich ebenfalls zu meinen Erklärungen herangezogen.
Anerkennung ist wiederum ein Thema der Philosophen. Das ist öffentlich kaum bekannt, wenn man von den Diskursen in philosophieinternen Kreisen absieht. Nicht nur Georg Friedrich Wilhelm Hegel hat sich ausführlich mit „Anerkennung“ als einem Bewusstseinsakt befasst, der mit Erkenntnissen, Gefühlen und Dynamiken verbunden ist. Auch die heutigen Philosophen haben umfangreiche Studien zur Anerkennung veröffentlicht.
Dank dieser philosophischen Werke wird sofort klar, dass es sich bei Anerkennung keineswegs nur um Lob und Wertschätzung handelt, sondern um sehr viel mehr: um Wahrnehmung, Akzeptanz, Erinnerung, Vergleichen, um Einflussfaktoren, um bestimmte soziale Bedingungen, unter denen Anerkennung stattfinden kann oder auch nicht. So wie auch kulturelle Faktoren eine Rolle spielen, durch die definiert wird, was wie, von wem, in welcher Kultur anerkannt wird.
Warum es wichtig ist, Begriffe genau zu definieren
Nun bestand für mich die Herausforderungen, die öffentlichen wie privaten Argumente über den Klimawandel zu definieren und zu orten. Mit der einfachen Frage: Über was reden wir hier eigentlich? Über Wahrheiten? Über Fakten? Oder (nur) über Meinungen?
Hannah Ahrendt hat in einem heute immer noch hochrelevanten Essay über „Wahrheit und Politik“ diese Begriffsunterscheidung maßgeblich für öffentliche und politische Diskurse gehalten. Wenn Wahrheiten, Fakten und Meinungen nicht unterschieden werden, wissen wir nicht, worüber wir reden und aufgrund welcher Maßstäbe in welchem Kontext entschieden werden soll. Ahrendts Gedanken und Definitionen haben mich dazu angeregt, in der Klimakommunikation zwischen diesen drei Begriffen zu unterscheiden.
Immer wieder wird heute daran gezweifelt, dass es überhaupt Wahrheiten gäbe. Und gleichzeitig wird sofort der Wahrheitsbegriff geltend gemacht, wenn eine Lüge öffentlich wird. Selbstverständlich gibt es – nach Hegels und Ahrendts Definitionen – Wahrheiten auch zum Klimathema. Verbreitet ist auch, dass man auf Fakten aufbauen will, ohne die Frage zu stellen, wer welche Tatsachen aus welcher Perspektive definiert?
Offen und umstritten ist die Frage, welche Rolle Meinungen spielen sollen. Verderben sie die Klimadiskurse oder müssen sie ernst genommen werden? Natürlich trifft beides zu. In meiner Untersuchung erkläre ich beispielhaft, warum es für weitere Lösungen des Klimaproblems wichtig ist, sich dieser politisch relevanten Frage nach den Wahrheiten, Fakten und Meinungen zum Klima zu stellen.
So sind nicht nur die Psychologie und die empirischen Methoden aus der Sozialwissenschaft, sondern auch die Philosophie dazu dienlich, Kommunikationsprozesse zu erklären und zu verstehen.
Warum menschliche Kommunikation nicht unterschätzt werden sollte
Mit diesem Ansatz will ich auch darauf hinweisen, dass ohne Kommunikation logischerweise gar nicht gehandelt und entschieden werden kann, weder auf internationalen Klimakonferenzen noch in politischen oder privaten Diskursen noch in der Wirtschaft, Kultur oder Wissenschaft und der Technologieentwicklung. Sprechen ist immer auch eine Form des Handelns, mit der etwas in Bewegung gesetzt wird.
Es sind immer Menschen, die sprechen und handeln und damit, ob sie wollen oder nicht, kommunizieren. Insofern ist es eine weitverbreitete, sehr begrenzte Sichtweise, davon auszugehen, die Klimafrage ließe sich allein technologisch lösen. Abgesehen davon ist Technologie immer auch kommunikationsbedingt.
Es gibt bisher kaum umfassenden Untersuchungen zur Klimakommunikation, die über quantitativ orientierte Befragungen hinausgehen.
Um dieser Tatsache zu entsprechen, habe ich ausführlich mit Klimaforschern, Physikern, Geowissenschaftlern und mit Kollegen aus der Geistes- und Sozialwissenschaft diskutiert und sah mich ermutigt, meinen eigenen Ansatz zu verfolgen. Mir ist dabei völlig klar, dass Bücher die Welt nicht verändern können. Aber sie können dazu beitragen, sich der Themen und ungelösten Fragen bewusster zu werden, und sich anregen zu lassen, nachzudenken, vorzudenken und konkrete Schlüsse daraus zu ziehen.
Ohne neue Perspektiven auf ein Problem lässt sich selbiges nicht lösen.
Mein Buch „Abwehr und Anerkennung in der Klimakrise“ (Springer Verlag VS)
Einer Einleitung, in der ich meine Motive und mein Konzept vorstelle, folgt Teil I. Hier zeige ich wie Abwehr funktioniert und welche Ursachen und Auswirkungen sie hat.
Im Teil II beschreibe ich meinen theoretischen Ansatz und kläre die Begriffe Wahrheiten, Fakten, Meinungen und Werte, als Grundlage für Teil III. In diesem wiederum kommen die Philosophen zu Wort, die Anerkennung definieren und wie mittels dieser Begriffsanalysen Wahrheiten, Fakten, Meinungen und Werte wahrgenommen und akzeptiert werden können.
Im Teil IV schlage ich Lösungen vor, wie unter diesen Aspekten über die Klimakrise konstruktiv kommuniziert werden kann.
Dieses Buch ist nicht nur für Wissenschaftler/innen, NGOs, Aktivisten und Aktivistinnen geschrieben, sondern für alle die Leserinnen und Leser, die nicht nur an rein technologischen Lösungen des Klimaproblems interessiert sind, sondern wissen wollen, wie Abwehr und Anerkennung als Grundmuster funktionieren, und warum und wie konstruktiv in der Klimakrise kommuniziert werden kann: Nicht nur mit Abwehr aus vielen verschiedenen Motiven, sondern mit der Anerkennung von Personen, Leistungen, Tatsachen, Möglichkeiten und damit auch durch neue Sichtweisen.
Fotos: Shutterstock, Unsplash / Volodymyr Hryshchenko, Random Institute, usgs