Nubra_Valley_Bunte Gebetsfahnen im Wind

KLEIN-TIBET DER HERZEN

Auf dem Flug nach Leh schrumpft das Ego. Unter uns sind nur noch Gipfel, Schnee, Eis und die größten Gletscher jenseits der Pole. Himalaya und Karakorum sind die Scheidewand zwischen vertrautem Chaos und der Terra Incognita vor uns. Ladakh führt an eigene Grenzen und verändert den Horizont.

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  • Tibetischen Buddhismus
  • Tibetischen Zusammenhalt
  • Berge, Klöster und Unterkünfte in Ladakh

Von Gerd Giesler & Milena Sovric

Schwarz-weiss Foto von Milena Sovric und Gerd Giesler

Die Ärztin und Fotografin Milena Sovric und der Kommunikationsprofi und Autor Gerd Giesler fanden in Ladakh ein fast vergessenes Shangrila.

Übersetzt bedeutet „Ladakh“ das Land der hohen Pässe. Es liegt im rauen, dünn besiedelten Norden Indiens. Abgeschieden vom Rest der Welt hat sich dort eine einzigartige, lebendige Kultur erhalten.

Das Leben in dieser Bergregion ist durchdrungen vom tibetischen Buddhismus, dessen Zeichen omnipräsent sind. Die flatternden Gebetsfahnen, die sogar an Brücken hängen wie bei uns Vorhängeschlösser, oder die acht Glückssymbole die fast jedes Gartentor schmücken: der Schirm, der vor negativen Kräften schützt, die Fische der Freiheit, die Vase des Reichtums, die Lotusblüte der Reinheit, die Muschel des Aufwachens, der endlose Knoten des Universums, der Banner der Ignoranz und das Rad für Buddhas achtfachen Pfad.

Häuser durch bunte Gebetsfahnen verbunden vor strahlend blauem Himmel in Leh, der Hauptstadt von Ladakh.

LEH – DAS TOR ZU LADAKH: ZWISCHEN HIPPIE-VIBES UND HOCHGEBIRGE

Religion hat hier mit Überlebenswille zu tun. Das gilt auch für den Islam und den Hinduismus. Ein Volk von kaum 300.000 Einwohnern muss zusammenhalten, gerade als Anhängsel des aufstrebenden Schwellenstaates Indien, der vor allem die geopolitische Brisanz der Region sieht, weil sie an Pakistan und das von China besetzte Tibet grenzt. Der Wunsch nach Eigenverwaltung wird im fernen Delhi daher nicht gehört.

Ansonsten geben die extremen Wetterbedingungen einer trockenen Hochwüste mit Temperaturen von minus 20 Grad im Winter und bis zu plus 30 Grad im Sommer den Takt vor. Die einzigartige Landschaft ist quasi unbeleckt von Industrie, Bergbau und Städten, wie wir sie in Europa kennen. Das natürliche Baumaterial ist, seit die Ladakhis denken können, Lehm und das Holz der Pappeln und Weiden.

Auch der Tourismus ist immer noch in Familienhand, von einfachen Gästehäusern bis hin zu luxuriösen Boutique-Hotels. Internationale Hotelkonzerne? Fehlanzeige.

Der Militärflughafen Leh liegt auf 3.500 Meter Höhe. Das spüren wir sofort. Die Luft ist dünn und trocken. Das Licht fast surreal, die Landschaft gestochen scharf.

Hier oben sieht man bis zu 100 Kilometer weit und die angezuckerten Sechstausender scheinen zum Greifen nah. Ein Trugschluss.

„Julley!“ Mit dem allseits präsenten Gruß empfängt uns Guide Siddharta. Wir müssen grinsen. Nein, er hat Hermann Hesse nicht gelesen. Wir schnappen die Rucksäcke, folgen dem 30-jährigen Ladhaki in Jeans und T-Shirt zum Auto und das 14-tägige Abenteuer beginnt mit einer Art Hausarrest.

Unser erstes Quartier „Shel Ladakh“ ist eine luxuriöse 3-Schlafzimmer-Villa in Shey, rund 30 Minuten von der quirligen Hauptstadt Leh entfernt, die uns vorkommt wie Kathmandu vor 30 Jahren. Das im traditionellen Stil erbaute Haus liegt in einem Pappelhain unweit des Indus. Es wird liebevoll geleitet von Hajra, einer Tierfotografin und Sauma, einem ehemaligen Fußballtrainer aus Mumbai.

Es gibt einen Aprikosensaft zur Begrüßung, dann verordnet uns Hajra strickte Bettruhe, damit wir uns an die Höhe gewöhnen.

  • Stakna-Kloster nahe Leh, Ladakh, Indien
    Kloster Stakna
  • Religiöse Zeremonie im Kloster Diskit, Nepal
    Kloster Diskit

DER DALAI LAMA LIEBT LADAKH – WO SPIRITUALITÄT UND GELASSENHEIT ZUHAUSE SIND

Was uns immer wieder auffällt: die Freundlichkeit der Ladhakis. Selbst Straßenhunde sind hier wohlgenährt, schließlich ist Buddhismus praktizierte Nächstenliebe für alle Lebewesen. Zu den treuesten Besucher Ladakhs zählt der Dalai Lama, weil es ihn so stark an Tibet erinnert. Gerade hat er in Leh seinen 90. Geburtstag begangen. Sein Foto hängt in allen Klöstern des Landes.

Ansonsten ist Ladakh eher touristisches Neuland und wird vor allem von Trekking-Enthusiasten oder Liebhabern buddhistischer Klöster besucht. Dabei lässt sich beides wunderbar miteinander verbinden. Es lohnt sich also, sowohl der Spiritualität der Klöster, als auch den Gletschern auf Augenhöhe zu begegnen. Vor allem, wenn man einen Guide hat, der nicht nur im tibetischen Buddhismus sattelfest ist, sondern auch auf den Trails im Markha Valley.

Die Gipfel Kang Yatse I und II mit einer Höhe von 6496m und 6250m

KLOSTERBESUCH IN LADAKH – RITUALE, BUTTERTEE & GELEBTER BUDDHISMUS

Das Kloster Thiksey, nur 20 Autominuten vom Shel entfernt, ist kein Ort fürs Sightseeing und bloßes Abhaken. Wie ein steingewordener Wächter thront es über der Ebene. Es ist ein Ort zum Verweilen und Erspüren. Vor allem zur morgendlichen Puja, dem Gebet der Mönche. Jeden Tag um 6.30 Uhr wiederholt sich das Ritual seit Hunderten von Jahren.

Erst nach und nach erkennen wir Ordnungsprinzipien in dieser geheimnisvollen Welt der Gelb-und Rotmützensekte. Da gibt es das reiche Hemis, die Machtzentrale, dann das zauberhafte Alchi, das die Mongolen bei ihren Plünderzügen übersahen, Diskit mit seiner riesigen Buddha-Statue und natürlich Thiksey, das lebendige, pulsierende Herz. Vor allem, wenn jeden Morgen zwei Mönche auf das Dach steigen und mit Trompeten den neuen Tag begrüßen. Besucher sind willkommen.

Hat man erst einmal die fratzenhaften Bildnisse der vier Schutzpatrone passiert, heißt es Schuhe ausziehen und bücken, bevor man durch extrem niedrige Türen das Allerheiligste betritt. Wir tun dies respektvoll immer im Uhrzeigersinn, bevor wir uns im Schneidersitz wie zu einer Meditation niederlassen. Es ist wie eine Einladung, die Perspektive des Beobachters zu verlassen und einzutauchen in das Endlosmurmeln der Mönche und in den Klangteppich aus Trommeln und Zimbeln. Eine Einladung sich auf das uralte Ritual einzulassen.

Wir erwachen aus dieser Trance erst wieder, als Novizen dampfende Kessel herbeischleppen und den Anwesenden aus Gerste und Buttertee eine Art Mönchsmüsli in ihre Schalen füllen.

Zimmer im Hotel Shel Ladakh im indischen Dorf Shey

Shel Ladakh in Shey

Hajra und Sauma leiten das Hotel Shel Ladakh im indischen Dorf Shey

Die Gastgeber von Shel: Hajra und Sauma

Zimmer mit großem Bett im Nimmu-House-Glamping

Nimmu House Glamping

Gebetsraum im Nimmu-House

Yoga mit Sonam

Gastgeber im Nimmu-House: Vikran und seine Frau Indrani

Gastgeber im Nimmu-House: Indrani und Vikram mit den Hunden Zero und Slow

Lchang-Nang-Resort

Das Lchang Nang Resort

Zimmer im The-Kyagar

The Kyagar

Picnic des Nimmu-House unter freiem Himmel vor Bergkulisse Nimmu-House

Dünenpicknick, The Kyagar Hotel

Asiatische anmutende Frau mit langen dunklen Haaren

Rinchin baute das Kyagar aus Lehm und Holz

Der Stok-Palast ist ein historisches Gebäude in Ladakh, Indien, das als Residenz der königlichen Familie von Ladakh dient

Stok Palace

The-Postcard-High-Tea

High Tea im The Postcard

TIEFENENTSPANNUNG BEIM GLAMPING IM NIMMU HOUSE

Vikram und seiner Frau Indrani war das Leben in Delhi zu stressig. 2021 ließen sie sich mit ihren beiden Hunden Zero und Slow (für: Zero Waste und Slow Food) in Nimmu, rund 45 Minuten von Leh entfernt nieder, um fortan das tibetische, hochherrschaftliche Nimmu House www.ladakh.nimmu-house.com mit Liebe und Gelassenheit zu erfüllen, und Gäste in den wenigen Zimmern oder zum Glamping in sieben Safarizelten zwischen Aprikosen-und Walnussbäumen zu begrüßen.
Die beiden haben nichts bereut. Als Gast genießt man süßes Nichtstun in der Hängematte, die kulinarischen Kreationen von Chefkoch Sumit oder die tiefgründigen Yoga-Sessions mit Sonam.
Und bei einer Tasse Tamarinden-Eistee erzählt die zierliche Tibeterin vielleicht ihre unglaubliche Geschichte, die sie als kleines Mädchen nach Ladakh verschlug.

Landkarte von Ladakh

NUBRA-TAL ERLEBEN – KAMELREITEN, WÜSTENLANDSCHAFT & HIMALAYA-FLAIR

Die Fahrt ins 150 Kilometer entfernte Nubra-Tal führt über den Khardung La, den dritthöchsten Pass der Erde, auf eisverkrustete 5480 Meter Höhe. Kaum zu glauben, dass in Nubra Sanddornwälder und Sanddünen auf uns warten, die Heimat des baktrischen Kamels, dem einzigen natürlichen Fortbewegungsmittel, das diesen krassen Temperaturunterschieden trotzt.

Im Auto lauschen wir Sidharthas Playlist und lassen uns von der ladhakischen Boygroup Stenzin Shayan von den Kurven ablenken. Die Straßenmeisterei BRO, die hier im ewigen Kampf gegen Steinschlag und Murenabgängen das Sagen hat, versucht die Fahrer mit Humor zu erziehen: „Hurry, hurry, spoils the curry“ und „drive with whisky is risky“ leuchtet uns auf Straßenschildern entgegen. Letzteres mag überflüssig erscheinen in einem Land, in dem der Alkohol sowieso verpönt ist.

Das Nubra-Tal ist auch das Tal der wunderschönen Boutique-Hotels, ideal um vor einem anstrengenden Himalaya-Trekking Kräfte zu tanken. Rigzin Wangtak Kolon aus dem Dorf Sumur, der in Indien als Ingenieur arbeitete, wollte in seinem Leben noch etwas Sinnvolles schaffen: auf väterlichem Grund am Fluss ein Öko-Bungalow-Resort erbauen, lokale Arbeitsplätze schaffen und die Gäste einbinden in den ladhakischen „way of life“.
Herausgekommen ist das Lchang Nang Retreat www.lchangnang.com, das Tradition mit höchstem Komfort verbindet und neben Yoga und Sternbeobachtungen auch Lernstunden mit einem Lama anbietet.

Gleich nebenan hat Cousine Rinchin, Ex-Bankerin, The Kyagar www.thekyagar.com aus Lehm und Holz erbaut: acht puristisch gestylte Cottages mit Panoramablick über den Fluss. Vom Kopfkissen aus kann man nachts durch ein Fenster im Dach auf die Milchstraße blicken.

Trampeltiere (zweihöckriges Kamele)

MARKHA VALLEY TREK – WANDERN IM HERZEN DES HIMALAYA

Wandern in Ladakh gehört zu den ergreifendsten Erfahrungen die man in dieser abgeschiedenen Region nur machen kann. Man ist allein mit seinem Herzschlag. Nur ab und an trifft man vereinzelt Mönche oder Bauern. Angesichts der Höhe, vor allem bei der Querung des 5.260 m hohen Kongmaru-La Passes, konzentriert man sich automatisch auf das nächste Etappenziel. Nichts anderes ist mehr wichtig und der Kopf ganz frei.

Trekking im Upper-Hankar-Valley

Wir wählen aus der Markha Valley Route eine 4 -Tagesetappe von Hamurgha über Markha, Hankar, Nimaling und über den Kongmaru-La ins Tal zurück. Übernachtet wird bei Bauernfamilien und in der Hochebene von Nimaling unterhalb des Kang Yatse Gletschers in einem Zeltlager, das zum Hemis Kloster gehört. Technisch gesehen ist die Wanderung einfach. Beim Trekking begleitet uns zusätzlich Sangeh, ein Sherpa aus Nepal. In seinem Rucksack ist eine Sauerstoff-Flasche. Für den Notfall. Man ist eben auf sich alleine gestellt. Schnelle Hilfe gibt es in den entlegenen Hochtälern nicht.

Das Wichtigste, neben einer guten physischen Verfassung, ist die Bereitschaft, jeden Tag zwischen acht und 14 Kilometer zu wandern und bis zu 1.300 Höhenmeter zurückzulegen. Dafür belohnen uns unglaubliche Ur-Landschaften wie aus „Herr der Ringe“, bizarre Felsformationen, Stupas, archaische Dörfer und auf dem Pass, Auge in Auge mit den höchsten Gletschern, das unfassbare Gefühl, das Ziel erreicht zu haben.
Das Ziel? Das ist Chogdo. Drei Stunden Abstieg durch eine Wildbachschlucht stehen uns noch bevor, erst dort wartet das erlösende Taxi.

Hankar Homestay - ein Steinhaus
Hankar Homestay

ÜBERNACHTEN IM STOK PALACE – KÖNIGLICHER LUXUS IN LADAKH

Nach derartigen Strapazen mutet das Stok Palace Hotel www.stokpalaceheritage.com mit seinen historischen Adelszimmern fast wie ein Märchen an. Es ist zugleich Museum und Sitz der Namgyal Dynastie, aus der auch der ehemalige König von Ladakh hervorging. Am nächsten Morgen trauen wir unseren Augen kaum: Vor uns in fast überirdischem Sonnenlicht breiten sich das Tal und die Berge wie eine 3D-Kartografie vor uns aus. Beim Frühstück vor dieser Kulisse fühlen wir uns im wahrsten Sinne wie kleine Könige. Lässt sich das noch toppen?

Das Konkurrenz-Unternehmen „The Postcard“ in The Himalayan Willows liegt nur einen Steinwurf vom alten Stok Palast entfernt im ehemaligen Obstgarten der Königsfamilie. Gemanagt wird das Boutique-Resort von der gleichnamigen indischen Kette unter Kapil Chopra, dem ehemaligen Präsidenten der Oberoi Hotels, der neue Maßstäbe für welterfahrene Traveller setzen will. Die großzügig konzipierten Cottages bieten jeden erdenklichen Komfort von der Fußbodenheizung bis zum temperierten WC-Sitz, die Küche offeriert Kulinarik vom Feinsten, das Team überschlägt sich in Freundlichkeit.

Und doch vermissen wir etwas: Dieses alles durchdringende Zusammengehörigkeitsgefühl der Ladakhis, das wir in jedem noch so kleinen Familienunternehmen spüren durften, und das die Kultur und Spiritualität hier oben über die Jahrhunderte so unverfälscht überdauern hat lassen.

Kulinarik in Ladakh – Nilza Wangmo & Alchi’s Kitchen

Nilza Wangmo mit ihrem winzigen Restaurant Alchi’s Kitchen zählt heute zu den bekanntesten Köchinnen Ladakhs. Sie kocht nach den traditionellen Hochland-Rezepten ihrer Großmutter, die noch am irdenen Herd stand und in steinernen Töpfen rührte.
Im Video spricht sie über Khambir, das Fladenbrot, Mok Moks, die gedämpften Teigtaschen und Eintöpfe wie Skyu und Chutagi, die sie mit Kräutern und wildem Kümmel würzt.

Hotel Haveli

Hotel Haveli

REISETIPPS FÜR LADAKH – BESTE REISEZEIT, EINREISE & TREKKING

Buchung: Geoplan Touristik in Berlin ist spezialisiert auf Indien-Rundreisen und arbeitet mit hervorragenden örtlichen Agenturen. Kontakt: Konstanze Sturm, Telefon: +49(30)3464981-12, Zentrale: +49(30)3464981-0, E-Mail: k.sturm@geoplan.net

Einreise: eVisum für 30 Tage. Von Dehli aus wird die Hauptstadt Leh mehrmals täglich angeflogen.

Reisezeit: März bis Oktober, ideal sind Juni bis September.

Ideales Stop-Over Hotel in der Altstadt Delhis: Haveli Dharampura, Unesco-Erbe im Hindu Mughal-Stil um einen schönen Innenhof mit Roof-Top-Restaurant. Abends lassen die Gäste vom Dach Drachen steigen.

Wandern: Rucksack, Bergstiefel, Wanderstöcke, leichter Daunenschlafsack, Regenschutz, Wechselkleidung, Sonnenhut, genügend Trinkflaschen (mindestens 2 Liter pro Person)

Fotos: Milena Sovric und Gerd Giesler

Donner & Reuschel

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