Das Gesicht eines Mannes ist beklebt mit Post-Its mit Schlagwörtern wie "Werte" oder "Gesellschaft".

LEBENSMOTIVE ALS KARRIEREGUIDE

Der Berufseinstieg ist komplex. Doch wer sich seiner Lebensmotive bewusst ist, ist dabei klar im Vorteil. Für langfristigen Erfolg und Zufriedenheit müssen wir „nur“ den Mut aufbringen, unsere Talente und Stärken zu leben..

Text Nele von Bargen

Schwarz-Weiß-Bild von Nele von Bargen.

Nele von Bargen ist Karrierecoach und unterstützt Menschen dabei, erfolg und Zufriedenheit zu verbinden. Sie war 15 Jahre lang führend im Personalbereich tätig, u.a. bei der Dresdner Bank Lateinamerika und Peek & Cloppenburg.

Junge Menschen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, sind oft verunsichert. Sie wollen keine falschen Entscheidungen treffen und haben eine endlos lange Liste von Möglichkeiten. Doch worauf sollten sie ihre Entscheidungen basieren? Geht es um das, was ihnen Spaß macht? Sind ihre Talente ausschlaggebend? Oder sollten sie auf ihr Bauchgefühl oder die Eltern hören?

Praktisch wäre doch eine Art Messgröße, ein Konzept, das einem sagt, „Das passt zu mir, das eher nicht.“ In der Persönlichkeitspsychologie gibt es diesen Ansatz. Der amerikanische Psychologe Steven Reiss hat in den 1990er Jahren 16 Lebensmotive entwickelt und erforscht.

Diese Grundmotive spiegeln unsere individuellen Prioritäten und Bedürfnisse wider und sind in jedem Menschen in ihrer Intensität anders ausgeprägt. Man kann sagen, dass die Lebensmotive unsere Navigation sind. Nur, sind sich viele darüber nicht bewusst.

BERUFSWAHL UND DIE 16 LEBENSMOTIVE

Macht, Unabhängigkeit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sparen, Ehre, Idealismus, Beziehungen, Familie, Status, Rache, Eros, Essen, Aktivität und Ruhe. Sprechen Sie spontan einige der aufgeführten Begriffe mehr an als andere? So funktionieren die Lebensmotive. Wir alle tragen sie in uns und wissen meist instinktiv, welchen wir eine höhere Priorität zuschreiben.

Junge Menschen stehen mit der Berufswahl vor der wohl bislang wichtigsten Entscheidung ihres Lebens. Dabei sollten sie sich diese Kernfragen unbedingt stellen:

„Was treibt mich an? Was motiviert mich und was nicht? Und was kann ich mir zutrauen?“

Die Antwort liegt in der Ausprägung der Lebensmotive.

Arbeits- und Organisationspsychologin Uta Rohrschneider betont: „Je mehr die Aufgabe dazu beiträgt, die intrinsische Motivation zu befriedigen, umso mehr wird sie mit Freude erledigt.“ Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die Lebensmotive oft als Werte bezeichnet. Doch wie entstehen diese Werte überhaupt?

  • Gelber Bleistift mit der Aufschrift "Choos Happy! XOXO".
  • Eine Frau hält ihre Faust in die Höhe, auf dem Handrücken steht "Focus".

DIE FRÜHKINDLICHE BEEINFLUSSUNG

Es gibt drei Faktoren, die zur Intensität einzelner Werte beitragen. Zum einen spielt die Veranlagung eine Rolle. Ob jemand eher risikofreudig oder sicherheitsliebend ist, ist zum Teil bereits in der DNA festgelegt. Hinzu kommt die Erziehung: Haben Eltern ihr Kind oft gelobt oder haben sie stets zur Vorsicht ermahnt?

Ein Kind, das ermutigt wurde, wird als Erwachsener auch eher dazu bereit sein, einen mutigen Schritt zu gehen. Wer jedoch in der Kindheit stets „Pass bloß auf! Sei vorsichtig!“ gehört hat, wird auch im Erwachsenenalter zur Vorsicht neigen oder in der Gegenanpassung stets nach Abenteuern Ausschau halten. Die Intensität der Werte wird zudem durch prägende Erlebnisse in den ersten sechs Lebensjahren beeinflusst. Haben sich beispielsweise die Eltern im Streit getrennt, so steht das Lebensmotiv Harmonie vielleicht im Fokus.

DER BLICK AUF DEN KOMPASS

Lebensmotive haben in der Berufswahl eine so hohe Relevanz, weil sie sich im Laufe des Lebens nicht grundlegend verändern. Sie verstärken sich, in Ausnahmesituationen kann auch ein Überdenken stattfinden. Doch sobald wieder ein stabiler Lebensabschnitt erreicht ist, pendelt sich die Intensität auf die Ausgangslage ein. Sobald wir unsere Werte außer Acht lassen, entsteht Unzufriedenheit. Und mit dieser Unzufriedenheit wiederum tritt eine Bereitschaft für Veränderung hervor.

Die Lebensmotive sind also unser integrierter Kompass. Wer sich auf dem falschen Weg befindet, sollte auf seinen Kompass schauen und sich wieder orientieren. So sind wir in der Lage Entscheidungen zu treffen, die auch langfristig unseren Bedürfnissen gerecht werden.

Junge Frau mit dunklen Haaren blickt in einen kleinen, runden Siegel.

LEBENSMOTIVE SCHAFFEN BEWUSSTSEIN

Der Grundbaustein für einen erfolgreichen Berufseinstieg ist ein Bewusstsein über das, was uns persönlich wichtig ist. Anschließend gilt es herauszufinden, in welchem Umfeld die meisten unserer hoch priorisierten Werte zu finden sind.

Bestimmte Branchen bieten eine große Deckungsgleichheit mit bestimmten Werten. Und innerhalb dieser Branchen lassen sich Berufsgruppen definieren, die mit gewissen Werten einhergehen. Wer also seine Lebensmotive bereits bei der Berufswahl kennt und berücksichtigt, ist langfristig zufriedener und zweifelt weniger an dem eingeschlagenen Weg.

Die Lebensmotive schaffen Bewusstsein, dienen als Messgröße und geben Bestätigung über die Sinnhaftigkeit von Entscheidungen.

Wer dieses Tool kennt, merkt schnell, wie hilfreich es in vielen Lebenslagen ist – denn nur wenn wir unsere Werte in den Fokus unseres Lebens stellen, erreichen wir Zufriedenheit. In den unzähligen Berufsberatungen, die ich bereits mit jungen Menschen gemacht habe, ist die Definition der Lebensmotive ein entscheidender Moment. Ich sehe ihnen an, wie viel Klarheit über sich selbst und ihre Wünsche damit entsteht.

Es lohnt sich also, sich damit vor großen Entscheidungen, wie dem Berufseinstieg, auseinanderzusetzen!

Fotos: Unsplash / Chase Clark, Jenny Pace, Elisa Ph, Yasin Yusuf

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