Schild mit der Zahl 5.

Die fünf Lebensprioritäten der Jesuiten

Als ich an der Hochschule für Philosophie SJ studierte, kam ich mit einer Prioritätenliste in Kontakt, die ich hier wiedergeben und erläutern möchte. Hinsichtlich der Frage, was man im Leben priorisieren möchte, erscheint sie wichtiger denn je.

Text Hans Christian Meiser

Portrait in Schwarz-Weiß von Hans Christian Meiser

Dr. Hans Christian Meiser ist Philosoph und Publizist, zudem Herausgeber und Chefredakteur von PURPOSE, dem Magazin für Sinnhaftigkeit. Dieses Thema zieht sich durch sein gesamtes Werk.

Der Jesuitenorden, seit jeher für seine Denkbrillanz bewundert und gefürchtet zugleicht, hat für seine Fratres und Patres eine Liste von fünf Prioritäten aufgestellt. Sie sollen den Ordens- und Laienbrüdern helfen, das Leben so zu vollziehen, dass es am Ende als ein erfülltes gelten kann.

Prio 1: Guter Schlaf

An oberster Stelle steht – man glaubt es zunächst kaum – der Schlaf. Denkt man genauer nach, ist das nur folgerichtig. Denn schlechter Schlaf bedeutet, dass man sein Tagwerk nicht gut erledigen kann. Deshalb kommt dem gesunden Schlaf eine so tragende Bedeutung bei.

Der Satz "Get good sleep" aus Scrabble-Steinen gelegt.

Prio 2: Gesunder Körper

An zweiter Stelle wird der Körper genannt. Eigentlich sollte man denken, dass Kleriker eher körperfeindlich eingestellt sind, doch hier wird man eines Besseren belehrt. Denn ohne einen durch Bewegung und Sport gestärkten Körper können wir die Aufgaben, die uns fordern, nicht bewältigen, können also auch nicht in der Weise für andere wie für unsere Nächsten so da sein, wie es nötig wäre.

Junger Mann beim Joggen, im Hintergrund der Sonnenaufgang.

Prio 3: Innnere Versenkung

An dritter Stelle (erst!) finden sich Gebet, Meditation, innere Einkehr, Spiritualität, das Gespräch mit dem, was die religiöse Sprache Gott nennt. Hier wird das tägliche Leben ausgeblendet, damit man sich ganz auf sich und seinen Urgrund konzentrieren kann.

Moslems entziehen sich fünf Mal am Tag dem gewohnten Leben, um dadurch Zwiesprache mit Allah zu halten. Könnte man sich dies in einer christlichen Gesellschaft vorstellen? Wenn sich z.B. in einer Autofabrik die Belegschaft fünfmal am Tag ganz bewusst für einige Minuten zum gemeinsamen Gebet versammelt? Sicher nicht.

Aber wäre solches vielleicht nicht guttuend? Würden durch diese kleine Handlung nicht Körper, Seele und Geist wieder ins Gleichgewicht kommen und Zivilisationskrankheiten wie Stress oder Burn-out weniger Chancen bei ihrem Kampf gegen den Menschen haben? Einige, aber vor allem japanische Konzerne haben erkannt, dass Meditationspausen nicht nur den Mitarbeitern, sondern in direkter Folge auch dem Unternehmen guttun.

Im Kapital hörigen Westen wird es allerdings noch eine Weile dauern bis man begreift, dass das „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ auf Dauer keinen Erfolg haben wird.

Frau sitzt in der Wüste und wirft Sand in die Luft.

Prio 4: Soziale Beziehungen

Auf Platz vier der Jesuiten-Prioritäten stehen die Beziehungen, die wir zu anderen haben. Eltern, Geschwister, Verwandte, Liebespartner, Freunde, Bekannte.

Nur mit ihnen und durch sie wird das Leben lebenswert. Gänzlich alleine können nur wenige Einsiedler sein – und selbst sie brauchen jemanden, der ihnen gelegentlich hilft. Der Mensch als Herdentier ist auf andere bezogen und er kann nur in diesem Bezug gedeihen.

Junge Eltern mit kleinem Kind auf dem Arm.

Prio 5: Arbeit

Auf dem fünften und letzten (!) Platz findet sich die Arbeit. „Sie gelingt dann am besten“, schreibt der Jesuit und Philosoph Michael Bordt in seinem Buch ,Was in Krisen‘ zählt, wenn die ersten vier Prioritäten stimmen und wenn wir nicht etwa aus dem Beziehungsstress in die Arbeit flüchten, um von der Arbeit eine Erfüllung des Lebens zu erwarten, die sie außerstande ist zu geben.“

Die meisten von uns leben diese Priorisierung genau anders herum: Nr. 5 ist ihnen am wichtigsten, Nr. 1 sehen sie als vernachlässigbar an.

Ein Schweißer bei der Arbeit.

500 Jahre Erfolg

Möge jeder selbst entscheiden, was ihm wie lange gut bekommt. Sicher aber ist, dass die Jesuiten mit ihrer Priorisierung der wichtigsten Lebensbereiche eine erfolgreiche Kommunität aufgebaut haben, die schon fast 500 Jahre lang (Gründung 1534) unser Denken bereichert und die Welt – auch durch das teilweise widersprüchliche Handeln – immer wieder in Erstaunen versetzt – von Ignatius von Loyala bis hin zu Papst Franziskus.

Fotos: iStock, Unsplash / Christopher Burns, Frida Aguilar Estrada, Brett Jordan, Possessed Photography, Jessica Rockowitz

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