
Liebesbeziehungen – was tut mir/uns gut?
Beziehungen sind wie Schuhe, sie sollten passen. Aber wie und wo sind die richtigen zu finden? Antworten aus dem Buch „Weit weg – Nah dran.“
Hier erfahren Sie mehr über
- Selbsterfahrung
- Menschliche Bedürfnisse
- Lebendigkeit und Tiefe
Text MoonHee Fischer

Dr. Moon Hee Fischer, Philosophin und Kolumnistin, verbindet philosophisches Denken und spirituell gelebtes Gewahrsein u.a. in ihrem Buch „Wir erleben mehr, als wir begreifen“. Seit vielen Jahren begleitet sie Menschen in Lebensfragen und -themen in ihrer philosophisch-spirituellen Praxis in München.
Wie heißt es so schön: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen.“ Mit dem Bewusstsein einer globalen Welt ist die Welt größer und zugleich kleiner geworden. Die moderne Welt versteht sich einerseits als ein Ganzes, in dem Chancengleichheit und Diversität großgeschrieben werden, und andererseits ist sie, da „everything goes“, in ihren Werten verflacht.

KÖNNEN SICH OFFENHEIT UND TOLERANZ ZU GLEICHGÜLTIGKEIT AUSWACHSEN?
Offenheit, Toleranz, Vielfalt und Freiheit sind für ein gemeinsames Leben notwendig. Doch falsch verstanden oder gar nicht verstanden, arten diese positiven Eigenschaften allzu gerne in Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit aus. Gleichgültigkeit und Langeweile liefern sich mit Ängsten und einem Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit einen Schlagabtausch.
Wir mögen informativer, kosmopolitischer, aufgeklärter, emanzipierter und sexuell liberaler geworden sein, doch hauptsächlich zu unseren eigenen Gunsten. Wir finden das gut, was uns gefällt, und treten für das ein, was im Einklang mit unseren Vorstellungen, Bedürfnissen und Interessen steht.
Außerhalb meiner Welt ist keine Welt. Mit dieser Einstellung und Haltung leben wir auch Beziehungen.
Wir sehnen uns nach Nähe, bleiben innerlich aber distanziert. Wir wünschen uns Geborgenheit und Zärtlichkeit, fürchten uns aber, innerlich weich zu sein. Wir wollen Zuwendung, aber wenden uns dem anderen innerlich nicht wirklich zu.

WO STEHE ICH UND WIE TRETE ICH IN KONTAKT?
Liebesbeziehungen, ob feste, freie, Freundschaft plus, monogame, polyamore oder andere Beziehungsformen, stellen eine Herausforderung dar. Wie wir oben sehen, liegt das Dilemma jedoch nicht in der Beziehung an sich, sondern bei uns. Allzu oft pendeln wir zwischen „Ich weiß nicht, was ich will“ und „Ich will alles“ hin und her.
Eine Beziehung zwischen zwei oder mehreren Menschen ist so gut oder schlecht wie die Beziehung zu uns selbst. Beziehungen basieren zwar auf Wechselseitigkeit, doch fühlen und erleben können wir sie nur von unserem eigenen Standpunkt aus. Konditionierungen, Prägungen, Vorlieben und Abneigungen bestimmen, wo ich stehe und wie ich mit der Welt in Kontakt trete und was ich von ihr erwarte.
Da ich ich bin, projiziere ich meine Gefühle, meine Gedanken, meine Vorstellungen und meine Ansichten in ein Gegenüber. Eine Beziehung sowie die Wahl einer bestimmten Beziehungsform spiegeln mich also wider. Im besten Fall erkenne ich das und lerne. Die Lösung des Beziehungsdilemmas liegt nicht darin, dass wir uns in einer Beziehung festbeißen oder sie locker sehen oder sie häufig wechseln oder gar vermeiden.
Wir sollten uns lieber fragen: Warum tue ich das, was ich tue? Warum will ich das, was ich will? Warum fühle ich das, was ich fühle? Wieso brauche ich das so und nicht anders? Wenn wir das getan haben, sollten wir uns auch fragen, ob der andere Part der Beziehung sich damit wohlfühlt.

BEZIEHUNG ALS ERWEITERUNG – AUCH DES SELBST!
Beziehungen sind wie Schuhe. Sie sollten weder zu eng, zu klein noch zu weit oder zu groß sein. Sie sollten einfach passen. Manche mögen es sportlich, andere wiederum elegant; manche mögen flache Absätze, andere wiederum hohe; manche mögen es verspielt, andere wiederum eher schlicht; manche mögen es auffällig, andere wiederum dezent etc..
Zu jedem Topf gibt es einen Deckel. Doch Obacht: Wir sollten den Topf erst einmal gut reinigen, bevor wir ihn benutzen, sonst haftet dem Neuen, mit Deckel oder ohne, der alte Geschmack an. Vielleicht können wir den Topf sogar so gut schrubben, dass wir Beziehungen im Allgemeinen nicht als ein Dilemma betrachten, sondern als eine wunderbare Selbsterfahrung, die Erweiterung meines Selbst, in dem der andere, die andere oder die anderen mir ebenso wichtig sind, wie ich mir selbst. Und zwar so sehr, dass wahre Beziehung beginnen kann.
Das PURPOSE-Magazin bedankt sich für diese Leseprobe. Weitere Fragen und MoonHee Fischers Antworten darauf werden folgen.
Fotos: Unsplash / Ysb Co, Khamkeo, Yusuf Onuk, Georgi Sariev