Montblanc: Werte aus Tinte
Einzigartige Handschrift. Festgehaltene Gedanken. Ausdruck von Individualität und Geisteshaltung. Als Unterschrift hat der Füller Verträge besiegelt, die die Welt veränderten. Verblassen handgeschriebene Worte im digitalen Zeitalter? Der Chef von Montblanc bricht eine Lanze für die Feder.
Interview Gerd Giesler
Elvir Johic leitet als Geschäftsführer die Geschicke des Schreibgeräteherstellers Montblanc in Deutschland. Er ist seit 15 Jahren in verschiedenen Positionen im Unternehmen tätig.
Handschrift macht Gedanken sichtbar, innere Bewegungen werden zu äußeren. Aber immer mehr Menschen hören auf, mit der Hand zu schreiben. Dabei sind handschriftliche Texte nicht nur endgültiger formuliert, sondern auch kreativer, weil sie bestimmte Regionen im Gehirn bemühen. Beim digitalen Tippen und Wischen kann aus einer einzigen Fingerbewegung Verschiedenes werden, je nachdem was elektronisch hinterlegt ist. Der Körper spürt keinen Unterschied.
Gedanken die mit Stift auf Papier festgehalten werden, sind anders als in E-Mails oder den sozialen Medien. Wenn man eine SMS schreibt, ist unsere Vorstellung von Zeit eine gänzlich andere, als bei einem Brief. Das trifft auch für Umgebung, Körperhaltung und geistige Reflexion zu. „Wer beim Schreiben noch eine Feder schwingt entscheidet sich für die Macht der Kommunikation, denn Worte sind ein universeller Eckpfeiler der Demokratie.“
Ein Tempel für den Füllfederhalter
So sieht es zumindest der Hamburger Schreibgerätehersteller Montblanc. Während die Mehrheit der Welt von einer digitalen Transformation spricht, baut das 1908 gegründete Traditionsunternehmen gerade einen Tempel – für den Füllfederhalter aus schwarzem Edelharz mit dem weißen Emblem auf der Kappe, das den Mont Blanc mit seinen sechs Tälern symbolisieren soll.
Auf dem Firmengelände im Stadtteil Altona, wo knapp 1000 der weltweit 3000 Konzern-Mitarbeiter beschäftigt sind, entsteht in Form eines Füllers das Montblanc Haus für die Kunst des Schreibens, das die unzähligen Geschichten und historischen Momente rund um die Schreibgeräte erlebbar machen wird.
Momente wie jenen, als John F. Kennedy seinen Füllfederhalter lässig Kanzler Adenauer reichte, weil dieser keinen Stift zur Hand hatte, um sich im Goldenen Buch der Stadt Köln zu verewigen.
Herr Johic, welche Gedanken sind es Ihrer Meinung nach wert, mit Stift und Papier aufgeschrieben zu werden?
Elvir Johic: Jeder gute Gedanke! Für mich ist das handgeschriebene Wort ein wesentlicher Teil des Lebens. Durch das digitale Zeitalter gewöhnen wir uns zwar daran, Worte mit der Tastatur festzuhalten, doch nichts ist bedeutungsvoller als das handgeschriebene Wort.
Was haben Sie selbst zuletzt mit Füller geschrieben?
Ich schreibe täglich mit einem Füllhalter. Ob dies Notizen im Business-Alltag sind, ein Brief, eine persönliche Widmung, oder einfach ein paar Zeilen auf einer Geburtstagskarte an Menschen, die mir wichtig sind.
Handgeformte Worte hinterlassen eine eigene DNA
Wie verändert sich Handschrift, wenn man mit einem Füller schreibt?
Mir fällt auf, dass die Handschrift weicher wird, wenn ich mit einem Füllhalter schreibe und der ganze Brief bekommt eine andere Ausdrucksweise und Konnotation. Was wir heute schreiben ist oft auch für morgen gedacht. Oder wie Alex Fury es in „Inspire Writing“ ausdrückt: „Jeder einzelne Buchstabe zeugt von der Persönlichkeit seines Schreibers – das Gleiten von Hand und Stift über die Seite hinterlässt ganz eigene Spuren. Dabei geht es nicht nur um die handgeformten Worte an sich, sondern um den menschlichen Faktor, um eine faszinierende und emotionale Verbindung.“
Immer weniger Menschen schreiben noch mit der Hand. Mit Sicherheit auch, weil es so bequem und praktisch ist, Worte per Mouseklick zu versenden. Sind Kugelschreiber und Füller im Zeitalter der digitalen Transformation also nicht mehr gefragt?
Auf keinen Fall. Die hohe Kunst des handgeschriebenen Wortes gehört zu den bedeutendsten Errungenschaften der Menschheit. Sie steht für die Fähigkeit, das gesprochene Wort über Symbole weiterzugeben und eine geschriebene Sprache zu entwickeln, mit deren Hilfe Zivilisationen ihre Erinnerung, ihre Erfahrungen und ihre Kultur aufschreiben und weitergeben können.
Von der Oralität zur Skripturalität
„Die Feder ist deutlich mächtiger als das Schwert“ Dieser Satz steht auf Ihrer Homepage und spiegelt das Ethos, das Montblanc Schreibgeräte prägt, wider. Der Philosoph Jacques Derrida sagte in den 60er Jahren: „Allein die Möglichkeit das Denken außerhalb des Körpers festzuhalten, verändert es.“
Auch wenn sich unser Leben in der digitalen Welt zwischen virtuellen Treffen und dem Austausch in den sozialen Medien abspielt, können wir diesem schnellen Online-Rausch den Rücken kehren, um mit dem Schreibgerät in der Hand kontemplativ darüber nachzudenken, was uns wirklich wichtig ist. In diesen ganz persönlichen Momenten können wir unseren innigsten Gedanken und Erinnerungen nachgehen, bevor wir unsere Gefühle im Sinne eines Derrida zu Papier bringen.
Die Kunst des Schreibens ist zur Firmenphilosophie geworden. Wie hat es Montblanc geschafft, mit Schreibgeräten so bekannt und geschätzt zu werden?
Montblanc wurde gegründet, um die Menschen zum Schreiben zu bewegen und ihnen die Hilfsmittel zur Hand zu geben, die sie benötigen um kreativ zu sein. Menschen wollen auf der Welt Spuren hinterlassen – ganz egal wie bedeutend oder unbedeutend sie sind. Es geht darum den Augenblick zu würdigen und festzuhalten, dem Leben Sinn zu geben und eigene Gedanken mit anderen zu teilen.
1992 unterzeichnete der damalige deutsche Außenminister Hans Dietrich Genscher den Vertrag von Maastricht, welcher der EU die Gemeinschaftswährung Euro brachte, mit einem Montblanc, was übrigens nur aktenkundig wurde, weil Genscher dieser Stift später gestohlen wurde. Viele Verträge, die den Lauf der Welt veränderten, wurden mit einem Montblanc Meisterstück unterzeichnet. Wie kam es dazu?
Für uns hat das geschriebene Wort schon immer die höchste Bedeutung und so freut es uns natürlich, dass auch große Persönlichkeiten immer wieder auf ein Meisterstück zurückgreifen, wenn es um wichtige handgeschriebene Wörter geht.
Das Haus von Montblanc
Sie bauen gerade in Hamburg in Form eines Füllers ein Haus für die Welt der Schreibkultur. Was ist die Idee dahinter?
Die Kernfrage, der wir uns stellten lautete: Wie können wir Montblanc erlebbar machen? Und es war klar, dass dies am Hamburger Firmensitz im Hellgrundweg geschehen musste. Denn ausschließlich hier werden unsere Schreibgeräte gefertigt.
Und genau hier soll nun ein Ort für die Kunst des Schreibens entstehen: Ein öffentlich zugängliches Haus, 2.940 Quadratmeter groß, entwickelt vom madrilenischen Architekten-Duo Nieto Sobejano. Wir hoffen, dass wir noch im Laufe dieses Jahres endlich eröffnen können.
Dort zeigen Sie sicher auch welchen Weg Montblanc gefunden hat, das traditionelle Schreiben last but not least ins digitale Zeitalter zu übertragen?
Aber sicher. Die Antwort liefert unser Montblanc Augmented Paper. Es überträgt das Schreiben von Hand ins Digitale. Man schreibt auf Papier mit einem Kugelschreiber, in dem eine kleine und von außen unsichtbare Verbindungstechnik zur Schreibmappe integriert ist und speichert so alle handgeschriebenen Notizen und Zeichnungen digital ab.
Das ist die perfekte Symbiose zwischen Tradition und Moderne.
Fotos: Montblanc, Karsten Arndt, farbbild.com