Notizbuch mit Bleistift daneben

PRENTICE MULFORD – NEUES DENKEN

Dieser klassische Text des Hauptvertreters der amerikanischen Neugeistbewegung hat an Aktualität nichts eingebüßt, sein Werk wird von jeder Generation wieder entdeckt. Der Beitrag wurde von Max Hayek (1882 – 1944) übertragen.

Text Prentice Mulford

Schwarz-Weiß-Portrait von Prentice Mulford.

Prentice Mulford (1834–1891, Long Island) war Seemann, Schiffskoch, Walfischfänger, Goldgräber und Schriftsteller. Er gilt als wichtiger Vertreter der amerikanischen Neugeist-Bewegung. Seine Gedanken beeinflussen nach wie vor Generationen.

Neues Denken ist neues Leben. Der Erfinder oder Entdecker, dem das Geheimnis aufging, dem die Erfindung, die Entdeckung glückte: er ist von Freude und Seligkeit erfüllt. Das Blut in seinen Adern pulst mit frischem Drang.

Den Dichter, den Schriftsteller, reißt ein neuer Entwurf zu höchster Begeisterung hinan.
(Ich denke hier an die wenigen schöpferischen Dichter oder Schriftsteller und nicht an die vielen, die sich das Feuer des Genies borgen, um es in ihre Laternen zu stecken und dann – nicht selten mit Erfolg – als ihr eigenes Licht weiterzugeben!)

JEDER TAG KÖNNTE EINE ÜBERRASCHUNG BEREITHALTEN

Wie herrlich wäre es, könnten wir uns an jedem Morgen mit der zweifellosen Gewissheit erheben: der Tag werde uns mehr oder weniger von dem Entzücken bringen, das die Entdeckung von etwas für uns und andere Nützlichem und Erfreulichem bereitet, von etwas Ewigem für uns und andere, von etwas Unerwartetem, das aus der Wahrheit, die uns gestern vollendet schien, heute neu erblüht, von etwas, das uns kundtut, wie das Leben noch reicher an dauerndem und schuldlosem Genuss gemacht werden könne.

Ein Tag der Entdeckung eines großen Gesetzes oder Prinzips in der Natur, das sich vielleicht gerade an einem der so genannten „kleinen Dinge“ zum ersten Mal offenbart – wie ja Galilei das Gesetz der Pendelbewegung durch das Schwingen einer Ampel oder Jacquard das Prinzip seiner Webmaschine an der Bewegung der Hand ersah, mit der seine Frau den Töchtern kämmend durchs Haar fuhr.

Ein Tag, an dem uns die kleinen Dinge des Lebens neue Worte sagen – das Fallen eines Blattes und sein Farbenspiel im herbstlichen Schauer, sein Leuchten, das den Tod überstrahlt und in eine Farbenfrische taucht, als ob des Frühlings Wärme es durchglühte.

MIT FREIEM GEIST DER WELT BEGEGNEN

Es gibt Myriaden von immer neuen Bildern und Gedanken und Ideen, die die Natur uns anregt und die sie nicht müde wird, immer wieder so gern in den offenen, empfänglichen, unverdorbenen Geist hineinzuschreiben; in den Geist, dessen Seiten noch nicht mit den Meinungen oder Lehrsätzen oder Vorurteilen anderer vollgekritzelt sind und der das Geschriebene mit eigenen Augen zu lesen vermag.

Welche Freude für einen solchen Geist, sich heute mit einem stärkeren Können begabt zu sehen, wo er gestern noch verzweifeln wollte; eine Verlängerung der Ausdauer in quälender Arbeit zu erkennen, ein Erstarken des Mutes.

Eine Steigerung des Empfindens für Schönheit, die nun geschaut wird, wo ihr gestern noch mit Gleichgültigkeit begegnet wurde, ein Anwachsen der Kraft, ungezügelte Gier zu bändigen, eine Erhöhung des Vermögens, unfreudiges und deshalb schädliches Denken hinweg zu bannen!

Würde das nicht ermutigen, aufmuntern und Leben und Gesundheit geben? Und diese neue Art Denken kennt kein Ende, nach keiner Richtung hin! Dieses Denken dächte: „Bist du heute tüchtig gewesen? Du wirst morgen noch tüchtiger seinC war deine letzte Leistung als Maler, Dichter, Schauspieler oder Redner dein größter Erfolg?

Du wirst diesen Erfolg morgen noch vergrößern!“ Das Bewusstsein eines solchen endlosen Wachstums ist der sich weitenden Seele eine andere Nahrung als Brot – und doch ist es ihr Brot. Es ist das „Brot des Lebens“ und sollte als „Unser täglich Brot“ verlangt werden.

IN HARMONIE MIT DEM UNENDLICHEN

Würde uns der Gedanke an eine Erhabenste Kraft, an einen unendlich Weisen Geist, der an jedem Morgen immer neu bereit wäre, uns das Wissen zu geben, das uns durch Qual und Leid und Störung hindurchhülfe – durch Leiden von innen und Leiden von außen – würde uns ein solcher Gedanke und das trostreiche Vertrauen, das er erzeugte, nicht Nahrung, Anreiz und Stärkung sein?

Er würde es sein, zumal wenn uns der Beweis von seiner Kraft und seinem Vermögen, uns helfen zu können, viele Male zuteil geworden wäre, so dass sich unser Hoffen zur Überzeugung und Gewissheit gewandelt hätte.

Wird er nun aber gefragt, wie diese Kraft zu erlangen sei, wie wir uns „in Harmonie mit dem Unendlichen“ oder mit allem Guten, Schönen und Nützlichen zu setzen hätten, dann ist es fas albern zu antworten: „Lebe ein reines Leben!“ Denn, „ein reines Leben leben“ schließt so vieles ein, was hier getan und dort unterlassen werden soll, so viel Überkommenes, Veraltetes und Abgetanes – Schwierigkeiten, die zu überwinden und Verhältnisse, die nicht leicht zu schaffen wären. Ich möchte das Nützliche immer auch mit dem Schönen verbunden sehen!

  • Surreales Foto symbolisch für neues Denken
  • Hand, die ein Glühbirne ohne Kontakt zum Leuchten bring

SEIN ODER HABEN?

Der Wunsch nach Besitz scheint ein Gesetz der menschlichen Natur zu sein. Es wirkt sich auf niederem Plan als Geldanhäufung aus und will in seiner höheren Auswirkung Kräfte und geistig-seelische Eigenschaften mehren.

„Ich bin nun um hundert oder um fünfhundert Dollars reicher, als ich es an diesem Morgen war!“ denkt mit Befriedigung der Geldanhäufer am Abend seines Tages. Dieser Gedanke ist ihm ein Bissen vom Brot des Lebens, aber nicht des „ewigen“ oder endlich auch nur eines gesunden Lebens.

„Ich“, so mag ein anderer am Abend seines Tages denken, „ich bin nun reicher an Geduld geworden, ich bin in meiner Kunst um ein Stückchen weitergekommen, es ist mir heute eine Erkenntnis aufgegangen, die ich vor vierundzwanzig Stunden noch nicht hatte!“

Es gibt in der Vergangenheit eines jeden Menschen Tausende von Dingen, Erlebnisse und Begebnisse, an die zu vergessen weit nützlicher ist, als sich ihrer zu erinnern. Vergessen öffnet neuem Denken die Tür, Erinnerung, Hingabe an Vergangenes hält sie ihm verschlossen. Das Leben ist ein ewiger Vormarsch!

Er marschiert, für den ist es besser, vorwärtszuschauen. Und wir komme alle vorwärts – der dümmste, der unbeholfenste und störrischste unter uns. Eine mächtige, ewige, unbegreifliche Kraft drängt und reißt uns alle vorwärts, doch im Vorwärtsgetriebensein zögern viele und sehen zurück.

Sie widersetzen sich unbewusst der drängenden Kraft und locken so Übel, Schmerz und Krankheit an sich. Denn worauf der menschliche Geist eingestellt ist und war er am meistern betrachtet, das wird ihm zuteil.

UNSER DENKEN IST WIE EIN UNSICHTBARER MAGNET

Und ein stetes Denken und Vorstellen muss zuletzt in der Welt der sichtbaren und greifbaren Dinge Form und Gestalt gewinnen. Ich habe diese Behauptung in meinen Büchern oft und verschiedentlich ausgesprochen, weil mir diese Tatsache als der Angelpunkt allen Glücks und Elends, aller dauerhaften Gesundheit und Wohlfahrt oder aller Armut erscheint.

Unser Denken ist wie ein unsichtbarer Magnet: es zieht dasjenige, was in der Welt der sichtbaren und greifbaren Dinge mit ihm übereinstimmt, unaufhörlich an. Je kräftiger wir es erfassen, umso mehr werden wir darauf achten, unser Denken in rechte Richtung zu leiten. Wir werden immer mehr und mehr darauf achten, Gelingen und Erfolg zu denken als Elend und Fehlschlag.

DIE MÖGLICHKEITEN VON KÖRPER UND GEIST

Das Leben ist reicher an Möglichkeiten der Freude, als je gedacht wurde. Wahres Leben bedeutet ein unaufhörliches und immer mächtigeres Reifen. Es bedeutet die Erhaltung des physischen Körpers, so dass der Geist sich seiner bedienen will. Es bedeutet die Erhaltung des Körpers in einem Zustande, der nicht allein frei ist von Krankheit und Schmerz, sondern auch von Entkräftung, Schwäche und Verfall, kurz, von allem, was wir altern oder Alter nennen. (Alter entsteht, wenn dem Geist das Wissen fehlt, wie er das Instrument, dessen er sich bedient und das er stetig abnützt, wieder herzustellen und verjüngen kann!).

Leben bedeutet die Entfaltung von inneren Kräften und so die Schaffung von Freuden, die der kühnsten Dichtung spotten. Es bedeutet eine immer neue Frische, eine immer bereites Aufnehmen und Erleben dessen, was im Weltall groß und schön und wundersam ist, ja, ein immer neues Finden neuer Größe und Schönheit und Herrlichkeit und eine immer höhere Fähigkeit unserer Gemütskräfte, solch Glück ertragen zu können. Das Leben ist ewig im Finden und Schaffen dieser Freuden, deren Quell unerschöpflich ist und von denen wir nichts wissen, ehe wir ihre Art und Eigenschaft erfahren haben. Die Schrift spricht davon mit den Worten: „Das kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz kommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“

DIE SINNNE SCHÄRFEN

Die so genannten alltäglichen Dinge schenken unserem Leben und unserem Sinn nur einen dürftigen Teil der Freude, die sie uns zu schenken vermöchten. Unsere Nahrung, zum Beispiel, könnte unserem Geschmackssinn weit mehr Freude bereiten, als sie es heute tut.

Wir empfangen durch das Ohr und Auge durchaus nicht jenes Entzücken, das wir durch sie empfangen könnten. Höher entwickelten und verfeinerten Körpern müsste die Nahrung wie gesundes Reizmittel sein, das auf sie mit jener belebenden und erfrischenden Kraft wirkt, die das junge Tier vor Freude hüpfen macht. Das Spiel jedes Muskels – wie etwa beim Gehen – kann zum Freudenschenker gemacht werden.

Durch die Befolgung des Gesetzes der geistigen Welt wird uns in Hinkunft jener Seelenfriede erden, der „höher ist denn alle Vernunft.“ Dass wir diesen Zustand in der Vergangenheit noch nicht erreicht haben, beweist nicht, dass wir ihn in der Zukunft nicht doch erreichen werden.

DAS LEBEN IST ZU KURZ

Dann ist das Leben, mögen seine Kräfte tätig sein oder ruhen, ein unvergängliches Elysium! Freilich, heute blicken Millionen von Geschlechtern ganz und gar nicht nach so freudvollen Möglichkeiten aus, ja, sie haben kaum von ihnen gehört – und wenn man ihnen davon erzählte: Sie würden ja doch nichts davon glauben!

Welchem Glauben sind sie also ergeben? Einem Glauben, der mit jedem Jahre stärker wird und etwa bekennt: Das Leben ist kurz. Alter und Verfall sind unzweifelhafte Gewissheiten, die früher oder später jeder erfährt Nach einer gewissen Anzahl von Jahren müssen die Kräfte des Körpers unweigerlich abnehmen.

Und jeder Mensch muss zu einer gegebenen Zeit ebenso schwach und gebrechlich sein wie die alten und gebrechlichen Männer oder Frauen, die er heute vor sich sieht. Das große Ziel des Lebens muss deshalb darin bestehen: Geld, recht viel Geld aufzuhäufen als „Vorsorge fürs Alter.“

DER GEIST ENTSCHEIDET ÜBER DIE ZUKUNFT

Nun, diese Dinge zu betrachten, ist nicht sehr angenehm, und viele tun’s auch nicht. Sie schließen die Augen vor den düsteren Bildern ihrer Zukunft – glauben aber nichtsdestoweniger an diese Bilder.

Sie glauben – und fürchten sich weiter. Doch indem sie daran glauben, drängen sie ihren Geist diesem Glauben zu, hängen und haften sie an diesem Glauben. Und ein solches Vorwärtsdrängen, einem geglaubten Dinge entgegen, macht dieses Ding endlich zur stofflich-sichtbaren Wirklichkeit.

Die „Vorsorge fürs Alter“ erzeugt das Alter des Körpers, denn der Mensch, der vorsorgt, sieht sich jahrelang siech, verfallen und hilflos. Was der Geist in die Zukunft hineinsieht, das macht er aus der Zukunft.

Man verlässt sich auf ein stoffliches Ding, auf Geld, damit es einen von allen Übeln heile, wenngleich alle stofflichen Dinge völlig machtlos sind, diese Übel zu verhindern. In Schmerz und Angst ist der Fürst dem Bettler gleich; denn im größten Elend gewähren auch ein weiches Daunenbett und zahllose Wärter wenig oder gar keine Erleichterung.

DIE MORGENRÖTE NEUER OFFENBARUNGEN

Im Neuen Testament, das die letzte Offenbarung ist, erkennen wir die Lehre Christi und seiner Jünger voll eines Gefühls des Lebens, des „ewigen Lebens.“ Der Tod gilt dort nicht als eine absolute Notwendigkeit: Er ist vielmehr nur der Feind, der zuletzt aufgehoben wird.

Nun ist niemals verkündigt worden, es könnten größere Offenbarungen nicht vor Ablauf von Millionen und Abermillionen Jahren geschehen. Die Morgenröte solcher Offenbarungen dünkt mich heute angebrochen.
Nicht, weil heute ein paar Leute es sagen oder schreiben, sondern weil heute viele Geister zur Aufnahme der größeren Offenbarung bereit sind, die jahrhundertelang an die Pforte der Menschheit pochte, aber nicht eingelassen wurde, weil das Ohr der Menschheit, die sie wecken und der sie wohltun wollte, in all der Zeit zu dumpf und stumpf gewesen ist.

Die einzigen Toten im Weltall sind die Geistig-Toten. Es sind jene Menschen, die noch nicht gelernt haben, Nahrung aus dem Geist zu ziehen und die erdgebunden leben von toter, träger Materie und abhängig von ihr. Noch rufen die Wenigsten, die Vordersten: „Hier, mitten unter uns und um uns und in uns und nirgend sonst ist die größte aller bewegenden Kräfte!

IN DIE LEBENDIGE KRAFT HINEINWACHSEN

Der Gedanke schnellt aus unserm Geist gleich der Elektrizität, er tötet oder heilt, baut auf oder reißt nieder, wirkt Gutes oder Schlimmes in jedem Augenblick, bei Tat und Nacht, im Schlafen oder Wachen, er meißelt und formt unsere Gesichter und macht sie angenehm oder hässlich.“

Ehe du so viel deiner Gedanken anderen gibst, frage dich, angesichts dieser Möglichkeiten, ob du dir selbst nicht einiges schuldig bist.
Wenn du in die lebendige Kraft hineinwachsen kannst, wenn du, mit anderen, beweisen kannst, dass körperliche Gesundheit und Rüstigkeit an Stelle des Alters treten können, dass jegliche Krankheit vom Körper hinweggebannt bleiben kann, materielle Reichtümer und Bedürfnisse aus Gesetzen und Methoden zu fließen vermögen, die heute noch nicht befolgt und angewendet werden.

VERLANGEN WIRD ANTWORT

Wenn du endlich beweisen kannst, dass das Leben nicht jenes kurze, unbefriedigende, hoffnungslose Etwas ist, das es heute auch in den besten Fällen noch ist: Ja, wirst du dann nicht der ganzen Welt unsagbar mehr Gutes tun, als wenn du den Gedanken dazu verwendest, ein paar hungrige Mäuler zu stopfen oder ein paar körperliche Leiden zu lindern?

Und was ist das Ende unserer reichsten Leute, unserer Herrscher unserer großen Männer in Kunst und Wissenschaft, unserer Berühmtheiten, unserer Feldherren, Professoren, Minister?
Schwäche, Verfall, Krankheit, Tod! Die gescheitesten Leute bekennen, dass die Zeit, in der sie endlich einigermaßen gelernt hätten, wie zu leben wäre, die Zeit ihres Hinsterbens sei. Die Menschheit verlangt nach etwas Besserem. Und dieses Verlangen, dieser Ruf der Sehnsucht ist in vielen Jahrhunderten mächtig angewachsen.

Jedem ernsten Verlangen wird Antwort – und dieses Verlangen wird nun Antwort: zunächst an die Wenigen, dann an die Vielen. Neues Licht, neues Wissen und neue Erfüllung des menschlichen Lebens mit allem was ihm zugehört, strömt auf die Erde her.

Fotos: iStock, Unsplash / Aaron Burden, Bahador, Rohan Makhecha

Sie möchten nichts mehr verpassen? Hier erhalten Sie spannende Nachrichten zu Finanzen und vielen weiteren Themen.