Eine Burg auf einem Hügel im Wald

EIN CHALET IN DER WESTSTEIERMARK

Wenn es so etwas wie einen toten Winkel von Österreich gibt, dann muss es die Weststeiermark sein. Der Landstrich liegt an den Ausläufern der Alpen, kurz vor der slowenischen Grenze, und fristet ein kaum bekanntes Dasein. Zu Unrecht.

Hier erfahren Sie mehr über

  • Das Chalet Leopold
  • Nachhaltigkeit par Excellence
  • Nachhaltig kultiviertes Sein

Text Kian Kaspar Karimian

Kian Kaspar Karimian

Kian Kaspar Karimian lebt zwischen Großstadtdschungel in Singapore und Olivenhainen in der Toskana. Seit 2013 schreibt er für deutsche Wirtschaftsmagazine über das Reisen und den Genuss. Seine Leidenschaft gilt der Kunst des Gastgebens.

Warum dieses Schattendasein? Ja, es gibt Weinanbau in der Weststeiermark, doch die großen Sauvignon Blancs der österreichischen Top-Winzer kommen aus der angrenzenden Südsteiermark. Der mondäne Wörthersee liegt auf der anderen Seite der Berge in Kärnten. Die bekannten Skigebiete – Sie ahnen es schon – liegen nördlich in der Obersteiermark.

Warum trotzdem hinfahren? Weil es wenige Landstriche in Österreich gibt, in der sich Natur, Kultur und Alpenlandschaft so erleben lassen wie hier.

Erzherzog Johann von Österreich, der jüngere Bruder von Kaiser Franz II, schreibt am 11. Oktober 1831 überwältigt in sein Tagebuch:
„Ein breites fruchtbares Tal, mit sanften Höhen begrenzt. Die Tiefe wie ein Garten bebauet, die Höhen voll Wälder, Höfe Weingärten und Hecken. Nordwestlich zwei Täler kommend, dazwischen ein sanfter Gebirgsfuß, auf diesem das herrschaftliche Schloss, am Fuße der hübsche, wohlgebaute Markt. Es lässt sich wenig Schöneres denken, wende, wohin man wolle das Auge, überall der Garten.“
Die Schönheit hat sich bis heute erhalten und es gibt weit mehr zu entdecken.

Weststeiermark: Wahrer Luxus in der Stille und echtem Naturerleben

Markus Schermann stammt aus Graz, lebte zuletzt zehn Jahre in Singapore und entdeckte die Gegend eher zufällig beim Stöbern in Immobilienanzeigen. Er suchte Ende 2019 einen Ort, um dem Trubel des Alltags und dem städtischen Stress zu entfliehen. Einen Ort zum Alleinsein, der mehr bot als den Abstand zur nächsten Sonnenliege an einem Hotelpool.
Die Anzeige bewarb einen verfallenen Bergbauernhof, oben, wo die Wälder rauschen und der Bergbach plätschert. Am Ortsrand der Bezirksstadt Deutschlandberg führen fünf Kilometer Privatstraße quer durch das „Natura 2000“-Schutzgebiet „Lassnitztal“ bis auf 700 Meter Seehöhe in das, was heute Chalet Leopold heißt.

Chalet in den Bergen der Weststeiermark

Wie ein Bergbauernhof zum Chalet wurde

Nach zwei Jahren Covid und einer laut Schermann gefühlt niemals endenden denkmalgerechten Sanierung war es fertig: Ein echtes Schmuckstück, das jetzt als Rückzugsort der ganz besonderen Art auch zahlenden Gästen offen steht. Im Haus erwartet den Gast der unvergleichliche Duft einer originalen Zirbenstube aus dem 19. Jahrhundert und viel alpines Flair. Außen bäuerlich und umgeben von Wiesenblumen und Bergkräutern, ist es innen großzügig und interpretiert landestypisches Ambiente auf höchst geschmackvolle Art und mit Liebe zum Detail. Steirische Lodenstoffe und handbedruckte, Jahrhunderte alte Muster einer Salzburger Traditionsweberei schmücken Gardinen und Polster, der offene Wohn- und Essbereich hat einen Holzofen zum Kochen und Backen.

Mit viel Holz und ansonsten modernster, auch medialer Ausstattung, sind auch die beiden geräumigen Schlafzimmer im Obergeschoss eingerichtet. Platz genug also, auch wenn man mit größeren Familien reist. Urig und mit einer fantastischen Aussicht auf das kleine Tal und die umliegenden Baumwipfel lädt auch die überdachte Terrasse vor dem Haus ein. In der Sitzecke am rustikalen Tisch genießt man am Morgen die ersten Sonnenstrahlen und bei Sonnenuntergang das Essen am Gasgrill.

  • Innenansicht Bergchalet Steiermark
  • Küche im Chalet in der Weststeiermark

Ausgangspunkt für genussvolle Bewegung in unverfälschter Natur

Doch trotz des außergewöhnlichen Ambientes: Der „Star“ des Chalets Leopold ist die Lage: Reine Natur, Wälder, Bäche, Düfte. Zivilisation ist an diesem Fleckchen Erde erst gegenüber des Tals sichtbar, wo sich die Alm eines Sprosses aus dem europäischen Hochadel befindet. So ist das Chalet Leopold vor allem der Ausgangspunkt für Tage genussvoller Bewegung in intakter, unverfälschter Natur, die hier direkt vor der Haustür beginnt. Wandern oder Laufen, Radeln oder Biken, Baden oder Fischen im Fluss – zu all dem sind es nur ein paar Schritte. Auch ein familienfreundliches Skigebiet ist in 20 Minuten mit dem Auto erreichbar.

Eine Frau betrachtet Antiquitäten

Nachhaltigkeit par Excellence

Für Eigentümer Markus Schermann, der viele Jahre als Modeunternehmer tätig war, sich als gelernter Bauingenieur aber pro Jahr ein Restaurierungsobjekt vornimmt, ging es bei der Restaurierung des Chalet Leopold übrigens in höchstem Maße um Nachhaltigkeit und Erhaltung des typischen Charakters.
Schon der Landschaftsschutz verbietet jegliche Um- oder Anbauten und das ist auch gut so. Da das Haus nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen ist, bot sich eine Fotovoltaik-Anlage und eine Batterie mit einer Kapazität für rund drei Tage an. Doch wo der Strom nicht wie magisch aus der Steckdose kommt, muss er mit Bedacht eingesetzt werden. Licht macht Dank LED Technik kaum mehr Verbrauch aus, doch bei Haarföhn, Wasserkocher und Co wird es ernst. Die Spülmaschine kann am Vormittag laufen, wo fast immer mehr Sonnenenergie als Batteriekapazität vorhanden ist. Am Abend würde sie die Batterie derart leer saugen, dass es an die Grenzen geht.
Beim Wasser ist es anders: Dank eigener Quelle ist bestes Bergquellwasser praktisch unbegrenzt verfügbar, in bester Bioqualität und fast kalkfrei. Geheizt wird mit Holz, auch hier wird absolut nachhaltig gewirtschaftet, nur das entnommen, was jährlich nachwächst, und das ist mehr als reichlich.
So ist Nachhaltigkeit dank Energie-Autarkie eine Rückkehr in ein Leben, das auch dann noch funktioniert, wenn woanders alle Lichter ausgehen würden. Ein Gedanke, der uns wohl alle momentan mehr beschäftigt als wir je dachten.

Zimmer mit Blick in die Natur

Weststeierische Genüsse

So abgeschieden wie das Chalet Leopold wirkt, sind es dennoch nur zehn Autominuten über den Berg, bis man die Bezirkshauptstadt Deutschlandsberg erreicht. (wie es zu dem Namen kommt? Hier auf Wikipedia ). Sie bietet nicht nur alle Annehmlichkeiten und Einkaufsmöglichkeiten, sondern auch gastronomische Genüsse. Die weststeirischen Spezialitäten genießt man am besten im „Buschenschank“, der typischen kleinen Gaststätte auf einem der familiengeführten Weingüter, in denen man einfachen, aber ehrlichen Landwein und hausgemachte kalte Platten und Salate reicht (zu Fuß erreichbar: Buschenschank Jauk oder Resch). Die beste Forelle findet man unten an der Privatstrasse, im Restaurant Fischerhütte, wo junge Gastronomen die Forellen aus eigener Zucht perfekt zubereiten. Und für abendliche Umtrunke fühlt man sich in den alten Gewölben des urigen Weinlokals Klein & Fein besonders wohl.

Erzherzog Johann erwarb übrigens seinerzeit das nahe gelegene Schloss Stainz und rund 700 ha Grundbesitz. Er wurde Bürgermeister der Marktgemeinde Stainz und blieb das einzige Mitglied des Kaiserhauses, das je in einer demokratischen Funktion war. Als Aufklärer stieß er weitreichende Reformen an und verhalf der bitterarmen Gegend zu Aufschwung.
Aus seiner unkonventionellen Ehe mit Postmeisterstochter (!) Anna Plochl hinterließ er einen Sohn, der zum Grafen von Meran ernannt wurde und die Familie derer von Meran begründete. Noch heute ist Schloss Stainz mit seinen 2.500 Hektar Wald in deren Besitz und beherbergt außer den Privaträumen der Familie das größte Jagdmuseum Österreichs. Gezeigt wird Jagdkultur in all ihren Facetten, zudem widmet man sich neben einem ausführlichen kulturhistorischen Überblick dem Zusammenspiel von Mensch und Natur.

Blick ins Tal

Zeitgenössisches Design im Renaissance Schloss der Liechtensteins

Die zweite hochadlige Familie in der Region sind die Liechtensteins: Fürst Johann Josef von und zu Liechtenstein erwarb im Jahre 1812 große Liegenschaften in der Region, Nachfahre Prinz Alfred Liechtenstein bewirtschaftet heute rund 5.700 Hektar eigenen Waldbesitz. Teile davon sind UNESCO Biosphärenreservat und „Natura 2000“- Schutzgebiet und man engagiert sich auch kulturell stark. Als Kuratorin und Gründerin der Kulturinstitution „Schloss Hollenegg for Design“ lädt Ehefrau Prinzessin Alice Stori Liechtenstein, gebürtige Mailänderin und als Kuratorin in der italienischen Design-Szene eine feste Größe, einmal im Jahr junge Designer in ihr Renaissanceschloss in die Weststeiermark ein.

Zeitgenössisches Design, eingebettet in eine rund 800-jährige Geschichte, Entwürfe von Nachwuchs-Talenten aus unterschiedlichen Ländern inmitten historischer Mauern, vor seiden bespannten Wänden und unter Kristall-Lüstern – was die Artists in Residence hier entwickeln, wird zur Grazer Designwoche vorgestellt und kann unter dem Titel „Ashes & Sand“ von 6. bis 28. Mai 2023 besichtigt werden.
Das märchenhafte Schloss ist nur dieses eine Mal im Jahr öffentlich zugänglich und der Rundgang ist nicht nur eine Designreise, sondern auch eine Zeitreise in die Vergangenheit, mit seinem Gobelin-Raum, dem Ballsaal, dem Bad von Prinzessin Henriette (die 1865 ihren Cousin Alfred von und zu Liechtenstein ehelichte), gefüllt mit Artefakten, die Alice Stori Liechtensteins Ahnen hier aus fernen Ländern zusammengetragen haben. In der New York Times gibt es einen lesenswerten Artikel darüber.

Begegnung mit dem Wesentlichen

Den Rückweg in das Chalet Leopold tritt man dennoch gerne an. Vor allem, weil man hier einen ganz anderen Blick auf die Diskussionen der Dinge, die Welt so bewegen, bekommt. Und mit einem Mal stellt man sich Fragen nach den existentiellen Grundlagen unserer perfektionierten Industriegesellschaft, z.B. wie lange man es daheim aushalten kann, so ganz ohne Strom, ohne Wasser, ohne Heizung? Hier, im Chalet Leopold, lebt man autark und ganz abgeschieden von solchen Problemen des städtischen Alltags, kann eins sein mit der Natur und sich auf das Wesentliche konzentrieren: das Sein.

Fotos: Chalet Leopold Klaus Vyhnalek, Alice Liechtenstein Schloss Hollenegg for Design Federico Floriani, Tourismusverband Südsteiermark

Sie möchten nichts mehr verpassen? Hier erhalten Sie spannende Nachrichten zu Finanzen und vielen weiteren Themen.