SINNTERVIEW MIT JÖRG GELLNER: KEINE ÄSTHETIK OHNE ETHIK
Ästhetik ist ein Grundbedürfnis! Und kaum etwas kommt dem so entgegen wie die einzigartige Schönheit von Perlen. Ein Gespräch über die Werte des Familienunternehmens Gellner sowie das „Bluetown Project“ gegen Meeresverschmutzung und Klimawandel.
Hier erfahren Sie mehr über
- Das Traditions-Unternehmen Gellner
- Nachhaltige Verantwortung
- Intakte Ökosysteme um Austern
Interview Hans Christian Meiser
Der Perlenpionier und Schmuckdesigner Jörg Gellner übernahm schon früh die Schmuckmanufaktur seiner Eltern in Wiernsheim. Er ging zu den Quellen der Südsee und importiert exklusiv in Europa die schönsten Perlen für seine Schmuckkollektionen. Mehr über ihn: www.gellner.com
Herr Gellner, als Inhaber der gleichnamigen Schmuckmanufaktur, die Ihre Eltern 1967 gründeten, stehen Sie mit Ihrem Namen für Qualität – ähnlich wie das bei der Familie Hipp der Fall ist. Es gibt nicht viele Unternehmen, die es sich trauen, Marken- und Familiennamen zu vereinen. Was war für Ihre Familie ausschlaggebend, ihrem Unternehmen keinen Fantasie- oder Abbreviaturnamen zu geben?
Ich denke, für meinen Vater war das zum Ende der 1960er Jahre eher eine naheliegende Entscheidung. Damals hieß die “Marke” Kollektion Heinz Gellner. Als ich Mitte der 1990er Jahre die Firma übernommen habe, wurde daraus Gellner, mit dem Slogan „The Spirit of Pearls“.
Gellner als Marke bedeutet für mich immer volle Identifikation und Verantwortung für mein Tun und Handeln als Unternehmer. Wenn ich von Gellner spreche, dann meist nicht von mir oder meinem Namen, sondern von der Marke. Ich bin froh und stolz, die persönliche Verbindung von Namen und Marke zu haben.
Dennoch ist Gellner keine Personenmarke, sondern umfasst das Engagement mehrerer Generationen. Also hoffentlich auch das der kommenden.
Sie handeln mit dem einzig nachhaltigen Schmuck-Rohstoff, den es auf Erden gibt, nämlich mit Perlen – und hier widmen Sie sich mit Vorlieben den Südseeperlen. Allerdings werden diese nicht in Deutschland „aufgezogen, geimpft und geerntet“, sondern Tausende Kilometer entfernt, in Fiji, Tahiti oder Australien.
Danach müssen sie dorthin transportiert werden, wo sie verkauft werden sollen. Wie kann man auch diesen Teil des Prozesses so gestalten, dass er möglichst wenig Umweltschäden anrichtet oder zumindest nicht mit dem Gebot der Nachhaltigkeit in Konflikt gerät?
Wir unterhalten enge Freundschaften zu den besten Züchtern der Welt. Hier gibt es maximales Vertrauen, was Reisen minimiert. Natürlich muss ich bei den Auktionen persönlich anwesend sein. Und natürlich müssen die Perlen transportiert werden. Das ist etwas, was ich oft auch persönlich mache. Da wir jedoch direkt ab Farm Perlen beziehen, reduzieren sich die Transportwege auf ein Minimum.
Einer Ihrer Unternehmensgrundsätze lautet: „Verantwortung ist Voraussetzung für Schönheit.“ Bezieht sich in Ihrem Fall die Verantwortung auf den Produzenten oder auf den Träger des Schmuckes?
Auf beide. Wir haben festgestellt, dass immer mehr unserer Kunden sich mit Gellner identifizieren, weil sie unsere Haltung begrüßen. Ein Luxusprodukt von heute kann kein Luxus sein, wenn es sich gegen unsere Lebensgrundlagen positioniert. Luxus ohne Wissen und Gewissen ist etwas, was so nicht länger vermittelbar ist.
Der andere Satz, der mich beeindruckte, als ich mich mit Ihrer Firma beschäftigte, heißt: „Ästhetik und Ethik sind eins.“ Möchten Sie ihn etwas näher erklären?
Wenn die Ästhetik ein Grundbedürfnis des Menschen ist, und dafür liefert unsere Kulturgeschichte unzählige Beweise, dann kann dieses Grundbedürfnis nicht mit einem anderen kollidieren. Luxus kann kein Selbstzweck sein, wenn menschliches Elend oder die Zerstörung der Umwelt damit verbunden sind. Das geht nicht.
Dort, wo Austern gedeihen, ist das Ökosystem noch intakt, lebt der Mensch noch in Harmonie mit seiner Umwelt. Denkt man z.B. an die Fiji-Inseln, spricht man dann gerne vom „Paradies“, auch wenn sämtliche Paradiese gefährdet sind. Aus diesem Grund ist auf Fiji auch das „Bluetown Project“ entstanden, bei dem Klimawandel und Meeresverschmutzung wirksam und vorbildhaft für andere Regionen der Welt durch die Schaffung nachhaltiger Lebensräume gestoppt und nach Möglichkeit gänzlich verhindert werden sollen. Inwieweit ist die Firma Gellner, sind also Sie dort miteingebunden?
Justin Hunter, welcher dieses Projekt mit all seinen Visionen verfolgt, ist nicht nur Geschäftspartner von uns, sondern auch ein guter Freund. Allein durch den Kauf seiner Perlen helfen wir dem Projekt unmittelbar. Justin Hunter versucht auf mehreren Ebenen die Stadt Savusavu als erste komplett nachhaltige Stadt zu etablieren.
Wenn man den Perlenmarkt betrachtet, so müsste man eigentlich entsetzt sein, vor allem, weil sich China dort mit gebleichter Massenware hervortut. Das Besondere bei Gellner scheint mir zu sein, dass man den Weg jeder einzelnen Perle nachvollziehen kann. Ist das nicht ein enormer Aufwand, der viel Bürokratie erzeugt?
Wir haben die Chain of Custody bei Zuchtperlen als erstes Unternehmen eingeführt. Normalerweise ist Japan der Umschlagsplatz für alle Perlarten, egal welcher Herkunft. Ich habe mir Ende der 1990er Jahre das Ziel gesetzt, direkt ab Farm einkaufen zu dürfen. Heute sind wir eine der wenigen nicht-japanischen Firmen, welche dieses Privileg besitzen. Wir haben unsere EDV genau diesem Umstand sehr genau angepasst. Somit hat die Trägerin nicht nur immer ein Perlen-Collier von Gellner, sondern zugleich das von einem renommierten Züchter, wie z.B. Justin Hunter oder Robert Wan.
Bei Gellner gibt es keine anonymen Perlen. Dieses Premium ist ein wenig Bürokratie schon wert.
Sie sind ein Fan von Fiji-Perlen. Worin sehen Sie deren Magie?
Mich haben schon immer die Farben aus Tahiti und Fiji begeistert. Diese und die irisierenden Übertöne sind im Grunde nicht in Worte zu fassen, auch die besten Fotos fangen sie nicht ein. Man muss das einfach live sehen. Insbesondere die kühlen Farbnuancen von Marutea Perlen begeistern mich immer wieder aufs Neue.
Bislang war Perlenschmuck eine weibliche Kundendomäne. Jetzt aber kommen auch immer mehr Männer hinzu, welche sich damit verschönern oder zumindest ein Statement setzen wollen. Fiel der Übergang von einer rein weiblichen Kundschaft zu einer diversen schwer?
Nein. Wer sich mit der Kulturgeschichte der Perlen beschäftigt, kommt schnell zu dem Schluss, dass Perlen auf beide Geschlechter eine große Anziehungskraft ausüben. Natürlich gibt es hier eine starke Konvention, die die Frauen bevorzugt.
Wir wären aber nicht das innovative Unternehmen, das wir sind, wenn wir Konventionen für unverrückbar hielten. Und das kommt bei den Männern an. Und auch bei den Frauen. Natürlich müssen Perlen für den Mann in einer maskulinen Stilistik auftreten – so viel Konvention ist dann doch. Aber auch hier sind die Grenzen fließend, wenn Sie an Harry Styles oder Thimotée Chalamet denken.
Ein besonderes Stichwort, das man ebenfalls mit Ihnen in Verbindung bringen kann, ist „Blue Luxury.“ Was genau versteht man darunter?
Man versteht unter „Blue Luxury“ Luxusprodukte aus den Ozeanen, die über ein hohes Maß an Nachhaltigkeit verfügen. Perlen sind hier aufgrund der hohen Filterleistung der Perlaustern absolut vorbildlich, sie verbessern die Wasserqualität. Austern fördern den Nährstoffkreislauf des aquatischen Ökosystems und binden CO2. Außerdem bieten die Regionen der Perlfarmen Lebensraum und Schutz für Fische, Krebse und Muscheln. Die Perle ist somit das einzige Juwel, das komplett nachhaltig ist. „Blue Luxury“ umfasst also Luxusprodukte, die dem blauen Planeten helfen und nicht schaden.
Es gibt sehr viele Ansätze, das, was wir gegenwärtig auf der Welt als beklagenswert empfinden, zu verbessern. Welche Ideen kann Jörg Gellner noch dazu beitragen?
Was ich als Unternehmer tun kann und wozu ich meine Mitarbeiter und meine Kunden inspirieren möchte, tue ich. Ich versuche als Unternehmer Verantwortung zu übernehmen. Wir reduzieren Umweltbelastungen wo möglich. Wir arbeiten beispielsweise nur mit Perlfarmen, welche ein großes soziales Engagement vor Ort einbringen. Unsere Partnerfarm Atlas in Bali & Indonesien fördert zum Beispiel benachteiligte Gemeinschaften und das ansässige Waisenhaus.
Ein anderes Beispiel: Justin Hunter hat auf Fiji mit lokalen Frauengruppen eine starke Einbindung der Bevölkerung der traditionellen Dörfer vor Ort initiiert. Es gibt viele solcher Beispiele, und immer wenn ich vor Ort bin, genieße ich den Austausch mit den Mitarbeitern meiner Partner.
Diese Menschen scheinen oftmals sehr viel glücklicher als wir aus der westlichen Welt. Und sind unendlich dankbar für unsere Unterstützung.
Fotos: Gellner, J Hunter Pearls Fiji, Robert Wan Luxury Limited