Roter Stuhl vor schwarzem Hintergrund.

STILIKONE TANTRIS: FRÖHLICH. FREUDIG. FEURIG.

Sternelokale gibt es viele. Das Tantris in München hingegen ist Kult. Als Maison Culinaire öffnete es vor wenigen Wochen seine Pforten neu. Ein Gespräch mit der Architektin und Mitinhaberin Sabine Eichbauer.

Text Gerd Giesler

Schwarz-Weiß-Bild von Sabine Eichbauer.

Sabine Eichbauer versteht sich als Architektin für Grundsatzangelegenheiten. Sie ist leidenschaftliche Weingut-Betreiberin in Montalcino und mit ihrem Mann Felix verantwortlich für Deutschlands bekanntestes Spitzenrestaurant.

„Schön ist wüst und wüst ist schön“ – der Hexentanz aus Macbeth könnte sich durchaus einreihen in die goldenen Letter auf lackroten Wänden. Auch wenn es unter dem legendären Auge des Tantris in München weniger um Mordgelüste à la Shakespeare, als um Lukullisches, Barbarisches und Dionysisches geht.

Das überdimensionale plastische Auge ist der Entwurf des damaligen Praktikanten von Tantris-Architekt Justus Dahinden. Er hat mit seinem Hang zu Pyramiden und Kirchen dem Betonbau Tantris bereits 1971 etwas Skulpturales eingehaucht.

Damit wurde dem international renommierten Sternerestaurant nicht nur ein würdiger Tempel erbaut, sondern auch der Grundstein für 50 Jahre Gourmetgeschichte gelegt.

Zuletzt schien das Flagschiff der Spitzengastronomie jedoch etwas in die Jahre gekommen. 36 Monate lang hat Sabine Eichbauer deshalb „geplant, aufgeräumt, weggelassen und zurückgebaut“, bis das Tantris im Herbst 2021 in neuem Glanz erstrahlen konnte. Zudem kamen zwei neue Köche an Bord: Der kanadische Benjamin Chmura und die Französin Virginie Protat sind die Antwort auf Witzigmann, Winkler und die zuletzt 29 Jahre dauernde Ära Haas.

Tantris München

DAS TANTRIS  – GEBOREN IN MÜNCHENS DIASPORA

Es ist schon eine ziemliche Seltenheit, dass sich ein Münchner Bauunternehmer im Nachkriegsdeutschland ein eigenes Fine Dining Restaurant in Hummerrot und Trüffelschwarz hinstellt, in einer Zeit, als Dosengemüse, Pfanni Pürée und Corned Beef die Supermärkte eroberten.

Aber Fritz Eichbauer hatte genug vom schlechten Essen und dann traf er auf dem Weg zu einer seiner Studienreisen im Züricher Mövenpick mit Justus Dahinden eine folgenschwere Entscheidung. Denn leicht war es nicht, in den Anfangsjahren des Tantris, die richtige frische Ware heranzukarren und so schloss man sich der Einkaufsgemeinschaft, dem Rungis Express, an, der morgens um sechs in den Pariser Markthallen die frischesten Zutaten für die neue aufstrebende Küche, die Nouvelle Cuisine besorgte und ins Tantris lieferte.

Bei einem Glas Chardonnay von Madame Bize Leroy, eine ihrer langjährigen Lieblingswinzer, die sie natürlich persönlich kennt, erzählt Sabine Eichbauer von der Aufgabe. Seit Langem hatten sie und ihr Mann Felix sich intensiv mit der Familienangelegenheit Tantris beschäftigt, immer wieder Ideen kreiert und verworfen bis es jetzt vor dem 50jährigen Jubiläum ans Eingemachte ging.

Hatten Sie Herzklopfen?

„Wir beschäftigen uns seit 20 Jahren mit der Idee und hatten damals, als mein Schwiegervater umbauen wollte einen Plan eingereicht, in dem schon viel von dem steckte, was jetzt umgesetzt wurde. Damals fand er das amüsant, aber es kam nie dazu.“

Dieses beharrliche Festhalten von Fritz Eichbauer am Grundkonzept, auch wenn es von manchem belächelt und beschimpft wird, hat sich letztlich bewährt. Das Tantris hat sich nie wirklich in Frage gestellt und toterneuert zu Gunsten eines in der internationalen Gastronomie vorherrschenden Lounge-Stils.

„Wir haben die Abläufe geändert und Engpässe beseitigt. Das ist zunächst einmal nicht sehr sexy und designlastig, war aber für den Energie-und Arbeitsfluss dringend nötig und wo es um Design ging haben wir den Originalzustand angestrebt.“

  • Angeschnittenes Kalbsbriesruhmohr auf einem silbernen Teller.
  • Rohkost, auf einem weißen Teller arrangiert wie eine Rosenblüte.

Was ist wirklich wichtig?

Das Tantris hat für ein Gourmetrestaurant eine ungewöhnliche Größe. Wenn Witzigmann in seinen besten Zeiten sein legendäres Kalbsbries Rumohr auftragen ließ, dann brummte der Laden mit bis zu 100 Gästen im Tantris-Takt.

Sabine Eichbauer: „Natürlich war es auch eine Sinnfindung. Was ist wirklich wichtig? Was kann man wegnehmen um uns design-und küchentechnisch noch klarer zu definieren? Ist es denn noch zeitgemäß für 100 Gäste mit 15 Köchen in einer Küche zu kochen? Jetzt sind es sogar 23 Köche in zwei korrespondierenden Küchen. Für bis zu 60 Gäste im Hauptraum und 30 Gäste im DNA, dem französischen À-la-carte Restaurant. Dort lassen wir altes Handwerk im Tranchieren am Tisch und mit Servierwagen für Käse und Desserts wieder neu aufleben. Aber es ist und bleibt ein Konzept: Klassisch, französisch, produktbezogen regional und lokal, soweit es geht.“

Und weiter: „Die Bar hat an Platz gewonnen und dahinter leuchten jetzt wieder die ikonischen Wandlampen des Dänen Verner Panton, die auch die Hamburger Kantine des Spiegels in flammendes Rot tauchen. Die Treppe wurde zurück an ihren ursprünglichen Ort versetzt und von dort hat man einen wahnsinnig schönen Blick in den Hauptraum. Das gläserne Weinflaschenlager befindet sich jetzt unter dem Auge. Das erdet das Ganze ungemein“, schwärmt Sabine Eichbauer.

Die Bar des Tantris.

IM TANTRIS-TAKT DAS LEBEN FEIERN

Was macht für Sie den Ort so besonders?

„Ich mag das Tantris am liebsten belebt, mit Gästen und Mitarbeitern. Dann entfaltet sich so eine Leichtigkeit und Auszeit-Stimmung. Mein Mann spricht da immer von einer Art Circus Roncalli der Handwerkskunst. Aber es ist mehr, gerade weil es so sakral ist. Man feiert das Leben!“

Für die Architektin war das holistische Vorgehen maßgeblich, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, mit seinen Wünschen, Vorstellungen und Befindlichkeiten. „Das A und O am Tantris ist unser Team“, sagt sie. „Deren Wertschätzung ist unser Familienbeitrag. Ordentliche Bezahlung, vernünftige Arbeitszeiten, Dienstwohnungen und Tageslicht in der Küche. Und das spiegelt sich dann in der Arbeitseinstellung und Motivation wider.“

Und natürlich auch in den Preisen auf der Speisekarte. Das 8-Gänge Menue kostet immerhin 295 Euro pro Person.

„Dabei ist unser Stammpublikum nicht flashy“, verrät Sabine Eichbauer. „Das sind weniger Bayernspieler als vielmehr alteingesessene Münchner Familien, die sich diesen Luxus ab und zu bewusst leisten wollen. Eine Einstellung, die man sonst eher in Frankreich findet. Dort hat gutes Essen einen viel höheren Stellenwert als bei uns.“

NOUVELLE CUISINE ALS CREDO NEU INTERPRETIERT

Für die Eichbauers ist es „quintessenziell modern, alte Küchentechniken wieder aufleben zu lassen.“ Das geht natürlich nur ab einer gewissen Größe. Sonst funktioniert Nachhaltigkeit beim Fleisch nicht. Wir nehmen beispielsweise nur halbe Rinderhälften, verwenden aber alles. Der Grundgedanke der Nouvelle Cuisine ist bouche à queue, also vom Maul zum Schwanz. Wir erfinden altes Küchenhandwerk nicht neu, sondern übersetzen es ins Jahr 2021.“

Letztlich geht es darum, dass sich die Skulptur Tantris immer wieder hinterfragt und ganz bewusst platziert.“

Fotos: Kathrin Koschitzki

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