TIL SCHWEIGERS FILME FÜR PSYCHE UND SEELE
Ob Alzheimer in „Honig im Kopf“ oder eine unheilbare Krankheit in „Das Beste kommt noch!“: In Til Schweigers Werk spielt mentale Gesundheit eine zentrale Rolle. Die Florian Holsboer Stiftung hat mit ihm gesprochen. Hier lesen und hören Sie im Podcast, warum seelische Abgründe manchmal an die Oberfläche treten müssen, um etwas zu bewirken.
Hier erfahren Sie mehr über
- Interview mit Til Schweiger
- Krankheit in Komödien
- Die Podcast-Reihe „Alles nur im Kopf“
Text Daniela Otto
Tilman Valentin „Til“ Schweiger ist u.a. Schauspieler, Regisseur und Produzent. „Honig im Kopf“ war 2014 der erfolgreichste Film des Jahres. Mit der Til Schweiger Foundation setzt er sich auch gegen Kinderarmut ein.
Dass Kritiker mit den Filmen von Til Schweiger manchmal fremdeln, wundert nicht. Diese sind im Genre der Tragikomödie angesiedelt, mit Betonung auf Komödie, und was leicht daherkommt, hat es im Feuilleton doppelt schwer.
Dann ist da noch der Erfolg: Kein anderer Filmemacher hat so viele Zuschauer ins Kino gelockt wie Schweiger. Und das mit Themen, die, so möchte man meinen, wahrlich nicht nach Kassenschlager klingen. Zum Beispiel Alzheimer. Wer will einen alten Mann sehen, der aus lauter geistiger Verwirrung statt in die Kloschüssel in den Kühlschrank pinkelt? Satte 7,4 Millionen. Das muss man erst einmal schaffen – und das muss man erst einmal jemandem gönnen können.
Tabus brechen mit Humor
Es ist bedauernswert, dass die Leistung Schweigers nicht genügend anerkannt wird. Sein Werk stellt einen bemerkenswerten Beitrag zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen dar. Klamauk hin oder her (ja, die ein oder andere Szene mag ein bisschen zu sehr Slapstick sein, but who cares?), er hat es geschafft, dass Millionen von Menschen mit Themen konfrontiert werden, die uns alle etwas angehen: psychische Erkrankungen. Und wie wir damit umgehen.
Schweiger lebt inzwischen auf Mallorca und als wir mit ihm unseren Podcast „Alles nur im Kopf“ (s. unten) aufzeichneten, war in München tiefster Winter: Die Straßen vereist, der Verkehr chaotisch, es hat Minusgrade und dem gebräunten Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Cutter war sichtlich kalt. Sein Flug nach München wurde gestrichen, er ist über Nürnberg angereist.
Die Premiere seines neuen Films „Das Beste kommt noch!“ stand an, ein guter Grund, um in die Heimat zurückzukehren und bei dieser Gelegenheit auch über das Thema Mental Health zu sprechen.
Themen, die berühren und bewegen
Wir lernen einen herzlichen, sensiblen und leidenschaftlichen Künstler kennen, der offen davon erzählt, was ihn antreibt. Wenn er etwas erschaffe, brenne er dafür, sagt er. Während eines Drehs brauche er nur zwei, drei Stunden Schlaf. Und warum immer wieder diese Geschichten von psychisch Kranken bzw. Menschen in seelischen Extremsituationen?
Auch in „Das Beste kommt noch!“ wird, ähnlich wie in seinem ersten selbst produzierten Film „Knockin‘ on Heaven’s Door“, eine Figur mit der Diagnose einer unheilbaren Krankheit konfrontiert.
Weil er die Emotionen des Publikums vielschichtig berühren wolle, sagt Schweiger. Weil es langweilig sei, wenn alle nur jung und schön seien. Und weil ihn diese Themen selbst bewegen.
Til Schweiger erzählt von seiner Mutter, die Alzheimer hatte.
Die Ärzte und Pfleger, mit denen er sich unterhalten hat, schickten ihm ihre skurrilsten, komischsten und tragischsten Erfahrungen mit der Krankheit. Diese flossen in „Honig im Kopf“, einem der erfolgreichsten deutschen Filme aller Zeiten, in dem Didi Hallervorden Schweigers dementen Vater spielt, ein.
Er habe nach dem Film viele Zuschriften erhalten, sagt er. Tenor: Hätte ich den Film nur eher gesehen, ich wäre anders mit der erkrankten Person umgegangen.
Drehbücher fürs echte Leben
Und genau das ist es: Psychische Erkrankungen sind nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für die Angehörigen eine Tragödie. Wie meistern wir diese Herausforderung? Natürlich, das echte Leben ist kein Film und selten ist das Licht so schön wie am Set. Dennoch können Filme wie „Honig im Kopf“ oder „Die Rettung der uns bekannten Welt“, in dem es um einen manisch-depressiven Jungen geht, uns Drehbücher fürs echte Leben sein. Ja, sie können uns lehren, zumindest ein Stück weit, wie wir mit derartig schwierigen Situationen umgehen.
Schweiger weiß: Man erreicht die Massen nur über Unterhaltung. Er ist sich nicht zu gut, um das zu nutzen und bricht mit dem alten Erzählmuster, dass Psychiatrie immer Horror sein muss. Wer „Einer flog übers Kuckucksnest“ gesehen hat, weiß, was gemeint ist. Psychiatrie, das ist in den meisten Filmen gleichzusetzen mit schrecklichen Bildern von Zwangsjacken und Psychochirurgie. Schweiger setzt dem eine heilsame Erzählung entgegen: Die Liebe der Familie ist, neben humaner ärztlicher Betreuung, die beste Medizin. Das mag manchem Kritiker zu kitschig sein – für jeden Patienten aber ist es Balsam für die Seele.
HÖREN SIE JETZT AUF PURPOSE: „Alles nur im Kopf“, einen Podcast der Florian Holsboer Foundation mit Til Schweiger
Die gemeinnützige Florian Holsboer Foundation setzt sich für ein neues Bewusstsein von mentaler Gesundheit ein. Denn: „Wo Bewusstsein beginnt, hört das Stigma auf.“
Mehr Podcasts zur Aufklärung über psychische Erkrankungen und für ihre Entstigmatisierung finden Sie hier: florianholsboerfoundation.com
Fotos: Barefoot Film, Thomas Straub, Florian Holsboer Foundation, Adobe Stock