TINOS – DIE STILLE SCHWESTER VON MYKONOS

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Text Hans Christian Meiser

Natürlich ist das Eiland nicht gänzlich touristenfrei, das merkt man vor allem jedes Jahr am 25. März und am 15. August, wenn Zehntauensende von gläubigen Griechen die Insel stürmen, um zur Kirche Panagia Evangelísta zu gelangen. Sie ist das wichtigste Marienheiligtum Griechenlands, da dort vor 200 Jahren eine Ikone entdeckt wurde, die seitdem als wundertätig verehrt wird.

Es ist ein demütig machendes Erlebnis, Menschen zu sehen, die sich, nachdem sie auf den Knien die 200 Meter lange Straße hinauf bis zur Kirche bewältigt haben, vor der Ikone verbeugen, sie küssen, in Tränen ausbrechen und anschließend Wasser aus einer heiligen Quelle mitnehmen. Sie alle verbindet eines: der Glaube an eine höhere Macht, der sich positiv auf sie auswirken soll, wenn man seine Sünden bereut bzw. sie erst gar nicht begeht.

Von all diesen Sünden merkt man auf Tinos nichts, im Gegenteil. Es ist eine gebirgige (höchste Erhebung 727 Meter), beschauliche und entspannende Insel, die zwar nicht so viele schöne Strände wie Mykonos aufzuweisen hat, aber dennoch einen erstaunlichen Liebreiz ausstrahlt, dem sich der Besucher kaum entziehen wird können.

GESUNDE UND GUTE INSELKÜCHE

Das liegt natürlich zum einen an der Inselküche, die neben den klassischen griechischen Tavernen am Hafen (sehr zu empfehlen: „Talera“) auch ambitionierte Lokale zu bieten hat (Einheimische empfehlen das „Tarsanás“ oder das „Maráthia“).

Das alle Sinne am meisten Verwöhnende ist vielleicht das „Bianco Beach House Restaurant“, in der nur fünf Minuten von der Hauptstadt entfernt gelegenen Kiona-Bucht, das mit einer griechisch-französisch inspirierten Mittelmeerküche aufwartet, die der Zauberhand des Zyprioten Iannis Charalambous, der auch als Schauspieler bekannt ist, entspringt.

Das „Bianco“ erfüllt alle Griechenlandträume: eine kleine Bucht mit herrlichem Wasser; Liegen und Sonnenschirme zum Mieten (20 Euro pro Tag, in Mykonos kosten sie das Achtfache!); ein Strandlokal mit feinsten Speisen; Sonne und Schatten dort, wo man sie haben möchte; einzig die Musik am anderen Ende des Strandes könnte etwas gedämpfter sein.

DER BLICK IN DIE UNENDLICHKEIT

Auch nur wenige Autominuten von Tinos Stadt („Chora“) entfernt liegt das Hotel „Infinity View“, welches seinem Namen alle Ehre macht. Es ist nicht nur für Urlauber gedacht, sondern auch für Geschäftsreisende oder Gläubige oder Unterkunftssuchende aller Art. Dabei erfüllt es jeden Geschmack, das ist das Erstaunliche. Das mag an der modernen, fast Bauhaus-artigen Erscheinung liegen, an der genial gelösten Platzaufteilung in den Zimmern oder vermutlich am Blick in die Unendlichkeit, der dem Haus seinen Namen gab. Wer einen oder zwei Tage auf Tinos verbringt, ist hier perfekt untergebracht.

BLAU ODER GRAU?

Und wer länger bleiben möchte, dem bietet sich mit dem „Blue Grès“ eine wunderbare Gelegenheit, ein luxuriöses und dennoch erschwingliches (zumindest in der Nebensaison) Domizil zu beziehen. Die Grès Villa kann bis zu 14 Personen beherbergen, die Blue Villa bis zu 12. Da die Villen aber in jeweils drei Etagen (die zweite mit Private Pool) unterteilt sind, kann man dort auch zu zweit oder zu viert, mit sechs, acht, zehn, zwölf oder 14 Personen logieren.

Die Apartments haben allesamt Vollausstattung samt Küche, die Materialien sind vom Feinsten und der Blick von den Terrassen auf das Meer spektakulär und entspannend zugleich. Selten findet man eine solche Mischung aus traditionellem griechischem Landleben und moderner, aber dem Landestil angepasster Architektur vereint. Der Strand ist drei Autofahrtminuten entfernt, die Stadt fünf. Somit sind alle Voraussetzungen für einen relaxten Tinos-Aufenthalt gegeben.

ASSYRTIKO VOM FEINSTEN

Der Schöpfer dieser Villen, Markos Rigos, stellt eigentlich mit seinem Sohn Vangelis Aluminiumrahmen für Fenster und Balkontüren her. Aber es ist sein großes Hobby, den Gästen seiner Villen resp. Apartments die Schönheit seiner Insel zu zeigen. Und das tut er, wenn er sie zu einer Inselrundfahrt einlädt, die immerhin fast einen dreiviertel Tag dauert.
Es geht durch das Gebirge, an spektakulären Küstenstraßen entlang zu kleinen Badebuchten mit schönen Stränden, zu verlassenen oder bewohnten Dörfern, zu Taubenhäusern (Peristerónas, für deren Vielzahl Tinos berühmt ist), zur Panormos Bay mit Fischerbooten und klassischen griechischen Strandtavernen, zur Marmorstadt Pyrgos (ein tolles Erlebnis!) mit Besuch beim Bildhauer Michail Saltamanikas).

Und dann, das muss sein, zur Verkostung ins Weingut „Vaptistis“. Dazu muss man wissen, dass Tinos durch das dort vorherrschende Mikroklima einen ganz besonderen Wein hervorbringt, einen Assyrtiko, der als der beste Griechenlands und als einer der besten der Welt gefeiert wird. Sein Name: T-Oinos („oinos“ bedeutet Wein und wird wie „inos“ ausgesprochen, in Kombination mit einem „T“ ergibt sich phonetisch das Wort „Tinos“). Er wird auf dem Weinberg Clos Stegasta produziert und kostet (für einen Weißwein nicht gerade wenig ca. 70 Euro).

Rund 50 Euro weniger kosten die nicht weniger vorzügliche Weine der Kellerei „Vaptistis“, weshalb man dort unbedingt zur Verkostung vorbeisehen sollte. Denn die Produkte „Antara“, „Potamisi“, „Altana“ (Rosé), „Mavrotragano“ (rot) oder „Mastroyianni“ zu probieren und dabei auf die Ägais und die Insel Mykonos zu blicken, ist sicherlich ein Erlebnis, das unvergessen bleibt – wie der gesamte Aufenthalt auf Tinos.
Die stille Schwester von Mykonos ist ein echter Geheimtipp unter Griechenlandfans.

DIE SCHÖNHEIT DES KOUROS

Zwischen Mykonos und Tinos verkehren täglich viele Fähren, so dass man sich für die kurze Überfahrt die am besten geeignete Fähre leicht vor Ort oder online aussuchen kann.
Und wer eine Nacht zuvor oder danach auf Mykonos verbringen möchte, z.B. um per Direktflug wieder in die Heimat zu gelangen (oder eben von derselben nach Tinos), dem sei das Hotel „KOUROS“ empfohlen, dass sich an den Hügel zwischen dem alten und dem neuen Hafen schmiegt. Hier kann man die Schönheit der Insel mit Blick auf Mykonos, Delos, Tinos, Siros und Andros genießen: Die eleganten Zimmer sind perfekt für einen Sundowner geeignet. Man kann aber auch zu Fuß in die Stadt gehen und das An- und wieder Ablegen der Kreuzfahrtschiffe erleben, zum Glück so weit entfernt, dass man das Ganze wie einen Kinofilm betrachten kann. Dabei am Pool einen Choriatiki (griechischer Bauernsalat) samt einem Glas Assyrtiko aus Tinos zu genießen – schon ist der Urlaub in all seiner Vielfalt perfekt.

Fotos: Gerd Giesler, infinityview.gr, bluegrestinos.com